Die Anhänger und Schüler des Valentin zählten zu den einflussreichsten Gegnern der katholischen Großkirche. Der in ihren Reihen kursierende Weltentstehungsmythos weist sie als Gnostiker par excellence aus. Somit wird dieser Mythos von Irenäus programmatisch seinem Werk Gegen die Häresien vorangestellt. Tertullian unternimmt es, die Einlassungen des Irenäus zu latinisieren, sodass im Hauptteil seines Werkes Adversus Valentinianos die Gliederung des Irenäus wieder begegnet: Nach der Schilderung der valentinianisch verstandenen Theogonie wird die Kosmogonie dieser Gnostiker beschrieben und schließlich auch deren Anthropogenie. All dies erscheint dem Kirchenvater absurd und gefährlich nahe an irdischer, ja teuflischer Klugheit. Auch das geheimnisumwitterte Gebaren der Valentinianer stelle diese auf eine Stufe mit den Anhängern antiker Mysterienkulte. Seit dem Ende des 1. Jahrhunderts wurde von Schismatikern die wahre Menschennatur Jesu Christi in Zweifel gezogen. Jesu Menschsein sei bloßer Schein gewesen - eine Auffassung, die man heute als Doketismus bezeichnet. Somit sah sich Tertullian genötigt, die Lehre von der realen Fleischwerdung des Gottessohnes in einem eigenen Werk zu verteidigen. Der erste Teil von De carne Christi richtet sich gegen Markion. Tertullian unterstreicht hierbei, dass die reale Inkarnation für Gott weder unmöglich noch unschicklich gewesen ist. In einem zweiten Teil wird gegen den Markionschüler Apelles betont, dass das Fleisch Jesu nicht von den Sternen, sondern aus der Jungfrauengeburt stammte. Hernach wird die Auffassung Valentins und seiner Schüler, Jesus habe ein 'geistiges' beziehungsweise 'seelisches Fleisch' an sich getragen,widerlegt; die Bibel spreche doch von Jesus als einem wahren Menschen bzw. Menschensohn. Die beiden wichtigen Werke Tertullians werden neu ins Deutsche übersetzt, ausführlich kommentiert und eingeleitet.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der hier rezensierende Theologe Jan-Heiner Tück findet beim Kirchenschriftsteller Tertullian eine Alternative zum Selbstoptimierungsdiktat. In der Schrift an seine Gegner versucht der Autor laut Tück zu zeigen, dass Christus tatsächlich auferstanden ist, und propagiert die "Einheit der Heilsordnung". Stilistisch glänzend und polemisch pointiert, so Tück, arbeitet der Autor mit den neutestamentlichen Zeugnissen und schildert die Geburt Jesu. Vor allem aber fordert er seine Leser auf, vom eigenen Leib auf den des Erlösers "zu schließen", erklärt Tück. Auch wenn so ein Verständnis der Passion nicht leicht "auf heute" zu übertragen ist, wie Tück einräumt, bietet der Text doch Einsichten, verspricht der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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