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Seit Richard Feynman hat kein Physiknobelpreisträger mit solcher Klarsichtigkeit geschrieben wie Robert B. Laughlin, der die Neuerfindung der Physik in Angriff nimmt. Weil im Zeitalter der Superstring-Theorien und der eleganten Universen die Grenzen physikalischen Wissens so unfassbar weit von uns weg liegen, sprechen manche bereits vom "Ende der Wissenschaft". Für Laughlin dagegen sind wir noch nicht einmal in dessen Nähe. Lediglich der reduktionistische Traum einer "Theorie von allem", die Suche nach der Weltformel, wie sie Einstein oder Heisenberg und heute Hawking oder Greene betreiben,…mehr

Produktbeschreibung
Seit Richard Feynman hat kein Physiknobelpreisträger mit solcher Klarsichtigkeit geschrieben wie Robert B. Laughlin, der die Neuerfindung der Physik in Angriff nimmt. Weil im Zeitalter der Superstring-Theorien und der eleganten Universen die Grenzen physikalischen Wissens so unfassbar weit von uns weg liegen, sprechen manche bereits vom "Ende der Wissenschaft". Für Laughlin dagegen sind wir noch nicht einmal in dessen Nähe. Lediglich der reduktionistische Traum einer "Theorie von allem", die Suche nach der Weltformel, wie sie Einstein oder Heisenberg und heute Hawking oder Greene betreiben, ist an ihre Grenzen gekommen. Während jenseits davon die Welt der Emergenz die Selbstorganisation der Natur zu entdecken und zu verstehen ist.
Autorenporträt
Robert B. Laughlin, geboren 1950, ist Physik-Professor an der Stanford University, wo er nach Stationen am Massachusetts Institute of Technology und in Berkeley seit 1985 lehrt. 1998 bekam er für seine Arbeiten über den fraktionellen Quanten-Hall-Effekt den Nobelpreis für Physik. Er ist u.a. Fellow der American Academy of Arts and Sciences und lebt in Palo Alto, Kalifornien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2007

Herumbasteln ist die halbe Wissenschaft

Zwei experimentierfreudige Bücher machen gut verständlich mit dem Weltbild der Physik vertraut: Geschichten der Nobelpreisträger Max Planck und Robert Laughlin.

Der Münchener Physikprofessor Philipp von Jolly war es, bei dem der junge Max Planck 1874 Rat einholte, ob er sich dem Studium der Physik widmen solle. Fünfzig Jahre später erinnerte sich Planck in einem Vortrag daran, welches Bild der Ordinarius dem sechzehnjährigen Abiturienten vom Entwicklungsstand der Physik und den auf ihrem Feld zu lösenden Aufgaben entworfen hatte. Mit einer nahezu ausgereiften Wissenschaft, die bald ihre endgültige stabile Form angenommen haben werde, bekäme es der Student zu tun. Zwar gebe es "vielleicht im einen oder anderen Winkel noch ein Stäubchen oder ein Bläschen zu prüfen", aber im Ganzen nähere sich die Physik jener Vollendung, wie sie die Geometrie schon seit Jahrhunderten aufweise.

Der Konstanzer Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer hat in seinem einprägsam geschriebenen Lebensbild Max Plancks diese Anekdote genutzt, um eine Vorstellung von der Physik in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts zu geben. Fischer weiß Grundzüge physikalischer Theorien und Probleme ohne technische Details darzustellen.

Planck mag die Einschätzung des Münchener Professors vielleicht ein wenig übertrieben haben. Aber entscheidend bleibt, dass ein solches Bild der Physik damals nicht als abwegig gelten musste. Es zeigt die Überzeugungskraft des klassischen Bestands: eine mathematisch feingeschliffene Mechanik, das Wunderwerk der Maxwellschen Gleichungen für die Elektrodynamik, eine sich gut entwickelnde Theorie der Wärmeerscheinungen und ihrer technischen Nutzungen. Die Faszinationskraft eines wissenschaftlichen Leitparadigmas wie der Mechanik bemaß sich daran, alle in den Blick kommenden Phänomene im Lichte der Versprechungen zu betrachten, die sich aus ihrer eindrucksvollen Erfolgsgeschichte ergaben.

Schwierigkeiten stellten sich freilich ein, und an einer von ihnen arbeitete sich der 1880 habilitierte und zwölf Jahre später auf den renommierten Lehrstuhl für theoretische Physik der Berliner Universität berufene Max Planck ab. Es ging letztlich um eine angemessene Beschreibung der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung und Materie. Die spektrale Energieverteilung der von einem erhitzten Körper abgegebenen Strahlung richtig zu fassen, stellte sich nach den Grundregeln der klassischen Berechnung für eine auf verschiedene Frequenzen aufzuteilende Energie als unmöglich heraus. Mit einer kontinuierlichen Verteilung war den experimentellen Befunden offenbar nicht beizukommen. Planck passte in einem "Akt der Verzweiflung" eine Formel in die Messkurven ein, die gegen alle in Anspruch genommenen Intuitionen mit diskreten Werten operierte. Das nach ihm benannte Wirkungsquantum hatte so zur Jahrhundertwende seinen ersten Auftritt. Fünf Jahre später gab der junge Einstein der formalen Notlösung mit seiner Erklärung des photoelektrischen Effekts mehr an physikalischer Substanz, und in den folgenden Jahren stellte sich heraus, dass die klassische Theorie im atomaren und subatomaren Bereich nicht zu flicken, sondern durch eine tiefgreifend veränderte Art von theoretischer Beschreibung zu ersetzen war.

Plancks gequantelte Strahlungsformel entpuppte sich als Anstoß für die konzeptuellen Umwälzungen der Quantentheorie. Aber Planck selbst hatte schon mit Einsteins Lichtquantenhypothese von 1905 - im Unterschied zu der von ihm gleich erkannten Bedeutung des Relativitätsprinzips und seiner Konsequenzen - seine Probleme. Bei der Entgegennahme des Nobelpreises 1920 (für das Jahr 1918) in Stockholm strich er die "sehr unerfreulichen Konsequenzen" heraus, die sich aus den Quanten für den physikalischen Theoretiker ergäben. Gleichzeitig musste er einsehen, dass seine über Jahre gehenden Versuche, das Wirkungsquantum irgendwie in die klassische Theorie einzugliedern, gescheitert waren. Manche seiner Kollegen, schrieb er einmal, hätten "darin eine Art Tragik erblickt". Niemand zeigte weniger revolutionären Habitus als der vom klassischen Ideal durchdrungene Planck, und ausgerechnet er hatte das Quantum und damit die neben der Relativitätstheorie entscheidende Revolution in den Grundlagen der Physik auf den Weg gebracht.

Auf den Revolutionär wider Willen ist oft hingewiesen worden, und Ernst Peter Fischers Biographie führt ihn eindrucksvoll vor Augen: Von den ersten Arbeiten über den, so Planck im Rückblick, "wie eine Heilsbotschaft" aufgenommenen Satz über die universelle Energieerhaltung bis zu den Stellungnahmen zu der von der jungen Physikergarde ausgearbeiteten Quantentheorie und ihren Konsequenzen für unser Bild der Welt. Selbst wenn er ihr gegenüber nicht so angriffslustig war wie Einstein, überzeugen konnte sie ihn nicht. Seine Bemerkung, dass sich die neuen Ideen nicht durch Überzeugung, sondern durch das allmähliche Aussterben ihrer Gegner durchsetzten, gehört in diesen Kontext.

Vom Kaiserreich bis zur neuen Bundesrepublik reichte dieser Weg eines Mannes, der die Tugenden der wissenschaftlich-kulturellen Elite seiner Generation verkörperte genauso wie die für das Bildungsbürgertum charakteristischen Imaginationsgrenzen in Sachen Politik. Zu retten, was für die Wissenschaft zu retten war, blieb die Maxime des ordnungsbewussten und staatstreuen Wissenschaftsfunktionärs nach 1933. Eine trotz amtlicher Schikanen abgehaltene Gedenkfeier für Fritz Haber, den vertriebenen jüdischen Kollegen, konnte 1935 als kleines Zeichen des öffentlichen Abweichens gelten. Für jenen Mann also, der im Ersten Weltkrieg seinen Patriotismus durch die Entwicklung einsatzfähiger Giftgaswaffen unter Beweis gestellt hatte: Mit der politischen Unschuld der Wissenschaft war es damals schon seit einiger Zeit vorbei.

Am Anfang hatte bei Planck eine Physik gestanden, die bei manchen den Eindruck erweckte, dass bloß noch einige Details theoretisch einzufügen und zu justieren wären. Auf solche Abschlussvermutungen verfällt man mittlerweile zwar weniger leicht. Aber vor einigen Jahren begann eine heftige Debatte darüber, ob von den physikalischen Grundlagentheorien denn überhaupt noch etwas Entscheidendes, nämlich Schritte zur finalen Beschreibung der physikalischen Welt im Rahmen einer tatsächlich vereinheitlichten Theorie zu erwarten seien. Oder müsse man, so wurde gefragt, doch bloß mit immer mehr barocker Mathematik, Strings und vielen Dimensionen rechnen, die weit von jeder Möglichkeit empirischer Überprüfung blieben.

Auf diese Debatte reagiert Robert B. Laughlin - Nobelpreisträger 1998 für die mathematische Darstellung eines Quanteneffekts - mit seinem Buch. Wie nicht weiter verwunderlich, hält der theoretische Physiker Laughlin es mit seinem Fach. Und seine bissigen Bemerkungen in Richtung biologische Labors zeigen auch gleich, was hinter diesen Debatten steht: Der Aufstieg der Biologie zur Leitdisziplin, in deren Schatten die großen Versprechungen einer fundamentalen Physik dahinwelken - und die entsprechenden Forschungsgelder abwandern.

Laughlin stellt dagegen Überlegungen, die auf biologische Phänomene als Beispiele von Emergenz hinauslaufen: Ordnungsmuster, die sich aus dem Verhalten von elementareren Bausteinen, doch erst bei einem Wechsel der Beschreibungsebene ergeben. Seine Pointe ist, dass solche Effekte nicht erst weit oben in den Biowissenschaften ins Spiel kommen. Bereits im Bereich der Physik bekomme man es mit Phänomenen zu tun, die sich kollektiv erzeugten Ordnungsmustern verdanken: Emergenz beginnt bereits "ganz unten", in der subatomaren Physik. Da bleibe der Physik noch einiges, ja die Hauptsachen zu klären.

Aus dieser Akzentuierung von Emergenz als gemeinsamen Nenner gewinnt Laughlin seine Verwahrungen gegen Forschungsstile in der Biologie. Sie erscheinen ihm als voreilige Verabschiedung von solider und durch präzise Messungen kontrollierter Theorie zugunsten eines Herumprobierens, Ablösung von Wissenschaft im eigentlichen Sinn durch bloße Technik und aufwendige Bastelei.

Robert B. Laughlin berührt interessante Punkte. Aber eine zusammenhängende Darstellung ist seine Sache nicht. Er bevorzugt das Anekdotische. Deshalb dürfte über seine Neuerfindung der Physik nicht leicht zu diskutieren sein.

HELMUT MAYER

Ernst Peter Fischer: "Der Physiker". Max Planck und das Zerfallen der Welt. Siedler Verlag, Berlin 2007. 352 S., geb., 22,95 [Euro].

Robert B. Laughlin: "Abschied von der Weltformel". Die Neuerfindung der Physik. Aus dem Amerikanischen von Helmut Reuter. Piper Verlag, München 2007. 330 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Etwas unausgegoren scheint Rezensent Helmut Mayer dieses Buch des Physikers Robert B. Laughlin, der 1998 den Nobelpreis für die mathematische Darstellung eines Quanteneffekts erhielt. Eingehend berichtet er über die "bissige" Auseinandersetzung des Autors mit den modernen Biowissenschaften. Vor allem Laughlins Überlegung, biologische Phänomene als Beispiele von Emergenz zu verstehen, hält er für plausibel. Insgesamt berühre das Buch durchaus "interessante Punkte". Allerdings bemängelt Mayer die Darstellungsweise des Autors als wenig zusammenhängend und eher anekdotisch. Eine Diskussion von Laughlings Thesen zur "Neuerfindung der Physik" sieht er dadurch sehr erschwert.

© Perlentaucher Medien GmbH