Älter werden wir alle, von Anfang an, und es gibt keine Aussicht auf Umkehr. Erst, wir sind noch ein Kind, wollen wir es unbedingt, dann, wir sind erwachsen, widerfährt es uns fast unmerklich, schließlich, die Jahre gehen ins Land, kommen die Tage des Rückblicks, auf die Zeit, in der wir die Zukunft noch vor uns hatten.»Älter werden« gibt persönlich erzählend, räsonierend und kommentierend einen Rückblick auf das gelebte Leben und einen Ausblick auf möglicherweise Kommendes. Diese erzählten Erinnerungen und gedanklichen Spiele fügen sich zu einem poetischen Bericht über eines der zentralen Themen unserer Zeit.
»Was tue ich hier? Geht es um die
Rettung meines altgewordenen Ichs?
Was habe ich mit diesem Lügengespinst meiner erinnerten Ich-Legende zu tun?
Bin ich das und nur das? Aus irgend-
einem Grund benötigt mein Geist diese Kontinuitätsveranstaltung. Ich bin eine fragwürdige Erinnerungsgeschichte.
Ich bin ein bündelndes rückkoppelndes Als-ob, das sich eine fragwürdige Erinnerungsgeschichte schafft, um dann aus ihr zu bestehen ...«
»Älter werden« gibt persönlich erzählend, räsonierend und kommentierend einen Rückblick auf das gelebte Leben und
einen Ausblick auf möglicherweise Kommendes. Diese erzählten Erinnerungen und gedanklichen Spiele fügen sich zu
einem poetischen Bericht über eines der zentralen Themen unserer Zeit.
»Was tue ich hier? Geht es um die
Rettung meines altgewordenen Ichs?
Was habe ich mit diesem Lügengespinst meiner erinnerten Ich-Legende zu tun?
Bin ich das und nur das? Aus irgend-
einem Grund benötigt mein Geist diese Kontinuitätsveranstaltung. Ich bin eine fragwürdige Erinnerungsgeschichte.
Ich bin ein bündelndes rückkoppelndes Als-ob, das sich eine fragwürdige Erinnerungsgeschichte schafft, um dann aus ihr zu bestehen ...«
»Älter werden« gibt persönlich erzählend, räsonierend und kommentierend einen Rückblick auf das gelebte Leben und
einen Ausblick auf möglicherweise Kommendes. Diese erzählten Erinnerungen und gedanklichen Spiele fügen sich zu
einem poetischen Bericht über eines der zentralen Themen unserer Zeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2007Vom Altern
Silvia Bovenschen und Ingo Schulze im Gespräch
In ihrem Buch "Älter werden" erinnert sich Silvia Bovenschen an einen überaus friedfertigen Onkel, der nur selten lachte: "Vielleicht war das zahnfreilegende Lachen für ihn schon zu nahe an Angriff und Aggression." Dass es auch anderes Lachen gibt, freundliches, unaggressives, wurde am Dienstagabend in der Berliner Akademie der Künste deutlich. Zum ersten Mal las die Autorin, der soeben der Curtius-Preis für Essayistik zugesprochen wurde, vor größerem Publikum aus ihrem Bestseller. Immer wieder brandeten im Saal zustimmender Zwischenapplaus und ein Gelächter auf, das nicht die Zähne zeigt. Verärgert waren allein jene, die draußenbleiben mussten: "Restlos ausverkauft!"
Liegt "Älter werden" im aktuellen Trend der Bücher über das Alter? Älter, so bemerkte Ingo Schulze, der den Abend moderierte, werde man schließlich vom ersten Tag des Lebens an. Mindestens ebenso viel wie von den zunehmenden Einschränkungen des Alters ist bei Silvia Bovenschen von Kindheits- und Jugenderinnerungen die Rede. Anders als etwa "Haus der Schildkröten", Annette Pehnts jüngst erschienener Altersheimroman, der schonungslos vom Gedächtnis- und Lebensschwund im Greisenalltag zu berichten weiß, ist "Älter werden" ein beinahe heiteres, anekdotenfreudiges Werk über die Zeitspuren im Leben einer Sechzigjährigen, ein locker gefügtes Memoirenbuch. Weniger um die Auseinandersetzung mit der letzten Phase des Lebens geht es als um die Änderung von Wahrnehmung und Erfahrung im Lauf der Jahrzehnte. "Älter werden" ist deshalb ein Buch gerade für die mittlere Generation, die mit dem Blick auf veränderte Präferenzen und erste Furchen, Falten und Malaisen ihr unwiderrufliches In-der-Zeit-Sein feststellt.
Ingo Schulze rekapitulierte den Weg Silvia Bovenschens, der mit einer Pionierarbeit der feministischen Literaturwissenschaft begonnen hatte. "Die imaginierte Weiblichkeit", erschienen 1979, sicherte ihr eine Anstellung als Dozentin; später neigte sie mehr zum Essayistischen, besonders eindrucksvoll im Band "Über-Empfindlichkeit", wo sie diversen "Spielformen der Idiosynkrasie" nachspürte. Souveräne Vertrautheit mit den Diskursen verbindet sich hier mit der subtilen Beschreibung von Alltagserfahrung. Und ein wenig Dialektik der Aufklärung rumort immer im Hintergrund.
Auch "Älter werden" war zunächst als runder Essay geplant. Nach einigen scheiternden Anläufen gab Bovenschen jedoch den "Anspruch allgemeiner Gültigkeit" auf und überließ sich ohne Begriffsnetze und akademische Kategorien der Beschreibung eigener Erfahrung. Vielleicht darf ihr Werk gerade deshalb besonderen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Anfangs allerdings hatte ihr das subjektive Schreiben geradezu Angst gemacht: "Das kann ja peinlich werden."
Entstanden ist indes ein besonders unangestrengt wirkendes Buch. Dass der seit jungen Jahren an multipler Sklerose erkrankten Autorin Leiden vertraut sind, wird allerdings nicht nur in manchen Passagen deutlich, in denen etwa von den allmonatlichen Krankenhausaufenthalten die Rede ist - auch an diesem Abend stand wie ein Menetekel der Rollstuhl in der Nähe der Bühne. Es ist ein schweres Leben, über das Bovenschen in "Älter werden" den Anschein der Leichtigkeit breitet. Glücksmöglichkeiten unter den Bedingungen der Einschränkung werden vermessen; Freundschaft ist ein Leitmotiv.
Wie das Buch, so verband auch der Auftritt Haltung, Eleganz und Lässigkeit. Die geistreiche Plauderei mit Ingo Schulze machte deutlich, wie sehr sich die Autorin in der offenen, beiläufigen Form des neuen Buches gefunden hat. Am Ende befragte Schulze sie über Berlin, wo die langjährige Frankfurterin seit einem Jahrzehnt lebt. Ihre Stadt-Erfahrung sei begrenzt, meinte sie, da sie nur mit fremder Hilfe das Haus verlassen und sich die Topographie kaum selbst erschließen könne. Immerhin erscheine ihr Berlin als Stadt der Grenzen, denn immer, wenn sie einen Taxifahrer unterwegs frage, wo man sich denn gerade befinde, antworte der zuverlässig mit dem Hinweis auf irgendeine Bezirksgrenze. Man lebe hier eben nicht in der Stadt, sondern in einem Stadtteil. In ihrem Buch hat Silvia Bovenschen mehr als eine geistige Bezirksgrenze souverän aufgehoben.
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Silvia Bovenschen und Ingo Schulze im Gespräch
In ihrem Buch "Älter werden" erinnert sich Silvia Bovenschen an einen überaus friedfertigen Onkel, der nur selten lachte: "Vielleicht war das zahnfreilegende Lachen für ihn schon zu nahe an Angriff und Aggression." Dass es auch anderes Lachen gibt, freundliches, unaggressives, wurde am Dienstagabend in der Berliner Akademie der Künste deutlich. Zum ersten Mal las die Autorin, der soeben der Curtius-Preis für Essayistik zugesprochen wurde, vor größerem Publikum aus ihrem Bestseller. Immer wieder brandeten im Saal zustimmender Zwischenapplaus und ein Gelächter auf, das nicht die Zähne zeigt. Verärgert waren allein jene, die draußenbleiben mussten: "Restlos ausverkauft!"
Liegt "Älter werden" im aktuellen Trend der Bücher über das Alter? Älter, so bemerkte Ingo Schulze, der den Abend moderierte, werde man schließlich vom ersten Tag des Lebens an. Mindestens ebenso viel wie von den zunehmenden Einschränkungen des Alters ist bei Silvia Bovenschen von Kindheits- und Jugenderinnerungen die Rede. Anders als etwa "Haus der Schildkröten", Annette Pehnts jüngst erschienener Altersheimroman, der schonungslos vom Gedächtnis- und Lebensschwund im Greisenalltag zu berichten weiß, ist "Älter werden" ein beinahe heiteres, anekdotenfreudiges Werk über die Zeitspuren im Leben einer Sechzigjährigen, ein locker gefügtes Memoirenbuch. Weniger um die Auseinandersetzung mit der letzten Phase des Lebens geht es als um die Änderung von Wahrnehmung und Erfahrung im Lauf der Jahrzehnte. "Älter werden" ist deshalb ein Buch gerade für die mittlere Generation, die mit dem Blick auf veränderte Präferenzen und erste Furchen, Falten und Malaisen ihr unwiderrufliches In-der-Zeit-Sein feststellt.
Ingo Schulze rekapitulierte den Weg Silvia Bovenschens, der mit einer Pionierarbeit der feministischen Literaturwissenschaft begonnen hatte. "Die imaginierte Weiblichkeit", erschienen 1979, sicherte ihr eine Anstellung als Dozentin; später neigte sie mehr zum Essayistischen, besonders eindrucksvoll im Band "Über-Empfindlichkeit", wo sie diversen "Spielformen der Idiosynkrasie" nachspürte. Souveräne Vertrautheit mit den Diskursen verbindet sich hier mit der subtilen Beschreibung von Alltagserfahrung. Und ein wenig Dialektik der Aufklärung rumort immer im Hintergrund.
Auch "Älter werden" war zunächst als runder Essay geplant. Nach einigen scheiternden Anläufen gab Bovenschen jedoch den "Anspruch allgemeiner Gültigkeit" auf und überließ sich ohne Begriffsnetze und akademische Kategorien der Beschreibung eigener Erfahrung. Vielleicht darf ihr Werk gerade deshalb besonderen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Anfangs allerdings hatte ihr das subjektive Schreiben geradezu Angst gemacht: "Das kann ja peinlich werden."
Entstanden ist indes ein besonders unangestrengt wirkendes Buch. Dass der seit jungen Jahren an multipler Sklerose erkrankten Autorin Leiden vertraut sind, wird allerdings nicht nur in manchen Passagen deutlich, in denen etwa von den allmonatlichen Krankenhausaufenthalten die Rede ist - auch an diesem Abend stand wie ein Menetekel der Rollstuhl in der Nähe der Bühne. Es ist ein schweres Leben, über das Bovenschen in "Älter werden" den Anschein der Leichtigkeit breitet. Glücksmöglichkeiten unter den Bedingungen der Einschränkung werden vermessen; Freundschaft ist ein Leitmotiv.
Wie das Buch, so verband auch der Auftritt Haltung, Eleganz und Lässigkeit. Die geistreiche Plauderei mit Ingo Schulze machte deutlich, wie sehr sich die Autorin in der offenen, beiläufigen Form des neuen Buches gefunden hat. Am Ende befragte Schulze sie über Berlin, wo die langjährige Frankfurterin seit einem Jahrzehnt lebt. Ihre Stadt-Erfahrung sei begrenzt, meinte sie, da sie nur mit fremder Hilfe das Haus verlassen und sich die Topographie kaum selbst erschließen könne. Immerhin erscheine ihr Berlin als Stadt der Grenzen, denn immer, wenn sie einen Taxifahrer unterwegs frage, wo man sich denn gerade befinde, antworte der zuverlässig mit dem Hinweis auf irgendeine Bezirksgrenze. Man lebe hier eben nicht in der Stadt, sondern in einem Stadtteil. In ihrem Buch hat Silvia Bovenschen mehr als eine geistige Bezirksgrenze souverän aufgehoben.
WOLFGANG SCHNEIDER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr eingenommen zeigt sich die Rezensentin Felicitas von Lovenberg von Silvia Bovenschens Überlegungen zum Älterwerden. Voller gedanklicher und sprachlicher Eleganz - und vor allem ohne jegliche Alterslarmoyanz - horcht sie prüfend die Begriffe des Älterwerdens ab und spricht furcht- und schnörkellos heikle Themen an: etwa Sexualität im Alter ("Runzelsex") oder (wenn auch sparsam) ihre Erkrankung an Multipler Sklerose. Sehr gefallen hat der Rezensentin, dass die Autorin Leben und Zeit nicht aus einer quasi jenseitigen, weil von Trauer und dem Gedanken an Versäumnisse behafteten Perspektive betrachtet, sondern dass gerade das Bewusstsein der Vergänglichkeit sie mitten ins Leben und der Freude daran führt. Dieses Buch muss man gerade deswegen "weise" nennen, weil es das nicht sein will, so das lobende Fazit der Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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