Vor 75 Jahren, am 15. Januar 1946, wurde in Celle eine Pädagogische Hochschule eröffnet. Schon am 12. Juli 1953 war ihre Celler Geschichte wieder beendet. Die PH wanderte nach Osnabrück ab, wo sie 1974 eine "richtige" Universität wurde. Die kurze Celler Episode der Adolf-Reichwein-Hochschule ist kein isoliertes lokales Ereignis, sondern Teil einer langen deutschen Bildungs- und Politikgeschichte. Sie reicht weit zurück und wirkt sich bis in unsere Gegenwart aus. Der Namenspatron der Celler PH, der am 20. Oktober 1944 in Plötzensee hingerichtete Widerstandskämpfer Adolf Reichwein, war ein Freund des Gründungsdirektors der Celler Hochschule, Hans Bohnenkamp. Die beiden Altwandervögel gehörten zur einflussreichen Gruppe der Jugendbewegung. Sie gab entscheidende Anstöße zur Weimarer Schulreformbewegung. Wegen der gemeinsamen geistesgeschichtlichen Wurzeln mit den Nationalsozialisten fiel es den meisten Vertretern der Jugendbewegung nicht schwer, ihre Arbeit in Schule und Lehrerbildung auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fortzusetzen. 1918 hatten die katastrophalen Folgen des Ersten Weltkrieges, besonders die Angst vor der "bolschewistischen" Revolution, dafür gesorgt, dass das dreigliedrige Schulsystem der Ständegesellschaft durch den "Weimarer Schulkompromiss" von 1920 fort- und festgeschrieben wurde. Das dreigliedrige deutsche Schulsystem machten die Amerikaner für die Verbrechen des Nationalsozialismus mitverantwortlich. 1945 wollten sie deshalb u.a. durch die Einführung der Einheitsschule (Gesamtschule) die Westdeutschen nachhaltig umerziehen. Der Heiße Krieg, der den Kalten Krieg unmittelbar ablöste, ließ Amerikaner und Briten umdenken. Sie strichen ausgerechnet vor den Kräften die Segel, die dem Nationalsozialismus bis in die letzten Stunden gedient hatten. Diesen "in der Tradition geformten Kräften" gelang es - in Celle wie anderswo - nicht nur "am Werke" zu bleiben, sondern auch ihre z.T. erschreckende NS-Verstrickung zu verschweigen