Christian Nottmeier geht den politischen Aktivitäten des Berliner Theologen und Wissenschaftsorganisators Adolf von Harnack in der Zeit vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik nach. Er zeigt dabei insbesondere die Verbindungslinien von diesem Engagement zu den theologischen Prämissen und biographischen Prägungen Harnacks auf.
Der Berliner Kirchenhistoriker und Wissenschaftsorganisator Adolf von Harnack gehörte zu den prägenden Gestalten des liberalen Protestantismus in Deutschland um 1900.
Christian Nottmeier geht unter Rückgriff auf bisher kaum ausgewertetes Quellenmaterial dem Zusammenhang von Harnacks kulturtheologischem Entwurf und seinem politischem Engagement seit 1890 nach. Zunächst untersucht er die Genese von Harnacks Kulturtheologie sowie seine politischen Prägungen in der Dorpater, Leipziger und Giessener Zeit bis zum Ruf nach Berlin 1888. Es werden Harnacks sozialpolitische Aktivitäten im evangelisch-sozialen Kongreß dargestellt, sein wissenschaftspolitisches Wirken, seine konfessionspolitischen Überlegungen zum Katholizismus, vor allem aber seine Einbindung in die Netzwerke gouvernementaler Gelehrtenpolitiker um 1900, deren Versuche einer behutsamen Reform des Reiches in der Zeit vor 1914, mehr noch aber in der Zeit des Weltkrieges, er mit seinen Kontakten zu Kaiser und Reichsleitung voranzutreiben versuchte. Der Autor verfolgt dabei ausführlich Harnacks Weg vom sozialliberalen Befürworter der Monarchie zum konservativen Republikaner in der Zeit der Weimarer Republik und zeigt Werk und Bedeutung Harnacks in einem neuen Licht.
Adolf von Harnack and German Politics between 1890 and 1930.
A Biographical Study of the Relationship between Protestantism, the Academic World and Politics. Adolf von Harnack, a church historian and academic organizer in Berlin, was one of the most influential persons in liberal Protestantism in Germany. Christian Nottmeier examines the connection between Harnack's outline for cultural theology and his political involvement after 1890. He begins by looking at the origins of Harnack's cultural theology as well as at those factors which influenced him politically before he was offered a professorship in Berlin in 1888. He then deals with his sociopolitical activities in the Protestant Social Congress and his activities in the field of academic policy, his thoughts on Catholicism and above all his integration into the network of government-friendly political scholars around 1900, and shows how with the help of his contacts to the Kaiser and the leaders of the Empire he tried enforce their cautious attempts to reform the Empire.
Der Berliner Kirchenhistoriker und Wissenschaftsorganisator Adolf von Harnack gehörte zu den prägenden Gestalten des liberalen Protestantismus in Deutschland um 1900.
Christian Nottmeier geht unter Rückgriff auf bisher kaum ausgewertetes Quellenmaterial dem Zusammenhang von Harnacks kulturtheologischem Entwurf und seinem politischem Engagement seit 1890 nach. Zunächst untersucht er die Genese von Harnacks Kulturtheologie sowie seine politischen Prägungen in der Dorpater, Leipziger und Giessener Zeit bis zum Ruf nach Berlin 1888. Es werden Harnacks sozialpolitische Aktivitäten im evangelisch-sozialen Kongreß dargestellt, sein wissenschaftspolitisches Wirken, seine konfessionspolitischen Überlegungen zum Katholizismus, vor allem aber seine Einbindung in die Netzwerke gouvernementaler Gelehrtenpolitiker um 1900, deren Versuche einer behutsamen Reform des Reiches in der Zeit vor 1914, mehr noch aber in der Zeit des Weltkrieges, er mit seinen Kontakten zu Kaiser und Reichsleitung voranzutreiben versuchte. Der Autor verfolgt dabei ausführlich Harnacks Weg vom sozialliberalen Befürworter der Monarchie zum konservativen Republikaner in der Zeit der Weimarer Republik und zeigt Werk und Bedeutung Harnacks in einem neuen Licht.
Adolf von Harnack and German Politics between 1890 and 1930.
A Biographical Study of the Relationship between Protestantism, the Academic World and Politics. Adolf von Harnack, a church historian and academic organizer in Berlin, was one of the most influential persons in liberal Protestantism in Germany. Christian Nottmeier examines the connection between Harnack's outline for cultural theology and his political involvement after 1890. He begins by looking at the origins of Harnack's cultural theology as well as at those factors which influenced him politically before he was offered a professorship in Berlin in 1888. He then deals with his sociopolitical activities in the Protestant Social Congress and his activities in the field of academic policy, his thoughts on Catholicism and above all his integration into the network of government-friendly political scholars around 1900, and shows how with the help of his contacts to the Kaiser and the leaders of the Empire he tried enforce their cautious attempts to reform the Empire.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2004Die Dienstpflicht des Christen
Christian Nottmeier folgt Adolf von Harnack durch die Politik
Sonntags nach dem ersten Frühstück bat Adolf von Harnack alle "Hausgenossen" ins Arbeitszimmer. Nachdem seine Frau, die Kinder, die Hausmädchen und endlich auch die Köchin erschienen waren, las Harnack einige Strophen eines Paul Gerhardt-Liedes vor und legte dann in knappen, klaren Worten einige Bibelverse, zumeist ein Gleichnis, aus. Dem Dank- und Fürbittengebet folgte das gemeinsam gesprochene Vaterunser. "Nach der Andacht gab der Vater uns allen die Hand, und der Sonntag hatte damit nun sein Gesicht bekommen, das ihn von allen Wochentagen so vollständig unterschied und abgliederte", erinnerte sich Agnes von Zahn-Harnack.
Man muß Adolf Harnacks Frömmigkeit ernst nehmen, will man die großen Erfolge des Wissenschaftsorganisators und Gelehrtenpolitikers verstehen. Dies ist die zentrale These in der glänzenden Dissertation des jungen Berliner Historikers und Theologen Christian Nottmeier. Im Titel seiner Arbeit lehnt er sich an Wolfgang J. Mommsens bekannte Dissertation über "Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920" aus dem Jahre 1959 an. Damit signalisiert Nottmeier einen sehr hohen Anspruch. Er will die innere Einheit von Harnacks Kulturtheologie, Wissenschaftspolitik und politischer Praxis erweisen. In gelebter Frömmigkeit und theologischer Reflexion seien die "weltanschaulichen Ideale" grundgelegt, die der überaus fleißige Gelehrte zum Integral seines politischen Handelns gemacht habe: die unverletzliche Würde der Persönlichkeit und ihre Freiheit, die Pflicht zu sozialem Ausgleich und die Universalität des Humanitätsgedankens. Indem Harnack die Rechtfertigungslehre Luthers zum Symbol freier Individualität umformte, konnte er den innerweltlichen Beruf des Christen als Dienstpflicht für das Gemeinwesen deuten.
Nottmeier schildert zunächst Harnacks Herkunft aus der Welt des baltischen Luthertums. Die Ablösung vom strenggläubigen Vater, einem bekannten Luther-Forscher an der Dorpater Universität, war von harten theologischen Konflikten begleitet. Die Theologie Albrecht Ritschls ermöglichte dem jungen Leipziger Privatdozenten kritische Perspektiven auf die christliche Dogmengeschichte, die ihn im schlichten Evangelium Jesu von Nazareth den unvergänglichen Wesenskern wahrer Christlichkeit sehen ließen. Nottmeier beschreibt die theologischen Suchbewegungen des jungen Harnack, etwa die intensive Nietzsche-Lektüre, mit hoher Sensibilität, auch auf der Basis zahlreicher unveröffentlichter Quellen aus dem großen Berliner Nachlaß. Harnacks politische Wege und Irrwege zeichnet er in die Landkarte der wilhelminischen Gelehrtenpolitik ein, die Rüdiger vom Bruch 1980 erstellt hatte. So wird Harnack als ein gouvernementaler Politikberater sichtbar, der im engen Zusammenspiel mit den Reformern in den Staatsbürokratien ein Ethos der "mittleren Linie" vertrat. Gegen kulturkämpferische Polarisierung und die Verschärfung von Klassenkonflikten setzte er auf Interessenausgleich durch Konfliktvermeidung, Konsenspflege und Sozialreform. Die autoritäre politische Kultur des Kaiserreichs sollte im Sinne bürgerlich-liberaler Wertvorstellungen in eine parlamentarisch-konstitutionelle Monarchie umgestaltet werden. Seine große Durchsetzungskraft und positiven Erfahrungen in der Wissenschafts- und Bildungspolitik ließen ihn die Reformfähigkeit des wilhelminischen Staates überschätzen. Intensiv hatte er sich für die deutsch-britische Verständigung engagiert und gegen den alldeutschen Imperialismus auch außenpolitisch zu Mäßigung und Ausgleich geraten. Durch den Krieg, den er anfangs als unumgänglichen Verteidigungskampf unterstützte, sah er bald die Grundlagen der europäischen Zivilität bedroht. In seiner Kriegspublizistik schwankte der Unterzeichner des "Manifests der 93" zwischen bellizistischer Aggressivrhetorik zumal gegenüber England und Rußland und depressiven Untergangsängsten. Seine kulturprotestantische whig interpretation der deutschen Nationalgeschichte schloß nun die Bereitschaft ein, im Osten "deutsche Kultur" durch Vasallenstaaten zu sichern. Trotz seiner vielfältigen politischen Kontakte, gerade auch zum Kanzler Bethmann Hollweg, blieb Harnack oft in einer verzerrten, naiven Sicht der militärischen Lage befangen. Das permanente Vermitteln zwischen den Extremen läßt viel Ratlosigkeit, Unsicherheit und Schwanken erkennen.
Kriegsniederlage und Revolution deutete Harnack als Übergang zu Demokratie und Sozialismus. Gegen den antirepublikanischen Mehrheitsprotestantismus engagierte sich der konservative Republikaner aus theologischer Einsicht entschieden für die "soziale Demokratie". Seiner traditionskritischen Persönlichkeitsreligion waren im Symbol des Reiches Gottes starke Sozialideale eingestiftet. So stand die "Anerkennung der liberal-rationell-demokratischen politischen Ideale" des Westens "unter dem Prinzipat einer tieferen idealistischen Weltanschauung". Daß die Lieblingstochter Agnes, eine prominente Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung, in die Deutsche Demokratische Partei eintrat, begrüßte Vater Harnack. Dem SPD-Engagement des Sohnes Ernst begegnete er dagegen zunächst mit Skepsis. Harnacks Goethe-Frömmigkeit ließ sogar Houston Stewart Chamberlain zum Korrespondenzpartner des Gelehrten werden. Aber entschieden ging das Mitglied des Abwehrvereins zur Bekämpfung des Antisemitismus zu den Judenfeinden auf Distanz. Nottmeier zeigt auch hier Vermittlungslinien zwischen religiöser Gesinnung und politischer Tat auf. Nicht nur zeichnet er viele bisher unbekannte gelehrtenpolitische Aktivitäten Harnacks mit feinem Federstrich nach. Vielmehr gelingen ihm auch prägnante Skizzen komplexer theologischer Diskurslandschaften. Kongenial folgt er Harnacks Ideenhistorismus, ein Wissenschaftshistoriker solle eine Gelehrtenpersönlichkeit durch "Geisterschau", von ihrem inneren geistigen Gehalt her erfassen.
FRIEDRICH WILHELM GRAF
Christian Nottmeier: "Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890-1930". Eine biographische Studie zum Verhältnis von Protestantismus, Wissenschaft und Politik. Beiträge zur historischen Theologie, Band 124. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2004. 582 S., geb., 89,- [Euro].
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Christian Nottmeier folgt Adolf von Harnack durch die Politik
Sonntags nach dem ersten Frühstück bat Adolf von Harnack alle "Hausgenossen" ins Arbeitszimmer. Nachdem seine Frau, die Kinder, die Hausmädchen und endlich auch die Köchin erschienen waren, las Harnack einige Strophen eines Paul Gerhardt-Liedes vor und legte dann in knappen, klaren Worten einige Bibelverse, zumeist ein Gleichnis, aus. Dem Dank- und Fürbittengebet folgte das gemeinsam gesprochene Vaterunser. "Nach der Andacht gab der Vater uns allen die Hand, und der Sonntag hatte damit nun sein Gesicht bekommen, das ihn von allen Wochentagen so vollständig unterschied und abgliederte", erinnerte sich Agnes von Zahn-Harnack.
Man muß Adolf Harnacks Frömmigkeit ernst nehmen, will man die großen Erfolge des Wissenschaftsorganisators und Gelehrtenpolitikers verstehen. Dies ist die zentrale These in der glänzenden Dissertation des jungen Berliner Historikers und Theologen Christian Nottmeier. Im Titel seiner Arbeit lehnt er sich an Wolfgang J. Mommsens bekannte Dissertation über "Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920" aus dem Jahre 1959 an. Damit signalisiert Nottmeier einen sehr hohen Anspruch. Er will die innere Einheit von Harnacks Kulturtheologie, Wissenschaftspolitik und politischer Praxis erweisen. In gelebter Frömmigkeit und theologischer Reflexion seien die "weltanschaulichen Ideale" grundgelegt, die der überaus fleißige Gelehrte zum Integral seines politischen Handelns gemacht habe: die unverletzliche Würde der Persönlichkeit und ihre Freiheit, die Pflicht zu sozialem Ausgleich und die Universalität des Humanitätsgedankens. Indem Harnack die Rechtfertigungslehre Luthers zum Symbol freier Individualität umformte, konnte er den innerweltlichen Beruf des Christen als Dienstpflicht für das Gemeinwesen deuten.
Nottmeier schildert zunächst Harnacks Herkunft aus der Welt des baltischen Luthertums. Die Ablösung vom strenggläubigen Vater, einem bekannten Luther-Forscher an der Dorpater Universität, war von harten theologischen Konflikten begleitet. Die Theologie Albrecht Ritschls ermöglichte dem jungen Leipziger Privatdozenten kritische Perspektiven auf die christliche Dogmengeschichte, die ihn im schlichten Evangelium Jesu von Nazareth den unvergänglichen Wesenskern wahrer Christlichkeit sehen ließen. Nottmeier beschreibt die theologischen Suchbewegungen des jungen Harnack, etwa die intensive Nietzsche-Lektüre, mit hoher Sensibilität, auch auf der Basis zahlreicher unveröffentlichter Quellen aus dem großen Berliner Nachlaß. Harnacks politische Wege und Irrwege zeichnet er in die Landkarte der wilhelminischen Gelehrtenpolitik ein, die Rüdiger vom Bruch 1980 erstellt hatte. So wird Harnack als ein gouvernementaler Politikberater sichtbar, der im engen Zusammenspiel mit den Reformern in den Staatsbürokratien ein Ethos der "mittleren Linie" vertrat. Gegen kulturkämpferische Polarisierung und die Verschärfung von Klassenkonflikten setzte er auf Interessenausgleich durch Konfliktvermeidung, Konsenspflege und Sozialreform. Die autoritäre politische Kultur des Kaiserreichs sollte im Sinne bürgerlich-liberaler Wertvorstellungen in eine parlamentarisch-konstitutionelle Monarchie umgestaltet werden. Seine große Durchsetzungskraft und positiven Erfahrungen in der Wissenschafts- und Bildungspolitik ließen ihn die Reformfähigkeit des wilhelminischen Staates überschätzen. Intensiv hatte er sich für die deutsch-britische Verständigung engagiert und gegen den alldeutschen Imperialismus auch außenpolitisch zu Mäßigung und Ausgleich geraten. Durch den Krieg, den er anfangs als unumgänglichen Verteidigungskampf unterstützte, sah er bald die Grundlagen der europäischen Zivilität bedroht. In seiner Kriegspublizistik schwankte der Unterzeichner des "Manifests der 93" zwischen bellizistischer Aggressivrhetorik zumal gegenüber England und Rußland und depressiven Untergangsängsten. Seine kulturprotestantische whig interpretation der deutschen Nationalgeschichte schloß nun die Bereitschaft ein, im Osten "deutsche Kultur" durch Vasallenstaaten zu sichern. Trotz seiner vielfältigen politischen Kontakte, gerade auch zum Kanzler Bethmann Hollweg, blieb Harnack oft in einer verzerrten, naiven Sicht der militärischen Lage befangen. Das permanente Vermitteln zwischen den Extremen läßt viel Ratlosigkeit, Unsicherheit und Schwanken erkennen.
Kriegsniederlage und Revolution deutete Harnack als Übergang zu Demokratie und Sozialismus. Gegen den antirepublikanischen Mehrheitsprotestantismus engagierte sich der konservative Republikaner aus theologischer Einsicht entschieden für die "soziale Demokratie". Seiner traditionskritischen Persönlichkeitsreligion waren im Symbol des Reiches Gottes starke Sozialideale eingestiftet. So stand die "Anerkennung der liberal-rationell-demokratischen politischen Ideale" des Westens "unter dem Prinzipat einer tieferen idealistischen Weltanschauung". Daß die Lieblingstochter Agnes, eine prominente Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung, in die Deutsche Demokratische Partei eintrat, begrüßte Vater Harnack. Dem SPD-Engagement des Sohnes Ernst begegnete er dagegen zunächst mit Skepsis. Harnacks Goethe-Frömmigkeit ließ sogar Houston Stewart Chamberlain zum Korrespondenzpartner des Gelehrten werden. Aber entschieden ging das Mitglied des Abwehrvereins zur Bekämpfung des Antisemitismus zu den Judenfeinden auf Distanz. Nottmeier zeigt auch hier Vermittlungslinien zwischen religiöser Gesinnung und politischer Tat auf. Nicht nur zeichnet er viele bisher unbekannte gelehrtenpolitische Aktivitäten Harnacks mit feinem Federstrich nach. Vielmehr gelingen ihm auch prägnante Skizzen komplexer theologischer Diskurslandschaften. Kongenial folgt er Harnacks Ideenhistorismus, ein Wissenschaftshistoriker solle eine Gelehrtenpersönlichkeit durch "Geisterschau", von ihrem inneren geistigen Gehalt her erfassen.
FRIEDRICH WILHELM GRAF
Christian Nottmeier: "Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890-1930". Eine biographische Studie zum Verhältnis von Protestantismus, Wissenschaft und Politik. Beiträge zur historischen Theologie, Band 124. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2004. 582 S., geb., 89,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als "glänzende Dissertation" würdigt Friedrich Wilhelm Graf diese Studie des Berliner Historikers und Theologen Christian Nottmeier über Adolf von Harnack, die die innere Einheit von dessen Kulturtheologie, Wissenschaftspolitik und politische Praxis zu erweisen sucht. Nottmeier schildere zunächst Harnacks Herkunft aus der Welt des baltischen Luthertums, um dann seine theologischen Suchbewegungen, etwa die intensive Nietzsche-Lektüre, zu beschreiben. Anschließend erläutere er Harnacks politische Wege und Irrwege im Kontext der wilhelminischen Gelehrtenpolitik. Er zeige zudem, dass Harnack gegen kulturkämpferische Polarisierung und die Verschärfung von Klassenkonflikten auf Interessenausgleich durch Konfliktvermeidung, Konsenspflege und Sozialreform gesetzt habe. Graf lobt insbesondere die "hohe Sensibilität", die der Autor bei seinen Ausführungen an den Tag legt. Mit "feinem Federstrich" zeichne Nottmeier nicht nur viele bisher unbekannte gelehrtenpolitische Aktivitäten Harnacks nach. Darüber hinaus gelingen Nottmeier zur Freude Grafs auch "prägnante Skizzen" komplexer theologischer Diskurslandschaften.
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