Wie demokratisch war Konrad Adenauer?
Konrad Adenauer prägte als Gründungskanzler und hochverehrter Staatsmann eine ganze Epoche. Zur eigenen Machtsicherung hebelte der CDU-Chef dabei allerdings die von ihm selbst mitgestalteten demokratischen Spielregeln des Grundgesetzes aus: Über Jahre hinweg profitierte er heimlich von der gesetzwidrigen Ausforschung der SPD-Führung durch den Auslandsnachrichtendienst, die sein Kanzleramtschef Hans Globke und der BND-Präsident Reinhard Gehlen eingefädelt hatten.
Der angesehene Historiker Klaus-Dietmar Henke beschreibt dieses größte Demokratieverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage erstmals ausgewerteter Unterlagen des BND sowie Hunderter Geheimberichte in den Archiven der CDU - ein zeithistorischer Politkrimi ersten Ranges.
»Vor allem wird sich das schöne Bild, das sich die Nachwelt vom Gründungskanzler Konrad Adenauer macht, heftig verfärben.« Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung
Konrad Adenauer prägte als Gründungskanzler und hochverehrter Staatsmann eine ganze Epoche. Zur eigenen Machtsicherung hebelte der CDU-Chef dabei allerdings die von ihm selbst mitgestalteten demokratischen Spielregeln des Grundgesetzes aus: Über Jahre hinweg profitierte er heimlich von der gesetzwidrigen Ausforschung der SPD-Führung durch den Auslandsnachrichtendienst, die sein Kanzleramtschef Hans Globke und der BND-Präsident Reinhard Gehlen eingefädelt hatten.
Der angesehene Historiker Klaus-Dietmar Henke beschreibt dieses größte Demokratieverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage erstmals ausgewerteter Unterlagen des BND sowie Hunderter Geheimberichte in den Archiven der CDU - ein zeithistorischer Politkrimi ersten Ranges.
»Vor allem wird sich das schöne Bild, das sich die Nachwelt vom Gründungskanzler Konrad Adenauer macht, heftig verfärben.« Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensents Peter Sturm beschränkt sich in seiner Besprechung des Buchs Klaus-Dietmar Henkes weitgehend auf eine Rekonstruktion des Spionagefalls, dem dieses gewidmet ist. Konrad Adenauer hatte in den Fünfzigerjahren, erfahren wir, mithilfe des ehrgeizigen Staatssekretärs Hans Globke sowie zweier SPD-Mitarbeiter die SPD ausspionieren lassen, um sich politische Vorteile zu verschaffen. Nachvollziehbar findet Sturm Henkes Einordnung dieses Vorfalls als "Demokratieverbrechen", wobei er darauf verweist, dass Adenauers Politik populär war, weshalb die Spitzelei vermutlich keinen großen Unterschied im historischen Verlauf gemacht hat. Ein wichtiges Buch hat Henke vor allem insofern geschrieben, heißt es weiter, als es Aufschlüsse über die Mentalität der Gesellschaft in den Fünfzigern gibt. Tatsächlich wäre die Spionage möglicherweise gar nicht groß skandalisiert worden, wäre sie damals aufgeflogen, spekuliert Sturm im Anschluss an Henke.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2023Dienst auf Abwegen
Wie der BND die SPD ausspionierte
In diesem Buch steht nichts, was der Autor nicht schon im vergangenen Jahr in der Schriftenreihe der Unabhängigen Historikerkommission für die Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes publiziert hätte. Allerdings hatte die Erstveröffentlichung im Vergleich zum vorliegenden Buch mehrere Nachteile: Sie war knapp 1500 Seiten lang und entsprechend zu teuer für den gern so genannten "allgemeinen Leser". Nicht zuletzt klingt der Titel "Adenauers Watergate" deutlich verkaufsfördernder als "Geheime Dienste", wie die Langfassung hieß.
Der renommierte Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke beschreibt, wie der für Auslandsaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst über Jahre gegen Recht und Gesetz die größte Oppositionspartei im Bund, die SPD, ausspionierte. Die Initiative dazu ging von Staatssekretär Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramtes unter Konrad Adenauer, aus. Der Kanzler nahm die Erkenntnisse der Geheimdienstler gerne entgegen, verschafften sie ihm doch tagesaktuelle Einblicke in die Pläne des wichtigsten politischen Gegners. Die Zuträger waren zwei Sozialdemokraten, die Zugang zu allen führenden Vertretern der Partei und allen Gremien hatten. Ihre Motive sind nicht mehr genau nachzuvollziehen. Zwar erhielten sie für ihre Berichte Geld, aber das scheint nicht der alleinige Grund für ihre Spionage gewesen zu sein.
Am Dienstsitz des Geheimdienstes in Pullach bei München traf Globke in Gestalt des ersten BND-Präsidenten Reinhard Gehlen auf einen Verwandten im Geiste. Gehlen, während des Zweiten Weltkrieges Leiter der Militäraufklärung gegen die Sowjetunion, hatte sich gleich nach Kriegsende den Amerikanern angedient und schuf sich durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit den Ruf eines Meisterspions, an dessen Expertise man nicht vorbeikomme. Der ehemalige General hatte politische Ambitionen, die mit dem Amt eines Chefs des Auslandsgeheimdienstes noch längst nicht befriedigt waren. Er wäre gerne "der" Geheimdienstchef geworden. Auch die Arbeit im Inland gehörte nach Gehlens Denken selbstverständlich dazu.
Insofern war für ihn die Bespitzelung der Sozialdemokraten wenn nicht zwangsläufig, so doch überaus logisch. Die Partei galt, vor allem in den Fünfzigerjahren, vielen als Sicherheitsrisiko, weil sie sich bis dahin nicht zur Bindung der Bundesrepublik an das westliche Bündnissystem ausgesprochen hatte.
Somit erscheint es zwar etwas dramatisierend, aber nicht völlig unangemessen, die Operation gegen die SPD, wie Henke es tut, ein "Demokratieverbrechen" zu nennen. Allerdings gesteht auch der Autor ein, dass die SPD in den Fünfzigerjahren noch nicht wirklich regierungsfähig gewesen sei. Auch sei durch die Geheimdienstoperation nicht eine frühere Regierungsbeteiligung der SPD verhindert worden. Die Frühgeschichte der Bundesrepublik muss also nicht umgeschrieben werden. Adenauer traf mit seiner Politik den Nerv der Mehrheit der Bevölkerung.
Wirklich wertvoll ist Henkes Buch deshalb dadurch, dass er ein Bild der Gesellschaft der Bundesrepublik in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Krieges vermittelt. In dieser Zeit wurden noch viele Dinge hingenommen oder gar aktiv propagiert, die heute nicht mehr möglich wären. Deshalb ist nicht gesagt, dass zwangsläufig eine große Krise ausgebrochen wäre, wenn schon in den Fünfzigerjahren die Bespitzelung der Sozialdemokraten bekannt geworden wäre. Spätestens nach der Bundestagswahl 1961 änderte sich aber allmählich das politische Klima. Adenauer war politisch angeschlagen, hatte die absolute Mehrheit verloren und war mittlerweile so alt, dass sich ein Ende seiner Kanzlerschaft unmittelbar abzeichnete. Es "drohte" also eine Regierungsbeteiligung der SPD. Das veranlasste auch die eifrigen Späher in Pullach zum Einstellen ihrer illegalen Spionage. Sowohl im Kanzleramt als auch im BND gewannen allmählich Reformer die Oberhand. PETER STURM
Klaus-Dietmar Henke: Adenauers Watergate. Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 287 S., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie der BND die SPD ausspionierte
In diesem Buch steht nichts, was der Autor nicht schon im vergangenen Jahr in der Schriftenreihe der Unabhängigen Historikerkommission für die Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes publiziert hätte. Allerdings hatte die Erstveröffentlichung im Vergleich zum vorliegenden Buch mehrere Nachteile: Sie war knapp 1500 Seiten lang und entsprechend zu teuer für den gern so genannten "allgemeinen Leser". Nicht zuletzt klingt der Titel "Adenauers Watergate" deutlich verkaufsfördernder als "Geheime Dienste", wie die Langfassung hieß.
Der renommierte Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke beschreibt, wie der für Auslandsaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst über Jahre gegen Recht und Gesetz die größte Oppositionspartei im Bund, die SPD, ausspionierte. Die Initiative dazu ging von Staatssekretär Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramtes unter Konrad Adenauer, aus. Der Kanzler nahm die Erkenntnisse der Geheimdienstler gerne entgegen, verschafften sie ihm doch tagesaktuelle Einblicke in die Pläne des wichtigsten politischen Gegners. Die Zuträger waren zwei Sozialdemokraten, die Zugang zu allen führenden Vertretern der Partei und allen Gremien hatten. Ihre Motive sind nicht mehr genau nachzuvollziehen. Zwar erhielten sie für ihre Berichte Geld, aber das scheint nicht der alleinige Grund für ihre Spionage gewesen zu sein.
Am Dienstsitz des Geheimdienstes in Pullach bei München traf Globke in Gestalt des ersten BND-Präsidenten Reinhard Gehlen auf einen Verwandten im Geiste. Gehlen, während des Zweiten Weltkrieges Leiter der Militäraufklärung gegen die Sowjetunion, hatte sich gleich nach Kriegsende den Amerikanern angedient und schuf sich durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit den Ruf eines Meisterspions, an dessen Expertise man nicht vorbeikomme. Der ehemalige General hatte politische Ambitionen, die mit dem Amt eines Chefs des Auslandsgeheimdienstes noch längst nicht befriedigt waren. Er wäre gerne "der" Geheimdienstchef geworden. Auch die Arbeit im Inland gehörte nach Gehlens Denken selbstverständlich dazu.
Insofern war für ihn die Bespitzelung der Sozialdemokraten wenn nicht zwangsläufig, so doch überaus logisch. Die Partei galt, vor allem in den Fünfzigerjahren, vielen als Sicherheitsrisiko, weil sie sich bis dahin nicht zur Bindung der Bundesrepublik an das westliche Bündnissystem ausgesprochen hatte.
Somit erscheint es zwar etwas dramatisierend, aber nicht völlig unangemessen, die Operation gegen die SPD, wie Henke es tut, ein "Demokratieverbrechen" zu nennen. Allerdings gesteht auch der Autor ein, dass die SPD in den Fünfzigerjahren noch nicht wirklich regierungsfähig gewesen sei. Auch sei durch die Geheimdienstoperation nicht eine frühere Regierungsbeteiligung der SPD verhindert worden. Die Frühgeschichte der Bundesrepublik muss also nicht umgeschrieben werden. Adenauer traf mit seiner Politik den Nerv der Mehrheit der Bevölkerung.
Wirklich wertvoll ist Henkes Buch deshalb dadurch, dass er ein Bild der Gesellschaft der Bundesrepublik in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Krieges vermittelt. In dieser Zeit wurden noch viele Dinge hingenommen oder gar aktiv propagiert, die heute nicht mehr möglich wären. Deshalb ist nicht gesagt, dass zwangsläufig eine große Krise ausgebrochen wäre, wenn schon in den Fünfzigerjahren die Bespitzelung der Sozialdemokraten bekannt geworden wäre. Spätestens nach der Bundestagswahl 1961 änderte sich aber allmählich das politische Klima. Adenauer war politisch angeschlagen, hatte die absolute Mehrheit verloren und war mittlerweile so alt, dass sich ein Ende seiner Kanzlerschaft unmittelbar abzeichnete. Es "drohte" also eine Regierungsbeteiligung der SPD. Das veranlasste auch die eifrigen Späher in Pullach zum Einstellen ihrer illegalen Spionage. Sowohl im Kanzleramt als auch im BND gewannen allmählich Reformer die Oberhand. PETER STURM
Klaus-Dietmar Henke: Adenauers Watergate. Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze.
Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 287 S., 25,- Euro.
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