Produktdetails
- Verlag: Tropen Verlag
- ISBN-13: 9783932170423
- ISBN-10: 3932170423
- Artikelnr.: 09019123
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2001Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut
Holger von Krosigk und Helge Tscharn dokumentieren den "Kickflip Backside Nosebluntslide"
Sein Zuhause ist die Straße, seine Kleidung erzählt von der Allmacht der Schwerkraft. Sein ganzer Stolz ist ein schartiges, zerkratztes Stück Holz, das seinen täglichen Kampf bezeugt: Die Erde tretend, bewegt er sich fort, verschafft er sich einen Traum vom Schweben. Ihre Rache ist der Abrieb von Hosen und Nasen, das Zersplittern von Brettern und Knochen. Der Streetstyle-Skater steckt das weg, zu sehr liebt er das Geräusch seines Boards, wie es über den gewachsten Beton schleift.
Holger von Krosigk ist einer, der es wissen muß. In "Absolute Beginners" schreibt der Veteran: "Das Board ist die direkte Verbindung zwischen Stadt und Skater. Beim Skaten fühlt man sie: die Rillen zwischen den Platten im Boden, den rauhen Sandstein, der sich beim Grinden in die Achsen beißt." Doch es ist nicht nur die Straße, die des Skaters Sinne durchpulst. Ebenso intensiv erlebt er den eigenen Körper. Die Bilder beweisen es: Gut gebaute Jungs rollen dahin, höchste Anspannung im Blick und dabei so federnd und locker, daß sie selbst dem feinsten Hauch entgegenrudern können. Viel Konzentration und Präzision müssen zusammenkommen, damit man auch nur den Ollie lernt, jenen grundlegenden Trick des modernen Skatens.
Die Bilderfolgen können es nur andeuten: Das Fingerspitzengefühl des Zauberkünstlers muß der Skater im ganzen Körper haben, um aus voller Fahrt abzuheben, das Brett mit den Füßen in die Luft zu kicken, wohlbehalten zu landen und weiterzufahren. In fernen Zeiten war der Skater auf seine Hände angewiesen, um sein Brett mitzunehmen in die Lüfte. Die Erfindung des Ollie war dann der Urknall, der ein Universum von Tricks eröffnete, und ewiger Dank gebührt Alan Gelfand, der ihn erfand. Seine Tat führte den technischen Fortschritt seiner Bestimmung zu. Neue Rollen, Kugellager und Achsen hatten aus den tumben Holzbrettern der siebziger Jahre elegante Flitzer gemacht. Dann kam das Griptape, das die Fußhaftung erhöhte und mit dem neuen Kicktail die Manövrierfähigkeit des Brettes radikal verbesserte. Freihändig hob man nun ab und stieß vor ins Reich der Phantasie. Bald wirbelten die Bretter frei unter den schwebenden Füßen, um sie auf magische Weise wiederzufinden, neue Kulturbringer erdachten neue, atemberaubende Tricks und tun es bis heute. Erlaubt ist dabei, was gefällt, und niemanden gibt es wohl, der jeden Sprung auch nur gesehen hätte.
Schon sich die einzelnen Figuren auszumalen kann Lebenszeit verschlingen und Nervenkostüme zerknüllen. Man stelle sich vor: "Switch Heelflip Backside Tailslide Shove-it", "Kickflip Backside Nosebluntslide", "Fakie Kickflip to Fakie Manual 360 Flip off". Stiften diese Konstrukte Verwirrung, so hüpfen ein paar knackigere Termini direkt in die Magengrube: Der "Wallride" ist genau das, wonach er klingt. Und wie bewahren wir unsere Jugend vor dem "360 Kickflip roof-to-roof"? Die extremsten Herausforderungen des Skatens führen den Menschen an die Grenzen seiner Existenz und darüber hinaus in mythische Gefilde: An einige Tricks wagen selbst Profis sich nur, wenn sie sie "fühlen".
Den Erfolg aller Bemühungen dokumentiert der ausgewiesene Skaterfotograf Helge Tscharn. Seine Fotos lassen erahnen, warum die Jugendlichen sich abrackern am Asphalt. Es sind Bilder vom Fliegen, von Augenblicken, in denen das Unmögliche möglich ist und die Schwerkraft nur ein Spielzeug. Doch nicht nur im Abheben wird die Welt neu erlebt. Der betongegossene Alltag aus Einkaufszentren, Bürgersteigen und Blumenkübeln versinkt um den Skater herum, sein Brett transformiert das alles in Spots, Rails und Ledges. Das schönste Bild des Buches zeigt einen Streetstyler in Nürnberger Geisterbauten. Aufmerksam hüpft er eine Treppe herunter, mit den Armen balancierend, neben sich das original Parteitagsgeländer. Die Sonne bescheint ihn zu Recht.
KLAUS UNGERER
Holger von Krosigk, Helge Tscharn: "Absolute Beginners". Skateboard Streetstyle Book. Monster Verlag, Münster / Tropen Verlag, Köln 2000. 160 S., br., 24,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Holger von Krosigk und Helge Tscharn dokumentieren den "Kickflip Backside Nosebluntslide"
Sein Zuhause ist die Straße, seine Kleidung erzählt von der Allmacht der Schwerkraft. Sein ganzer Stolz ist ein schartiges, zerkratztes Stück Holz, das seinen täglichen Kampf bezeugt: Die Erde tretend, bewegt er sich fort, verschafft er sich einen Traum vom Schweben. Ihre Rache ist der Abrieb von Hosen und Nasen, das Zersplittern von Brettern und Knochen. Der Streetstyle-Skater steckt das weg, zu sehr liebt er das Geräusch seines Boards, wie es über den gewachsten Beton schleift.
Holger von Krosigk ist einer, der es wissen muß. In "Absolute Beginners" schreibt der Veteran: "Das Board ist die direkte Verbindung zwischen Stadt und Skater. Beim Skaten fühlt man sie: die Rillen zwischen den Platten im Boden, den rauhen Sandstein, der sich beim Grinden in die Achsen beißt." Doch es ist nicht nur die Straße, die des Skaters Sinne durchpulst. Ebenso intensiv erlebt er den eigenen Körper. Die Bilder beweisen es: Gut gebaute Jungs rollen dahin, höchste Anspannung im Blick und dabei so federnd und locker, daß sie selbst dem feinsten Hauch entgegenrudern können. Viel Konzentration und Präzision müssen zusammenkommen, damit man auch nur den Ollie lernt, jenen grundlegenden Trick des modernen Skatens.
Die Bilderfolgen können es nur andeuten: Das Fingerspitzengefühl des Zauberkünstlers muß der Skater im ganzen Körper haben, um aus voller Fahrt abzuheben, das Brett mit den Füßen in die Luft zu kicken, wohlbehalten zu landen und weiterzufahren. In fernen Zeiten war der Skater auf seine Hände angewiesen, um sein Brett mitzunehmen in die Lüfte. Die Erfindung des Ollie war dann der Urknall, der ein Universum von Tricks eröffnete, und ewiger Dank gebührt Alan Gelfand, der ihn erfand. Seine Tat führte den technischen Fortschritt seiner Bestimmung zu. Neue Rollen, Kugellager und Achsen hatten aus den tumben Holzbrettern der siebziger Jahre elegante Flitzer gemacht. Dann kam das Griptape, das die Fußhaftung erhöhte und mit dem neuen Kicktail die Manövrierfähigkeit des Brettes radikal verbesserte. Freihändig hob man nun ab und stieß vor ins Reich der Phantasie. Bald wirbelten die Bretter frei unter den schwebenden Füßen, um sie auf magische Weise wiederzufinden, neue Kulturbringer erdachten neue, atemberaubende Tricks und tun es bis heute. Erlaubt ist dabei, was gefällt, und niemanden gibt es wohl, der jeden Sprung auch nur gesehen hätte.
Schon sich die einzelnen Figuren auszumalen kann Lebenszeit verschlingen und Nervenkostüme zerknüllen. Man stelle sich vor: "Switch Heelflip Backside Tailslide Shove-it", "Kickflip Backside Nosebluntslide", "Fakie Kickflip to Fakie Manual 360 Flip off". Stiften diese Konstrukte Verwirrung, so hüpfen ein paar knackigere Termini direkt in die Magengrube: Der "Wallride" ist genau das, wonach er klingt. Und wie bewahren wir unsere Jugend vor dem "360 Kickflip roof-to-roof"? Die extremsten Herausforderungen des Skatens führen den Menschen an die Grenzen seiner Existenz und darüber hinaus in mythische Gefilde: An einige Tricks wagen selbst Profis sich nur, wenn sie sie "fühlen".
Den Erfolg aller Bemühungen dokumentiert der ausgewiesene Skaterfotograf Helge Tscharn. Seine Fotos lassen erahnen, warum die Jugendlichen sich abrackern am Asphalt. Es sind Bilder vom Fliegen, von Augenblicken, in denen das Unmögliche möglich ist und die Schwerkraft nur ein Spielzeug. Doch nicht nur im Abheben wird die Welt neu erlebt. Der betongegossene Alltag aus Einkaufszentren, Bürgersteigen und Blumenkübeln versinkt um den Skater herum, sein Brett transformiert das alles in Spots, Rails und Ledges. Das schönste Bild des Buches zeigt einen Streetstyler in Nürnberger Geisterbauten. Aufmerksam hüpft er eine Treppe herunter, mit den Armen balancierend, neben sich das original Parteitagsgeländer. Die Sonne bescheint ihn zu Recht.
KLAUS UNGERER
Holger von Krosigk, Helge Tscharn: "Absolute Beginners". Skateboard Streetstyle Book. Monster Verlag, Münster / Tropen Verlag, Köln 2000. 160 S., br., 24,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr angetan zeigt sich Klaus Ungerer von den glaubhaften Texten des Skateboard-"Veteranen" Holger von Krosigk. Nicht minder großartig seien die Fotografien von Helge Tscharn, dem er als "ausgewiesenen Skateboardfotografen" eine beträchtliche Portion `street credibility` zuspricht. Begeistert verfängt der Rezensent sich in Lobeshymnen über das ausgeprägte Körpergefühl der Skater, den Alltäglichkeiten des Skatens wie den Begleitgeräuschen und dem inneren Zustand, mit dem man sich an Tricks herantraut oder eben auch nicht. In der monumentalen Ehrfurcht, die Ungerer angesichts eines Ausdrucks wie "Switch Heelflip Backside Tailslide Nosebluntslide" an den Tag legt, drückt sich die Faszination eines Rezensenten aus, der sich selbst wahrscheinlich nicht als Skater bezeichnen würde, von diesem Buch aber sympathisch eingenommen zu schwärmen weiß.
© Perlentaucher Medien GmbH
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