Eine ungemein kluge und persönliche Reaktion auf Donald Trumps tägliche Skandale. Ein Diarium, das erschüttert und vielleicht sogar einige Mechanismen des europäischen Populismus erklären kann.Im November 2016, unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA, begann Robert Cohen mit dem Schreiben dieses Tagebuchs, nicht zuletzt, um unter dem täglichen Anprall verstörender Nachrichten, dem rasch einsetzenden Tsunami von Erlassen, Dekreten, Tweets, Erklärungen, Zurücknahmen und Gegenerklärungen aus dem Weißen Haus den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren.Cohens Konzept liegt eine doppelte Sicht auf die politischen und gesellschaftlichen Vorgänge zugrunde: Es vereint die Innensicht eines seit 35 Jahren in New York Lebenden mit der Außensicht eines Schweizers und Europäers, der der Verfasser geblieben ist.Im Tagebuch findet sich wieder, wie der Verfasser selbst, wie die Menschen um ihn herum, wie die US-Gesellschaft die politischen Verläufe Tag für Tag erleben.Oft geht es um spontane Reaktionen auf das Tagesgeschehen. Im Fokus der Notate stehen die Unverfrorenheit, mit der der amtierende Präsident Tag für Tag lügt und betrügt, auch wenn seine Clownerien nach wie vor eine Vielzahl der Amerikaner in Begeisterung versetzt.Dieses die ersten zwei Jahre der Amtszeit umfassende Tagebuch führt in verdichteter und literarischer Form, manchmal atemverschlagend in seiner Komik, vor Augen, dass dieser Präsident die gegenwärtige Entwicklung nicht ausgelöst hat, sondern die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte auf eine Figur wie ihn zugelaufen ist.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.07.2019Protokoll
des Niedergangs
Wenn von einem Tag auf den anderen das eigene politische Koordinatensystem implodiert, was macht man dann? Man fängt an zu schreiben, um den Dingen auf diese Weise wieder eine gewisse Ordnung zu verleihen, und am Ende steht dann oft ein Tagebuch. In diesem Falle stammt es von Robert Cohen, einem Schweizer Germanisten, der seit 1983 in New York lebt und die USA nach der Wahl Donald Trumps nicht mehr wiedererkannte. In seinem Tagebuch, das unmittelbar nach der Wahl beginnt, notiert er die Skandale und Ungeheuerlichkeiten, die das Weiße Haus unablässig produziert, protokolliert die eigene Verzweiflung, und sucht Rat bei den Autoren des postfaschistischen Kanons, bei Hannah Arendt, Noam Chomsky und immer wieder Bertolt Brecht. Es wird viel geseufzt und gehadert in diesem Buch, und schon das ist direkt eine Erleichterung: dass man es einmal nicht selbst machen muss. Vor dem geistesgeschichtlichen Horizont dieses Tagebuchs ist der Verfall des öffentlichen Lebens in den USA noch einmal bedrückender als ohnehin schon, aber das ist vermutlich der Preis der Erkenntnis: Man wird sich der Ausmaße bewusst.
FELIX STEPHAN
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
des Niedergangs
Wenn von einem Tag auf den anderen das eigene politische Koordinatensystem implodiert, was macht man dann? Man fängt an zu schreiben, um den Dingen auf diese Weise wieder eine gewisse Ordnung zu verleihen, und am Ende steht dann oft ein Tagebuch. In diesem Falle stammt es von Robert Cohen, einem Schweizer Germanisten, der seit 1983 in New York lebt und die USA nach der Wahl Donald Trumps nicht mehr wiedererkannte. In seinem Tagebuch, das unmittelbar nach der Wahl beginnt, notiert er die Skandale und Ungeheuerlichkeiten, die das Weiße Haus unablässig produziert, protokolliert die eigene Verzweiflung, und sucht Rat bei den Autoren des postfaschistischen Kanons, bei Hannah Arendt, Noam Chomsky und immer wieder Bertolt Brecht. Es wird viel geseufzt und gehadert in diesem Buch, und schon das ist direkt eine Erleichterung: dass man es einmal nicht selbst machen muss. Vor dem geistesgeschichtlichen Horizont dieses Tagebuchs ist der Verfall des öffentlichen Lebens in den USA noch einmal bedrückender als ohnehin schon, aber das ist vermutlich der Preis der Erkenntnis: Man wird sich der Ausmaße bewusst.
FELIX STEPHAN
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Eröffnet ganz andere Dimensionen, weil es (...) nicht nur um Trump und seine Kumpane kreist, sondern auch in die US-amerikanische Gesellschaft hinausblickt.« (Andreas Simmen, WOZ - Die Wochenzeitung, 14.03.2019) »Der Schweizer vermischt dabei auf sehr kluge, lesbare Art und Weise die Innensicht eines Wahl-New-Yorkers mit der Außensicht eines Schweizers und Europäers.« (Göttinger Tageblatt, 16.03.2019) »In dieser komprimierten (...) Form gesehen, ist das, was Trump und seine Unterstützer (...) in diesem kurzen Zeitraum schon zu verantworten haben, noch unglaublicher, noch reaktionärer« (Andreas Hartl, www.literatur-blog.at, 16.03.2019)