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Die Kunst-, Kultur- und Bildwissenschaften schreiben sich "Aby Warburg" auf ihre Banner. Ohne sich um akademische Disziplinengrenzen zu kümmern, prägte er Begriffe und Konzepte von hoher Aktualität und großer intellektueller Anregungskraft.
Trotz seines gegenwärtigen Kultstatus werden Warburgs Schriften allerdings kaum gelesen. Perdita Rösch zeichnet daher anhand von Werkanalysen ein Portrait dieses Ausnahmewissenschaftlers und eröffnet damit Zugänge zu seinem Denken.

Produktbeschreibung
Die Kunst-, Kultur- und Bildwissenschaften schreiben sich "Aby Warburg" auf ihre Banner. Ohne sich um akademische Disziplinengrenzen zu kümmern, prägte er Begriffe und Konzepte von hoher Aktualität und großer intellektueller Anregungskraft.

Trotz seines gegenwärtigen Kultstatus werden Warburgs Schriften allerdings kaum gelesen. Perdita Rösch zeichnet daher anhand von Werkanalysen ein Portrait dieses Ausnahmewissenschaftlers und eröffnet damit Zugänge zu seinem Denken.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.09.2010

Das Wort zum Bild
Die Schriften des einflussreichen Kunst- und Kulturhistorikers Aby Warburg gibt es jetzt neu ediert in einem Band
Auch wissenschaftliche Ergebnisse altern. Max Weber hat von einer Lebensdauer von bestenfalls „10, 20 oder 50 Jahren“ gesprochen. Und doch gibt es Texte, die länger in der Diskussion bleiben. Weniger wegen der Fakten als auf Grund ihrer methodischen Haltung und ihres wissenschaftlichen Anspruchs. Die Schriften des Hamburger Kunst- und Kulturhistorikers Aby Warburg (1866-1929) gehören wie diejenigen Walter Benjamins zu dieser Kategorie paradigmatischer, über den Tag hinaus wichtiger Werke. Sie überraschen bis heute durch die Vielfalt neu gewählter Gegenstände, neu gestellter Fragen und neu geschaffener Zugänge sowie einer eigenen, die Sachverhalte aufschließenden Sprache. Der Horizont ihrer Forschung liegt weit jenseits der traditionellen Grenzen der angestammten Disziplin, im Falle Warburgs jener der Kunst-, bei Benjamin jener der Literaturgeschichte. Als es Ende der sechziger Jahre galt, die beiden Fächer grundsätzlich neu zu orientieren, standen die Publikationen der beiden Außenseiter wie Leuchttürme auf dem Plan. Die folgenreiche kultur- und bildhistorische Wende geht wesentlich auf die Anregungen und Ideen zurück, welche dort niedergelegt sind.
Gemessen am internationalen Rang und Ruhm Warburgs – und nicht zuletzt im Vergleich mit Benjamin – ist die Basis der publizierten Schriften eher schmal. Zu Lebzeiten hat Warburg neben einigen Aufsätzen und Artikeln nur drei, dem Umfang nach eher kleine Bücher, und zwar seine Dissertation („Sandro Botticellis ,Geburt der Venus’ und ,Frühling’. Eine Untersuchung über die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance“, 1892/93), einen Band über die Florentiner Bildniskunst sowie eine Schrift über die Prodigien-Literatur der Lutherzeit („Heidnisch-antike Wahrsagung in Wort und Bild zu Luthers Zeiten“, 1919) veröffentlicht.
Geträumt aber hat er sein Leben lang von einem „großen Buch“ über die Renaissance. Es blieb bei dem Plan und damit bei der Hoffnung auf Realisierung. Manuskripte und Materialien allerdings lagen zuhauf bereit, „nur“ an der Zusammenfassung gebrach es. Ähnlich ging es Warburg wieder Ende der zwanziger Jahre, als er glaubte, sein Hauptwerk, den Bilderatlas „Mnemosyne“ als eine Synthese seiner Forschungen zum Nachleben der Antike in der Renaissance abschließen zu können. Aber auch dieses Projekt ist nur als Fragment erhalten, weil der Tod dem Autor am 26. Oktober 1929 einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Was zurückblieb, ist ein immens umfangreicher und außergewöhnlich vollständiger Nachlass, der heute im Warburg Institute in London verwahrt wird.
Nach Warburgs Ableben veröffentlichten seine Mitarbeiter Gertrud Bing und Fritz Saxl in Windeseile ein stattliches Buch. Innerhalb von knapp drei Jahren brachten sie 1932 in einer vorbildlichen Edition die „Gesammelten Schriften“ heraus. Die beiden Bände vereinigten mit wenigen Ausnahmen sämtliche zu Lebzeiten veröffentlichten Arbeiten. Damit war der Grundstein für zahlreiche Folgebände gelegt, die der Publikation des Nachlasses gewidmet sein sollten. Die erzwungene Emigration der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg hat jedoch auch diesen Plan zunichtegemacht. Wieder aufgegriffen wurde die Idee, den Nachlass zu publizieren, praktisch erst in den neunziger Jahren. Im Akademie-Verlag sind die ersten Bände einer an dem ursprünglichen Konzept orientierten Studienausgabe erschienen, darunter neben einem Reprint der Edition von 1932 das Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg und der Bilderatlas; demnächst folgt der Band mit den von Warburg konzipierten Ausstellungen. Neben einer Anthologie ausgewählter Schriften und Würdigungen sowie der Ausgabe des unter dem Kurztitel „Schlangenritual“ geradezu ubiquitär gewordenen Reiseberichts, der Warburgs Besuch der Hopi-Indianer in Arizona und New Mexico dokumentiert, hat es in Deutschland nur wenige andere, an eine größere Öffentlichkeit adressierte Veröffentlichungen von Nachlassmaterialien gegeben. Einige kommentierte Briefkonvolute sowie ein Bildband zur Amerikareise bilden die Ausnahme.
Dieser Umstand mag verwundern. Er resultiert nicht zuletzt aus der besonderen Schwierigkeit, die Nachlass den Editoren stellt. Paradox genug, ist in mancher Hinsicht die – im Übrigen einzigartige – Fülle des Materials ein Problem. Warburgs rastloses Umschreiben seiner Manuskripte und der fragmentarische Zustand vieler Texte stellen eine große Herausforderung dar. Ein philologisch erprobtes Schema F gibt es in diesem Fall nicht. Das Warburg Institute als Sachwalter des Nachlasses hat in den vergangenen Jahren viel Arbeit darauf verwandt, das Archiv systematisch neu zu sichten. So wurden inzwischen rund 30 000 Briefe in Regestenform erfasst und online gestellt.
Als eine Frucht der Bemühungen um den Nachlass lässt sich auch die jüngst im Suhrkamp Verlag vorgelegte, von Martin Treml, Sigrid Weigel und Perdita Ladwig betreute Ausgabe der Warburg-Schriften erachten. Unter dem schlichten Titel „Werke in einem Band“ präsentiert das Buch eine Auswahl klassischer Texte neben unveröffentlichten Schriften, darunter einen Vortrag über die Kunst der Florentiner Renaissance, zwei 1897 in Hamburg und Berlin gehaltene Vorträge über Warburgs Reise zu den Pueblo-Indianern sowie einen Zeitungsartikel über den Philosophen Ernst Cassirer, der bis dato nur in Auszügen nachgedruckt war. Aufgenommen wurden darüber hinaus auch Texte aus dem Nachlass, die zunächst in Übersetzungen herausgekommen sind und jetzt in der Originalsprache erstmals veröffentlicht werden.
Insgesamt sind hier auf rund 900 Seiten 25 Texte, gegliedert in sieben Kapitel, kompiliert. Ein Drittel der Beiträge ist bislang un- oder kaum bekannt. Aber auch die anderen Schriften, darunter die Dissertation, der berühmte Schifanoja-Vortrag, die umfangreiche Lutherstudie, die Abhandlung über das Sassetti-Testament sowie Materialien zum Mnemosyne-Atlas, sind, wie es bereits das Titelblatt annonciert, „auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare herausgegeben und kommentiert“ worden. Damit ist die Ausgangsidee, eine Art Lesebuch für Studierende zusammenzustellen, in eine Ausgabe mit editionskritischem Anspruch verwandelt worden, ohne dass die beiden Zielgruppen – die „Warburg-Einsteiger“ auf der einen und die „Warburg-Forscher“ auf der anderen Seite – aus dem Blick geraten wären. In mancher Hinsicht werden die Texte durch die diversen Kommentar- und Anmerkungsebenen recht stark in die Zange genommen. Ob das den Zugang eines Debütanten erleichtert, steht dahin. Hilfreich sind die ausführlichen Einführungen zu den sieben Kapiteln allemal, selbstverständlich auch die Übersetzungen der zahlreichen fremdsprachlichen Zitate ebenso wie die Wort- und Sacherläuterungen oder das Register der Eigennamen. Nur ein Sachindex fehlt.
Auch der Forschung wird der Band mit seinen aus den Manuskripten und Handexemplaren erhobenen Annotationen und Ergänzungen willkommen sein. Das Fortlassen des umfang- und inhaltsreichen Apparates, den Bing und Saxl ihrer Ausgabe beigesteuert haben und der nicht nur Zusätze der Herausgeber, sondern auch spätere Ergänzungen Warburgs enthält, irritiert jedoch. In der Einleitung heißt es lapidar, dass auf eine Diskussion der Forschung selbst bewusst verzichtet werde, weil „in einer Edition der Texte diese selbst sprechen sollen“. Heißt das aber auch, dass man zum Beispiel die Annotationen von 1932 als Ballast abwerfen kann? Um nur ein Beispiel dafür zu geben, was da ausgeklammert wird: Unter den Zusätzen zum Luther-Aufsatz findet sich unter anderem der Hinweis auf den berühmten Holbein-Holzschnitt, der Luther als Hercules Germanicus zeigt. Diese Notiz wie auch die in der alten Ausgabe im Anhang beigegebene Illustration sind entfallen, und damit eine zentrale Position in der Diskussion um die sogenannten „Kampfbilder“ des Reformators. In einer Leseausgabe mag das angehen, in einer wissenschaftlichen Ausgabe allerdings nur schwer. Insofern ist die Fokussierung auf zwei Leserschaften auch eine Crux.
So wird man insbesondere fragen müssen, wie sinnvoll es ist, den drei dokumentierten Vorträgen zum Komplex des Schlangenrituals nicht eine einzige Abbildung beizugeben. In jedem Fall handelt es sich um lichtbildgestützte Vorträge. Nicht zufällig lautet einer der Titel explizit „Bilder aus dem Gebiet der Pueblo-Indianer“, aber auch die beiden anderen Vorträge bestehen in allererster Linie aus Kommentaren zu einer Vielzahl von Bildern, die Warburg als „illustriertes Tagebuch“ seinem Publikum vor Augen gestellt und erläutert hat. Die Bilder wie die zugehörigen Dialisten sind ja nicht verloren, sondern vorhanden, aber wiederum in Hülle und Fülle, sodass es einiger Anstrengung bedarf, sie zuzuordnen. Ganz ohne Bilder jedenfalls geht es nicht, zumal es vielfach Warburgs eigene fotografische Aufnahmen sind, die zur Diskussion standen.
Ein anderes Problem, die Abbildungen betreffend, stellt der Export der Illustrationen aus dem jeweiligen Text in einen eigenen Bildteil dar. Die Separierung ist zum einen nicht eben leserfreundlich, aber darüber hinaus werden die Bilder vor allem ihres zentralen epistemischen Status beraubt, wenn sie gerade dort fehlen, wo sie vom Autor herangezogen und kommentiert werden. Dass die Reproduktionen gelegentlich nur noch Briefmarkengröße erreichen, erinnert daran, dass die Ausgabe der Schriften von 1932 kaum zufällig im Quartformat angelegt war. Es räumt den Bildern mit dem großzügigen Platz, der ihnen an Ort und Stelle geboten wird, zum Teil sogar in Form von Falttafeln, das natürliche Recht ein, en détail betrachtet zu werden.
„Das Wort zum Bild“ lautet die kardinale Devise des Projektes, das Warburg als Kunst- und Bildhistoriker über seine Schriften und sein Forschungsinstitut in Gang gesetzt hat. Und gerade die neu aufgefundenen oder zusammengestellten Bilder sind häufig Warburgs Argumente und Beiträge zur Debatte. Letztlich wird hier der Verlag die engen Grenzen gesetzt haben. Man hat es mit einer, um eine bevorzugte Vokabel des Bandes aufzugreifen, „Hybrid“-Ausgabe zu tun, deren Qualität sich im Gebrauch erweisen wird. Sie unterstreicht in jedem Fall Warburgs Geltung als eines Gelehrten, der allen Schulstaub hinter sich gelassen hat und aktuell geblieben ist. Die Gegenstände der Kultur und Geschichte und die unerledigt drängenden Fragen, lassen sich, so zeigt Warburgs Wissenschaftsverständnis, nicht fachlich disziplinieren. Sie wollen im Zusammenhang ihrer Entstehung und im Kontext ihres sozialen und politischen Umfeldes betrachtet und in ihrem historischen Anspruch, unabhängig von ihrem Rang, ernst genommen werden. Für Warburg sind es die Werke der Kunst, aber zugleich auch die Alltagsbilder, die im Zentrum seiner Untersuchungen stehen. Seine Überlegungen kreisen um den Stellenwert des Bildes in einem Zivilisationsprozess, in welchem der Mensch darum ringt, mittels Verbalisierung und Visualisierung die anhaltende Spannung zwischen Magie und Logos auszuloten. So stehen einander beispielsweise das Festwesen der italienischen Renaissance auf der einen und die Tänze der Pueblo-Indianer nicht krass unvermittelt, sondern durchaus verwandt gegenüber, indem es hier wie dort darum geht, die Welt mittels Symbolen auf einen „anschaulichen“ Begriff zu bringen, um jene Distanz zu gewährleisten, die von Angst und von Dummheit befreit.
Perdita Rösch hat soeben ein kleines Handbuch vorgelegt, das sowohl die Biographie als auch das Werk des Kunsthistorikers Warburg in einem klugen und gut zu lesenden Überblick nebst einem kundig gegliederten Anhang präsentiert. Wer sich gelegentlich im Dickicht des einen Bandes verlieren sollte, kann hier leicht Orientierung finden. Selbst der Suhrkamp-Band ist dort bereits in die kommentierte Bibliographie aufgenommen. Und hier findet sich auch ein Motto Warburgs prominent zitiert wieder, das vielleicht als allgemeine Empfehlung dienen kann: „Wenn mehr Bücher gelesen würden, so würden weniger geschrieben werden.“ MICHAEL DIERS
ABY WARBURG: Werke in einem Band. Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare herausgegeben und kommentiert von Martin Treml, Sigrid Weigel und Perdita Ladwig, Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 913 Seiten, 68 Euro.
PERDITA RÖSCH: Aby Warburg. Fink/UTB, Paderborn 2010. 158 Seiten, 14,90 Euro.
Nach Schema F geht es nicht. Der
Nachlass ist eine besondere
Herausforderung für Editoren.
Wir müssen die Welt auf einen
anschaulichen Begriff bringen,
um Distanz zu gewinnen.
„Hamburger im Herzen, Jude von Geburt, im Geiste Florentiner“: Aby Warburg (1866-1929), fotografiert um 1900. Foto: oh
Bildgeschichte als Bilderkampf: In den Zusätzen von 1932 zu seinem Luther-Aufsatz von 1920 verwies der Kunsthistoriker Aby Warburg auf den Holzschnitt von Hans Holbein dem Jüngeren, der Martin Luther als „Hercules Germanicus“ darstellt – im Kampf gegen die siebenköpfige Hydra des katholischen Klerus, der sich gegen Luthers Reformation stellt. Der kolorierte Stich entstand um 1519 in Basel, das hier abgebildete Exemplar wird in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt. Das Bild entnehmen wir dem Ausstellungskatalog „Hans Holbein der Jüngere. Die Jahre in Basel 1515-1532“ (2006).
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Aus: ekz-Informationsdienst, Irene Ittekkot, IN 2010/32
Wissenschaftliche Werkbiografie des Kunsthistorikers und Kulturwissenschaftlers Aby Warburg. Nach einem einführenden biografischen Abriss legt die Autorin (Kunsthistorikerin an der Uni Konstanz) den Schwerpunkt der Darstellung auf Warburgs Schriften, die sie einzeln analysiert. Deutlich wird Warburgs vielschichtige, nicht auf einen Interessenschwerpunkt beschränkte Arbeitsweise, sein Grenzgängertum zwischen den Wissenschaften, das als Vorbild und Anstoß für heutiges interdisziplinäres Forschen gedeutet werden kann. Bei den stringenten Werkanalysen stehen gezielte Lektürehinweise, überhaupt ist das schmale, durch sein kleines Druckbild trotzdem sehr inhaltsreiche Buch mit hilfreichen Handreichungen im Anhang versehen, wie einer ausführlichen Zeittafel, Glossar wichtiger Begriffe und Personen, kommentierter Auswahlbiografie und mehreren Registern. [...] als Grundlage ernsthafter Beschäftigung mit Warburgs Werk bestens geeignet.