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Bartholomäus Grill, seit vielen Jahren Afrika-Korrespondent der "Zeit", zeigt die tiefgreifenden Folgen des Sklavenhandels und der Kolonialherrschaft, widerlegt aber zugleich die postkolonialen Verschwörungstheorien, die alle Schuld an der Misere bei der Ersten Welt suchen. Die Hauptverantwortung liege bei den Afrikanern selbst, bei despotischen Präsidenten und plündernden Eliten. Die Modernisierung Afrikas, so Grills provozierende Kernthese, musste scheitern, weil die Afrikaner sich ihr verweigert haben. Das alte Afrika ist gestorben, das neue noch nicht geboren. Grill beschreibt einen…mehr

Produktbeschreibung
Bartholomäus Grill, seit vielen Jahren Afrika-Korrespondent der "Zeit", zeigt die tiefgreifenden Folgen des Sklavenhandels und der Kolonialherrschaft, widerlegt aber zugleich die postkolonialen Verschwörungstheorien, die alle Schuld an der Misere bei der Ersten Welt suchen. Die Hauptverantwortung liege bei den Afrikanern selbst, bei despotischen Präsidenten und plündernden Eliten. Die Modernisierung Afrikas, so Grills provozierende Kernthese, musste scheitern, weil die Afrikaner sich ihr verweigert haben.
Das alte Afrika ist gestorben, das neue noch nicht geboren. Grill beschreibt einen zwischen Tradition und Moderne zerrissenen Kontinent. Die Welt im Süden der Sahara befindet sich in einem Umbruch wie Europa während des Dreißigjährigen Krieges. Staaten zerfallen, Bürgerkriege flammen immer wieder auf, Millionen von Menschen irren heimatlos umher. Aids rafft ganze Völkerschaften hin. Es könnte Jahrzehnte dauern, ehe sich zwischen Khartum und Kapstadt eine stabile Ordnung herausbildet.
Afrika ist eine Welt der Widersprüche, geprägt durch die reiche Vorstellungswelt seiner Menschen, ihre sozialen Regeln und Rituale, ihre Träume und Tabus, ihre Machtstrukturen und Glaubenssysteme. Diese Welt erscheint oft roh und gewalttätig, dann wieder zeitlos heiter und gelassen. Bartholomäus Grill hat sie uns erschlossen.

Autorenporträt
Bartholomäus Grill, 1954 in Oberaudorf am Inn geboren, studierte Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte. Er war politischer Redakteur der "Zeit", ehe er vor zehn Jahren als deren Korrespondent nach Afrika entsandt wurde. Der Autor lebt heute in Kapstadt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2004

Ode an einen Kontinent
Afrika – keine Hoffnung, aber viel Potenzial
BARTHOLOMÄUS GRILL: Ach, Afrika – Berichte aus dem Inneren eines Kontinents. Siedler Verlag, Berlin 2003. 384 Seiten, 24 Euro.
Es ist ein Traum: Dieser Luxus, diese Zeit – monatelang als Journalist durch Afrika, durch Regenwälder, Savannen, Halbwüsten, Nationalparks, durch Megastädte wie Lagos oder Kinshasa ziehen, unterwegs auf dem Kongo-Fluss oder hinein in windzerzauste Nester am Rande der Sahelzone. Und immer, wenn ein Ort besonders spannend ist, verweilt man. Kein Telefon nervt, kein Computer beschwert die Ausrüstung, kein Text muss noch vor Einbruch der Dunkelheit geschrieben werden. Wer kann sich solche tiefen Einblicke schon leisten?
Bartholomäus Grill ist seit mehr als zehn Jahren Afrika-Korrespondent der Wochenzeitung Die Zeit, und er hat sich währenddessen immer wieder lange Ausflüge durch Afrika gegönnt. Sieben Monate lang war er zum Beispiel für das Magazin Geo unterwegs – und da er natürlich auch ungezählte andere Reisen gemacht hat, kann er heute auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen, der seinesgleichen sucht. Wer sonst könnte eine persönliche Afrika-Bilanz vorlegen, die fast 400 Seiten dick und durchwegs fesselnd ist und die dem Leser am Ende das Gefühl gibt, tiefer als je zuvor in den Kontinent eingedrungen zu sein?
Grills „Ach Afrika” ist sicherlich das fairste und gescheiteste Buch, das in den vergangenen Jahren von einem deutschen Autor über den Kontinent vorgelegt wurde. Natürlich zeichnet Grill kein positives Afrikabild, das legt schon der Titel nahe, aber wie sollte er auch? Auf keinem Kontinent werden so viele Kriege ausgetragen, auf keinem Kontinent zerfallen so viele Staaten, kein Kontinent steht heute wirtschaftlich schlechter da, kein Kontinent leidet nur annähernd so verheerend an der Plage Aids, kein Kontinent wird von seinen Regierungen so rücksichtslos ausgeraubt.
Grill weiß, dass an diesen Katastrophen ganz überwiegend die afrikanischen Eliten und plündernden Despoten schuld sind. „Afrika ist ein Kontinent”, schreibt Grill, „der nicht zur Ruhe kommt und zugleich in ewiger Starre gefangen scheint, der sich irgendwo auf dem Weg zwischen Tradition und Moderne befindet und am Rande dieses Weges verwirrte Menschen zurücklässt.”
Von dieser Verwirrung nimmt er sich selbst nicht aus. „Andauernd sind wir diesem Pendelschlag der Empfindungen ausgesetzt. Abscheulich und traumschön. Gewalttätig und friedfertig. Bösartig und gutmütig. Lebensprall und selbstzerstörerisch. Geheimnisvoll und banal. Offenherzig und heimtückisch. Man wird einwenden, dass uns derartige Gegensätze auf jedem Kontinent begegnen. Aber auf keinem sind sie so scharf ausgeprägt wie in Afrika.”
Der Autor stellt fest, sein Buch sei lediglich die Bilanz seiner bisherigen Arbeit, voll mit riesigen weißen Flecken, einem großen, sehr unvollständigen Mosaik gleichend, zu dem er nur ein paar Steinchen beitragen könne – um danach opulent die Menschen, den Alltag, die Geschichte, den Glauben, die Traditionen, die Politik, den Irrsinn und die Widersprüche auf diesem Kontinent zu beschreiben. Er erzählt ergreifend vom Erfolg Südafrikas nach dem Ende der Apartheid, dem Völkermord in Ruanda, der Aids-Katastrophe.
Despoten unter sich
Da ist es dann schon fast unterhaltsam, wenn er sich über afrikanische Despoten hermacht und ihren Machtwahn, ihre Raffgier bis ins kleinste Detail beschreibt. Aber natürlich amüsiert sich der Reporter auch über die Wahrnehmung Afrikas, über Klischees und Vorurteile, die unauslöschlich in den Köpfen stecken. Grill weist eine Forderung zurück, die gerne von Ethnologen oder Politologen vorgetragen wird: Ein Korrespondent müsse seine eurozentristische Sicht ablegen und aus der afrikanischen Perspektive schreiben und fragt sich vermutlich, ob man seine Herkunft, seine Sozialisation, sein Denken wie eine abgetragene Hose wechseln könne.
So gelungen dieses Buch ist – nahezu sicher erscheint auch, dass es wohl kein Bestseller werden kann. Grills Berichte aus dem Inneren eines Kontinents sind vermutlich viel zu gründlich recherchiert, zu detailreich und auch zu ehrlich, um ein Massenpublikum zu erreichen. Welcher Autor geht zum Beispiel mit seinen eigenen Fehlern so offen um? Über seinen ersten Beitrag zum Völkermord in Ruanda, in dem er die Tragödie als uralten Stammeskonflikt interpretiert hat, schreibt Grill: „Wenn ich den Text heute lese, schäme ich mich dafür. Er enthält die unverzeihlichsten Irrtümer, die mir in meiner Zeit als Korrespondent in Afrika unterliefen.” Das ist, in Anbetracht dieses wichtigen Buches, fast schon zu viel an Selbstkasteiung.
MICHAEL BITALA
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2003

Großes Trommeln

SÜDLICH DER SAHARA. Bartholomäus Grill, seit über zehn Jahren Korrespondent einer Hamburger Wochenzeitung in Südafrika, ist eine informative und fesselnd geschriebene, zuweilen allerdings recht pointillistische Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart der Gesellschaften südlich der Sahara gelungen. Seine Kernthese lautet, daß die Folgen von Sklavenhandel und Kolonialismus zwar bis heute in Afrika spürbar sind, aber nicht allein für die katastrophale Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts verantwortlich gemacht werden können. Vor allem despotische Präsidenten und raffgierige Eliten tragen Grill zufolge die Schuld für die heutige Misere. Und schließlich hätten sich die Afrikaner selbst der Modernisierung verweigert. Hängt die Krise Afrikas also letztlich damit zusammen, daß die Afrikaner einfach "anders" sind, nicht so recht integrierbar in den Rest der Welt? So weit würde der Autor wahrscheinlich nicht gehen. Aber wie so viele Interpreten des Kontinents flüchtet sich auch Grill angesichts der Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen Konflikte und der Schwierigkeiten, Lösungswege aufzuzeigen, gelegentlich in Alteritätskonstruktionen. Zudem bemüht er wiederholt das alte Bild, demgemäß Afrika zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissen sei. Dabei übersieht er, daß Traditionen oft recht rezente Ausgeburten der Auseinandersetzung mit ebenjener Moderne sind, der sie häufig entgegengestellt werden. Dem Autor gelingen immer wieder faszinierende Einblicke in die Ambivalenzen der afrikanischen Gegenwart. Dies gilt in besonderem Maße für das Kapitel über Südafrika. Trotz seiner kritischen Sicht auf den Zustand des Landes betont Grill, diese zerrissene Nation habe ein Reformwerk geschaffen, von dem nicht nur Afrika eine Menge lernen könne. Hart geht er mit seiner eigenen Berufsgruppe, den Journalisten, und der Berichterstattung über Afrika ins Gericht. Ganz gefeit ist jedoch auch er nicht vor Klischees und Essentialisierungen. In seinen Schilderungen erwähnt er etwa ständig Trommeln, die im Hintergrund dröhnen. Er neigt zu plakativen Einschätzungen, wenn er zum Beispiel die "traditionelle Autoritätshörigkeit" vieler Hutu erwähnt. Doch hat der Autor wiederum die Größe, eigene journalistische Fehlleistungen einzugestehen. Über seinen ersten Artikel zum Genozid in Ruanda schreibt er: "Wenn ich den Text heute lese, schäme ich mich dafür. Er enthält die unverzeihlichsten Irrtümer, die mir in meiner Zeit als Korrespondent in Afrika unterliefen." Denn er habe die Tragödie durch das zählebige Deutungsmuster vom uralten Stammeskonflikt wahrgenommen. (Bartholomäus Grill: Ach, Afrika. Berichte aus dem Inneren eines Kontinents. Siedler Verlag, Berlin 2003. 384 Seiten, 24,- [Euro].)

ANDREAS ECKERT

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Informativ, fesselnd geschrieben, "zuweilen allerdings recht pointillistisch" findet Rezensent Andreas Eckert diese Auseinandersetzung mit der "Geschichte und Gegenwart der Gesellschaften südlich der Sahara". Als Kernthese des Buches beschreibt Eckert, dass die Folgen von Sklavenhandel und Kolonialismus zwar bis heute spürbar seien, aber für die katastrophale Situation nicht allein verantwortlich gemacht werden könnten. Auch raffgierige Despoten und die generelle Modernisierungsverweigerung trügen Mitschuld am Elend des Kontinents. Trotz teilweise faszinierender Einblicke vermisst der Rezensent jedoch wirklich neue Gedanken im Buch des Zeit-Korrespondenten Bartholomäus Grill. Hart gehe er mit seiner Berufsgruppe, den Journalisten und ihrer Afrika-Berichterstattung ins Gericht. Doch auch er sei nicht gefeit gegen Klischees und Generalisierungen, findet Eckert. Allerdings habe Grill die Größe vergangene Irrtümer schonungslos einzugestehen.

© Perlentaucher Medien GmbH"
»Der langjährige Afrika-Korrespondent Bartholomäus Grill hat mit >Ach, Afrika< ein Buch vorgelegt, das einen tiefen, einen anderen Blick auf diesen Kontinent erlaubt. Ein farbenfrohes, sattes Buch. [...] Es maßt sich keine abschließende Meinung über den Kontinent an. Wie auch? Aber es ist ein gescheites Buch, das hilft, Afrika ein bisschen besser zu verstehen.«