"Tief ist der Brunnen der Vergangenheit". Wenn irgendwo, dann trifft dieser Satz Thomas Manns auf die altägyptische Religion zu, deren Ursprünge in der Steinzeit liegen. Die Pyramidentexte aus dem 3. Jahrtausend bilden das älteste religiöse Textkorpus der Menschheitsgeschichte. Viele dieser Texte aber waren bis in die römische Kaiserzeit in Gebrauch, so daß noch das Abendland in seinen griechischen und lateinischen Anfängen in diese Brunnentiefe blicken konnte. Herodot meinte, daß die griechischen Götter aus Ägypten stammten. Auch die biblische Überlieferung läßt Israel aus Ägypten hervorgehen, aber nicht im Sinne des Ursprungs, sondern der Konversion. Aus Ägypten mußte ausgezogen werden, um in den Monotheismus einzuziehen. Im Unterschied zur biblischen Offenbarungsreligion läßt sich die ägyptische Religion als eine "Geheimnisreligion" bezeichnen. Das Geheimnis gilt hier als der Inbegriff des Heiligen und das Heilige als Inbegriff des Geheimnisvollen. Die Aufsätze dieses Bandes sind aus jahrzehntelangen Forschungen erwachsen und wollen die ägyptische Welt in Nahaufnahmen sichtbar werden lassen.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Jan Assmann hat die konservative Ägyptologen-Zunft aufgemischt, weckt Stefan Zweifel unser Interesse für den "Neudenker" Assmann, der mit theoretischer Schützenhilfe von Seiten Jacques Derridas oder Maurice Halbwachs die "Sinngeschichte" Ägyptens neu aufgerollt und in heutige Zeit überführt haben muss. Sein neuestes Werk befasst sich mit dem Osiris-Mythos, der uns als einer der Urmythen bekannt ist. Das eigentlich Aufregende an Assmanns Thesen, erklärt Zweifel seine Begeisterung, sei weniger die Interpretation der Osiris-Geschichte als vielmehr Assmanns kühne Behauptung, es gebe gar keinen Urmythos. Mit anderen Worten: Assmann stellt eine neue Theorie des Mythos auf, in der Logos und Mythos nicht wie in der griechischen Welt ein Gegensatzpaar bilden. Das lineare Erzählen, das den Mythos dramatisiert oder zu einem epischen Stoff macht, sei dem ägyptischen Denken völlig fremd, referiert Zweifel Assmanns Position, das "Götterwissen" sei bei den Ägyptern zusammenhanglos in ritualisierten Handlungen aufgetaucht und wiederholt worden. Erst nachträglich seien die entleerten Rituale mit Sinn überzogen worden. Insofern stellten die ägyptischen Mythen keine "uranfänglichen Geheimnisse" dar, sondern seien nachträglich erfundene Märchen. Eine kopernikanische Wende, meint Zweifel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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