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Nach seinem fulminanten Debüt spitzt Steven Uhly mit seinem neuen Roman die Kunst des Erzählens, des Verwirrspiels und der Frage nach Identität weiter zu: Adams Fuge liefert der aktuellen Diskussion um Integration, Migration und Bildung von Identitätsmustern einen literarischen Spiegel, der die landläufigen Argumentationen hellsichtig beleuchtet.Steven Uhlys neuer Held wird als Kind von seinem türkischen Vater aus dem Umfeld der deutschen Mutter in einen Vorort von Ankara entführt. Jahre später tötet er bei einem militärischen Konflikt mit kurdischen Aufständischen einen Menschen. Kurze Zeit…mehr

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Produktbeschreibung
Nach seinem fulminanten Debüt spitzt Steven Uhly mit seinem neuen Roman die Kunst des Erzählens, des Verwirrspiels und der Frage nach Identität weiter zu: Adams Fuge liefert der aktuellen Diskussion um Integration, Migration und Bildung von Identitätsmustern einen literarischen Spiegel, der die landläufigen Argumentationen hellsichtig beleuchtet.Steven Uhlys neuer Held wird als Kind von seinem türkischen Vater aus dem Umfeld der deutschen Mutter in einen Vorort von Ankara entführt. Jahre später tötet er bei einem militärischen Konflikt mit kurdischen Aufständischen einen Menschen. Kurze Zeit darauf sendet ihn das Verteidigungsministerium der Türkei nach Deutschland. Er wird Agent wider Willen und muss über Umwege feststellen, dass er als Spielball internationaler Interessen eingesetzt wurde. Seine Mission gerät zu einer fugenartig komponierten Abfolge von Scuh- und schliesslich Fluchtbewegungen quer durch das heutige Deutschland, quer durch die Vorstellungsbilder über Türken oderDeutschtürken oder Deutsche, je nach Kontext und Perspektiven. Mit seinem ironisch komponierten Spiel der Identitäten zieht Steven Uhly den Leser in den Bann eines Erzählers, dessen tragikomische Schicksalsanwendungen Adams Fuge zu einem Bildungsroman werden lassen, der die grossen Themen von Identität und Integration, Schuld, Urteil und Vorurteil neu verhandelt.
Autorenporträt
Steven Uhly, geboren 1964 in Köln, ist deutsch-bengalischer Abstammung, dabei teilverwurzelt in der spanischen Kultur. Er studierte Literatur, leitete ein Institut in Brasilien, übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Spanischen, Portugiesischen und Englischen. Mit seiner Familie lebt er in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2011

Der rechtsdrehende V-Mann

In seinem Roman "Adams Fuge" erzählt Steven Uhly in grotesker und tragikomischer Manier vom Sich-selbst-Verlieren beim Töten. Sein Buch ist gruseliges Spiel mit den Grenzen zwischen Computerspiel und Realität.

Wer braucht schon einen Trashroman mit Migrationshintergrund? Deutschland braucht das. Schon weil sich das Land bis auf die Knochen blamiert hat beim Übersehen einer Szene, die vor aller Augen herummarschiert und ihre Dummheit mit Gewalt und die Gewalt wieder mit Dummheit tarnt. Steven Uhlys rasanter - vielleicht etwas zu rasanter - Roman "Adams Fuge" zelebriert mit viel Lakonik und schwarzem Humor das Eintauchen in eine ideologisch vernagelte Welt, zu der ein permanenter Freund-Feind-Umschlag ebenso gehört wie das beiläufige, für notwendig gehaltene Töten. Diese Welt ist als grelle Karikatur gezeichnet, bildet aber den Aberwitz nationalistischer Argumentationen in postnationaler Zeit trefflich ab.

Adem Öztürk, Hauptfigur und eigenartiger Pikaro, ist schon zu Beginn eine gespaltene Persönlichkeit: halb deutsch, halb türkisch, mit einer Familie auf jeder der beiden Seiten. Bald zersplittert er weiter in verfeindete Identitäten, die allerdings im Jenseits gut miteinander auskommen. Adem, der sich nach unglücklicher Kindheit in die türkische Armee gerettet hat, wird zum Held wider Willen, als er zufällig im Wagen eines PKK-Kämpfers einschläft und diesen danach aus Reflex erschießt. Der PKK-Kämpfer war nun aber ein Doppelagent, weshalb bald auch die Nato hinter Adem her sein soll. Doch auch die türkischen Offiziellen, die Adem unter neuem Namen, Adam Imp, auf geheime Mission nach Deutschland schicken, spielen ein doppeltes, nein, drei- und vierfaches Spiel, wollen Adem jedenfalls bald loswerden, doch daraus wird nichts.

In Deutschland kursiert derweil ein rechtsradikales, teuflisches Computerspiel, in dem es darum geht, alle Deutschtürken - ein passabler Juden-Ersatz - auszurotten: "Das Spiel erstellt automatisch jeden Monat eine neue Domain, kopiert sich hinüber und löscht die alte. Genial, oder? Ein ganzes Spiel als Virus!" Adem hat den Auftrag, den Programmierer, einen als Hippie getarnten Rechtsradikalen, unschädlich zu machen. Dieser erweist sich - und nun wird es gruselig - als V-Mann, ja als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, der aber zu den Neonazis übergelaufen ist, "weil sie mich lieben. Nur deshalb": "Der Hass gegen Juden und Türken und Schwule und alle anderen, das war einfach der Preis, den wir zahlten, um uns zu lieben." Es hat sich jedenfalls ausgeliebt, Adem quetscht dem Neonazi erst die Hoden und schießt dann ein Loch in seinen Kopf.

Das Computerspiel hat aber doch eher mit Industriespionage zu tun, weshalb neue Akteure auf den Plan treten, der Mossad, die Amerikaner. Adem muss weiter morden, oft Personen, die ihm sympathisch sind. Da schießt auch noch der Eros quer. Über einen der sterbenden Verfolger fällt Adem her, weshalb die Polizei bald einen irren Sex-Täter sucht. Aber auch die Schizophrenie des Helden schreitet voran, denn die Toten besuchen ihn nicht nur, sondern verschmelzen mit ihm. Bald weiß Adem nicht mehr, wer er ist, und dem Leser geht es nicht anders. Erschwerend kommt hinzu, dass der Protagonist zwischenzeitlich erschossen worden zu sein scheint, denn Adem läuft mit einem Einschussloch im Kopf herum, das aber vielleicht auch nur eine Verletzung oder Metapher ist. Auch zwischen Computerspiel und Realität sowie zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen die Grenzen: Die Wahrheit liegt im Spiel. Alles läuft auf eine fulminante Schlussszene voller rettender Missverständnisse zu: Millowitsch-Theater auf Geheimdienstbühne.

Der schnelle, amüsante, hinterrücks intelligente Roman, der sich wie Uhlys Debüt, "Mein Leben in Aspik", als barock überladen und am Spiel mit den Fiktionsebenen interessiert erweist, ist leider sehr anspruchslos erzählt. Er konzentriert sich in erster Linie auf die Verwicklungen des Plots, eine burleske Verwechslungskomödie mit Knalleffekt. Seinen Witz bezieht das Buch daraus, dass sämtliche Klischees und bösen Vorurteile zutreffen, aber bei aller Schrecklichkeit salopp referiert werden. Nur ein Beispiel: Der türkische Vater hat die deutsche Mutter so heftig verprügelt, dass diese sich von ihm trennte und einen deutschen Mann heiratete, der sie seither ebenfalls verprügelt, aber verständnisvoller. Der Vater, aus Liebeskummer zum Imam gewandelt, verprügelte fortan die Tochter.

Natürlich kann man das Buch integrationsdebattengeschädigt als Allegorie auf die inneren Identitätskämpfe der modernen Weltenwanderer lesen, muss dies aber keineswegs, denn dazu ist es einerseits zu ulkversessen, fast eine Klamotte, andererseits zu pathologisch in seiner "Todesfugen"-Dimension. Uhlys Roman zeigt in den besten Passagen, was das Töten mit einem Menschen machen kann, in den schwächeren wirkt er wie das Drehbuch zu einer flapsigen Kinokomödie. Dieses eine Verdienst aber hat das Buch allemal: Es geht ganz selbstverständlich davon aus, dass Nationalideologien etwas sind, über das man herzlich lachen darf, ohne dass damit die in deren Namen begangenen Verbrechen verharmlost würden. Beinahe britisch wirkt diese Nonchalance und ist vielleicht ein besserer Abwehrzauber als jede Dämonisierung.

OLIVER JUNGEN.

Steven Uhly: "Adams Fuge". Roman.

Secession Verlag für Literatur, Zürich 2011. 228 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Viele spritzige Einfälle und karikaturistisches Talent hat Hans-Peter Kunisch auch in Steven Uhlys zweitem Roman entdeckt, ganz kann der Autor in den Augen des Rezensenten mit "Adams Fuge" nicht an seinen schrillen Erstling "Mein Leben in Aspik" anschließen. Was der Rezensent von "Adams Fuge" erzählt, klingt nach Kölner Comedy: Es ist die Geschichte von Adem Öztürk, der mit seiner Familie durch alle Untiefen muss, die das Klischee für eine türkische Familie in Deutschland bereit hält, bis er als türkischer Geheimdienstmann Adam Imp zurückkehrt. Richtig unterhaltsam fand der Rezensent dies nicht, völlig überladen findet er die Geschichte, worüber ihm auch so manch geschickt gezeichnete Trottelhaftigkeit nicht hinwegtrösten konnte.

© Perlentaucher Medien GmbH