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Es gibt wohl kaum intensivere Beziehungsgeflechte, als Familien dies sind. Krankheit und Tod eines Elternteils lassen die Macht und Wirksamkeit emotionaler Bindungen und Verbindungen ein letztes Mal in vollem Umfang zutage treten. Sabine Peters gibt dieser Erfahrung ihre sensible Sprache.»Alle glücklichen Familien gleichen einander. Nur die unglücklichen sind jeweils auf ihre eigene Weise unglücklich.« Mit diesem Satz beginnt Tolstois Roman »Anna Karenina«.Sabine Peters Erzählung variiert gewissermaßen dieses Thema: Wir alle verlieren eines Tages Vater und Mutter. Wir alle erleben diesen…mehr

Produktbeschreibung
Es gibt wohl kaum intensivere Beziehungsgeflechte, als Familien dies sind. Krankheit und Tod eines Elternteils lassen die Macht und Wirksamkeit emotionaler Bindungen und Verbindungen ein letztes Mal in vollem Umfang zutage treten. Sabine Peters gibt dieser Erfahrung ihre sensible Sprache.»Alle glücklichen Familien gleichen einander. Nur die unglücklichen sind jeweils auf ihre eigene Weise unglücklich.« Mit diesem Satz beginnt Tolstois Roman »Anna Karenina«.Sabine Peters Erzählung variiert gewissermaßen dieses Thema: Wir alle verlieren eines Tages Vater und Mutter. Wir alle erleben diesen Abschied im Beziehungsgeflecht der Familie, aus der wir kommen. Aber den Schmerz des Verlusts erlebt jeder auf seine eigene Weise.Sabine Peters erzählt das letzte Lebensjahr, Krankheit und Tod des sprachmächtig dominanten Vaters »Doktor Phil«. Seine Frau und die vier Töchter, von denen er immer nur als Eins, Zwei, Drei und Vier spricht, durchleben diese Zeit, mal näher, mal distanzierter. Immer aber ist es das gemeinsame Leben in der Familie, auf das der Blick fällt. Es sind die immergleichen quälenden Fragen, die allen Familienmitgliedern bis zum Überdruß bekannt sind. Und doch sind es diese Fragen, die noch am Lebensende gestellt werden.Sabine Peters gelingt es in ihrer Erzählung, einer Familie Sprache zu geben. Überhaupt ist die Gefühlswelt dieser bürgerlichen Kleinfamilie eine Sprachwelt, die nach eigenen Regeln und Gewohnheiten funktioniert und die von der Autorin behutsam und genau nachgezeichnet wird.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Sabine Peters, geb. 1961, studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Nach einigen Jahren im Rheiderland lebt sie seit 2004 wieder in Hamburg. Neben Romanen, Erzählungen, Hörspielen schreibt Sabine Peters auch Essays und Kritiken. Sie wurde ausgezeichnet u.a. mit dem Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, dem Clemens-Brentano-Preis, dem Evangelischen Buchpreis und dem Georg-K.-Glaser-Preis. 2016 erhielt sie den Italo-Svevo-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2003

Die Familie und das Universum
Doktor Phil und die Seinen: Eine Erzählung von Sabine Peters

Eigentlich ist es eine eher banale Geschichte, die Sabine Peters in ihrem schmalen Buch erzählt: Ein bejahrter Vater, eine alte Mutter, vier erwachsene Töchter leben ihr Durchschnittsdasein, fraglos verbunden durch Jahrzehnte familiärer Gemeinsamkeit, aber genaugenommen jeder für sich allein. Besonderes, gar Dramatisches passiert nicht, wenn man davon absieht, daß der Vater seinem Tod entgegengeht; er stirbt langsam, mit all den Begleiterscheinungen greisenhaften Verfalls, und die fünf anderen Familienmitglieder müssen mit den daraus resultierenden Belastungen ihres Alltags zurechtkommen. Eine Dutzendszenerie also, die einen normalerweise nur dann interessiert, wenn man selbst darin agiert. Und doch nimmt die Geschichte den Leser gefangen, treibt ihn von Seite zu Seite weiter.

Offensichtlich hat Sabine Peters, 1961 geboren, eigene Erfahrungen verwertet. Wir erkennen sie wieder in Marie, der dritten Tochter, aus deren Perspektive vorrangig die Familienstory gesehen wird. Marie stammt, wie ihre Schöpferin, aus Rheinland-Pfalz, arbeitet als Buchautorin und Kritikerin und wohnt im ostfriesischen Rheiderland, alles nach dem Muster der Autorin Peters. Genau das verleiht der Geschichte, trotz der thematischen Alltäglichkeit, ihre Faszination. Wir finden eine Mischung von inniger Nähe zu den Personen, ihren Redegewohnheiten, ihrem Handeln einerseits und andererseits kritischer Ferne zu allem Geschehen. Das setzt uns in den Stand, den Figuren unentwegt ins Herz zu blicken und doch zu unaufgeregten Urteilen über sie zu kommen. Wir verstehen sie alle, müssen uns aber mit niemandem identifizieren - außer allenfalls mit uns selbst. Denn letzten Endes begegnen wir unentwegt auch eigenen Erfahrungen.

Der Vater im Buch, ständig "Doktor Phil" genannt, war promovierter Gymnasiallehrer, ein seiner Bildung wegen Eingebildeter, der für alles nur einen Maßstab gelten läßt: den eigenen. Die Mutter ist ein gutes Kerlchen, deren größte Lebensleistung darin bestand, es dem Ehemann und den Kindern immer einigermaßen recht gemacht zu haben. Die Töchter mühen sich, angesichts der Sterbelasten ihre Pflichten zu erfüllen; wobei die Frage offenbleibt, wie weit hier Liebe, wie weit nur anerzogener Anstand im Spiel ist. Wir kommen im Verlauf der Handlung ja nur Marie richtig nahe, und nur sie läßt ahnen, daß das Eltern-Kinder-Land nicht solch ein Märchenreich gewesen ist, wie der Vater meint und die Mutter hofft.

Freilich läßt Sabine Peters keinen Zweifel daran, daß die Vorgänge in Doktor Phils Familie nicht bemerkenswert anders waren oder sind als bei uns selbst oder sonstwelchen Leuten: geprägt von einander widersprechenden Charakteren, belastet von allerlei Egoismen und dennoch gesegnet von einer Portion Liebe. Menschen sind keine Engel, weder die ehrbaren Eltern noch die braven Kinder. Infolgedessen sind Gemeinschaften, die Menschen miteinander gründen, selten Paradiese. Immerhin aber kann man sie als Nest begreifen, als ein Stück - wenn auch unvollkommene - Heimat im fremden Universum, in das man ungefragt hineingeboren wird.

SABINE BRANDT

Sabine Peters: "Abschied". Erzählung. Wallstein Verlag, Göttingen 2003. 143 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Angelika Overath enthält sich in ihrer Rezension einer direkten Wertung dieser Erzählung von Sabine Peters. Dennoch scheint sie beeindruckt angesichts dieses autobiographisch getönten Textes, der von einem übermäßig starken und nun in Demenz verfallenden Vater, seiner Frau und dessen Töchtern erzählt. Die Tochter, die die Begebenheiten erzählt, wirke "unvoreingenommen, von ethnologischer Verlässlichkeit", ihre Erzählung "reportagenhaft", weshalb manches der Rezensentin auch "peinigend realistisch" erscheine, allerdings ohne dass auf eine versöhnende Geste am Ende der Erzählung verzichtet würde.

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