Sachbuchbestenliste der ZEIT
SPIEGEL-Bestseller
In dieser fesselnden Darstellung erkundet Howard W. French die zentrale, aber absichtlich vernachlässigte Rolle Afrikas und der Afrikaner bei der Entstehung von Wirtschaftssystemen und politischem Denken unserer modernen Welt. Souverän und aufrüttelnd zeigt der Autor, wie die tragische Beziehung zwischen Afrika und Europa, die im 15. Jahrhundert begann, unsere Moderne hervorbrachte.
Die Geschichte Afrikas ist lange in die entlegendsten Winkel unserer globalen Geschichte verbannt worden. Doch was ist, wenn wir statt dessen Afrika und die Afrikaner in den Mittelpunkt unseres Denkens über die Ursprünge der Moderne stellen? In einer mitreißenden Darstellung, die mehr als sechs Jahrhunderte umspannt, deutet Howard W. French die Erzählung vom mittelalterlichen und ins Licht der Geschichte tretenden Afrika grundlegend neu. Dabei zeigt er, wie der ökonomische Aufstieg Europas und die Verankerung der Demokratie im Westen ebenso wie die Durchsetzung der so genannten Ideale der Aufklärung aus Europas entmenschlichendem Umgang mit dem »schwarzen« Kontinent erwuchsen. In packenden Schilderungen spürt der Autor den Lebensläufen wichtiger afrikanischer Persönlichkeiten nach: von unvorstellbar reichen mittelalterlichen Kaisern, die mit dem Nahen Osten und darüber hinaus Handel trieben, über die Stammesfürsten des Kongo, die den europäischen Mächten im 17. Jahrhundert heldenhaft die Stirn boten, bis hin zu den ehemaligen Sklaven, die die Haitianer aus der Leibeigenschaft befreiten und dem Lauf der Geschichte eine andere Richtung gaben. Eine kraftvolle Neudeutung der Weltgeschichte, deren neues Verständnis unserer gemeinsamen Geschichte uns auffordert, sich dieser Vergangenheit zu stellen, um eine andere Zukunft gestalten zu können.
»Eine ebenso schmerzhafte wie notwendige Lektüre, die demütig werden lässt.« New York Times Book Review
»Howard Frenchs Buch ist die unglaublich wichtige Neuerzählung einer Geschichte, von der Afrika und die Afrikaner lange bewusst ausgeschlossen wurden: Das Buch macht ihre Rolle als Hauptakteure bei der Entstehung der Moderne sichtbar - eine unentbehrliche Lektüre für alle, die sich für Weltgeschichte interessieren.« Amitav Ghosh
»Ein Schwarzer Journalist deutet die moderne Geschichte neu, indem er Afrika den ihm zustehenden Platz im Zentrum des Geschehens zurückgibt ..." Kirkus
»Um die Welt zu verstehen, in der wir heute leben, ist dieses Buch unverzichtbar.« Sven Beckert, Autor von King Cotton. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus
»... ein großartiges, eindringliches und packendes Buch ... Es ist keine angenehme oder tröstende Lektüre, aber es ist wunderbar geschrieben, ein wahres Meisterwerk.« The Observer
»Eine packende ... Darstellung der grausamen Ursprünge der globalen Wirtschaft.«, Publishers Weekly
»Die lang nachhallende Wirkung dieser atemberaubenden Arbeit auf die gängige Darstellung afrikanischer und afroamerikanischer Geschichte kann man mit Worten kaum beschreiben ... Absolut empfehlenswert!«, Monique Martinez, Library Journal
SPIEGEL-Bestseller
In dieser fesselnden Darstellung erkundet Howard W. French die zentrale, aber absichtlich vernachlässigte Rolle Afrikas und der Afrikaner bei der Entstehung von Wirtschaftssystemen und politischem Denken unserer modernen Welt. Souverän und aufrüttelnd zeigt der Autor, wie die tragische Beziehung zwischen Afrika und Europa, die im 15. Jahrhundert begann, unsere Moderne hervorbrachte.
Die Geschichte Afrikas ist lange in die entlegendsten Winkel unserer globalen Geschichte verbannt worden. Doch was ist, wenn wir statt dessen Afrika und die Afrikaner in den Mittelpunkt unseres Denkens über die Ursprünge der Moderne stellen? In einer mitreißenden Darstellung, die mehr als sechs Jahrhunderte umspannt, deutet Howard W. French die Erzählung vom mittelalterlichen und ins Licht der Geschichte tretenden Afrika grundlegend neu. Dabei zeigt er, wie der ökonomische Aufstieg Europas und die Verankerung der Demokratie im Westen ebenso wie die Durchsetzung der so genannten Ideale der Aufklärung aus Europas entmenschlichendem Umgang mit dem »schwarzen« Kontinent erwuchsen. In packenden Schilderungen spürt der Autor den Lebensläufen wichtiger afrikanischer Persönlichkeiten nach: von unvorstellbar reichen mittelalterlichen Kaisern, die mit dem Nahen Osten und darüber hinaus Handel trieben, über die Stammesfürsten des Kongo, die den europäischen Mächten im 17. Jahrhundert heldenhaft die Stirn boten, bis hin zu den ehemaligen Sklaven, die die Haitianer aus der Leibeigenschaft befreiten und dem Lauf der Geschichte eine andere Richtung gaben. Eine kraftvolle Neudeutung der Weltgeschichte, deren neues Verständnis unserer gemeinsamen Geschichte uns auffordert, sich dieser Vergangenheit zu stellen, um eine andere Zukunft gestalten zu können.
»Eine ebenso schmerzhafte wie notwendige Lektüre, die demütig werden lässt.« New York Times Book Review
»Howard Frenchs Buch ist die unglaublich wichtige Neuerzählung einer Geschichte, von der Afrika und die Afrikaner lange bewusst ausgeschlossen wurden: Das Buch macht ihre Rolle als Hauptakteure bei der Entstehung der Moderne sichtbar - eine unentbehrliche Lektüre für alle, die sich für Weltgeschichte interessieren.« Amitav Ghosh
»Ein Schwarzer Journalist deutet die moderne Geschichte neu, indem er Afrika den ihm zustehenden Platz im Zentrum des Geschehens zurückgibt ..." Kirkus
»Um die Welt zu verstehen, in der wir heute leben, ist dieses Buch unverzichtbar.« Sven Beckert, Autor von King Cotton. Eine Globalgeschichte des Kapitalismus
»... ein großartiges, eindringliches und packendes Buch ... Es ist keine angenehme oder tröstende Lektüre, aber es ist wunderbar geschrieben, ein wahres Meisterwerk.« The Observer
»Eine packende ... Darstellung der grausamen Ursprünge der globalen Wirtschaft.«, Publishers Weekly
»Die lang nachhallende Wirkung dieser atemberaubenden Arbeit auf die gängige Darstellung afrikanischer und afroamerikanischer Geschichte kann man mit Worten kaum beschreiben ... Absolut empfehlenswert!«, Monique Martinez, Library Journal
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Renate Kraft lobt die überfällige Korrektur der Geschichtsschreibung, die Howard W. French in seinem Buch vornimmt: Nicht der globale Norden mit seiner vermeintlichen Entdeckerlust und -kompetenz gehöre in den historiografischen Fokus, sondern der afrikanische Kontinent und seine Ressourcen - Gold und menschliche Arbeitskraft -, die ausgebeutet wurden und den "Aufstieg" Europas und Amerikas erst ermöglichten, gibt Kraft wieder. Wie der New York Times-Korrespondent und Journalistik-Professor die Entwicklung des Sklavenhandels nachzeichnet und die unmenschlichen Zustände auf den Plantagen beschreibt, mit neuen Forschungsergebnissen und "guten Argumenten", findet die Kritikerin lehrreich und "außerordentlich lesbar" geschrieben. Auch, dass Statistiken auf "eingängige" Informationen heruntergebrochen werden, fällt ihr positiv auf. Inhaltlich hätte sie gerne noch etwas über die "spezielle" Ausbeutung weiblicher Sklaven gelesen, und dass French sich am Ende des Buchs auf eine Forderung nach Anerkennung und wirtschaftliche Unterstützung der afrikanischen Staaten beschränkt, greift ihr zu kurz. Insgesamt aber eine gelungene Darstellung, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2023Keine Moderne ohne verschleppte Sklaven
Howard W. French zeigt, dass sich der Aufstieg des Westens zu einem großen Teil der Ausbeutung Afrikas verdankt
Der 18. Juli 1324 war einer der wichtigsten Momente in der Entstehung der atlantischen Welt. Diese zunächst kühn anmutende These vertritt Howard French in seiner Darstellung der zentralen, oft jedoch absichtlich marginalisierten Rolle Afrikas und von Afrikanern bei der Entstehung von Wirtschaftssystemen und politischem Denken unserer modernen Welt. Warum dieses Datum? An diesem Tag zog Mansa Musa, der Herrscher des westafrikanischen Reiches Mali, mit einer Entourage von sechzigtausend Männern, darunter zwölftausend Sklaven, im Zuge seiner Pilgerreise nach Mekka in Kairo ein. Die Menge an hochreinem Gold, die Musa auf dieser Tour mit sich führte, schätzen einige Historiker auf bis zu achtzehn Tonnen. Überall auf seinem Weg verteilte er Goldgeschenke an Arm und Reich, offenbar mit dem Ziel, Aufsehen zu erregen und der Welt Malis Herrlichkeit zu signalisieren.
French, langjähriger Korrespondent der "New York Times" in Afrika, der Karibik und Ostasien, Sachbuchautor, politischer Kommentator und seit einigen Jahren Journalistik-Professor an der New Yorker Columbia-Universität, legt dar, dass sich Berichte über diesen Auftritt des malischen Herrschers in Ägypten erstaunlich schnell verbreiteten. Bereits Ende der 1320er-Jahre waren in Europa Karten im Umlauf, die von der Existenz eines Reiches mit gewaltigen Goldvorkommen namens Mali kündeten. Zudem zeitigte die Reise "gewaltige, unbeabsichtigte Folgen". So habe Musas "übermäßiger Einsatz von Sklaven" ebenso wie "sein angeberischer Umgang mit Gold" in Teilen Europas, und nicht zuletzt in Portugal, den Ruf des subsaharischen Afrikas als einer Region untermauert, welche über große Mengen Gold verfügte und eine scheinbar unermessliche Quelle für Arbeitskraft darstellte.
Nicht die Sehnsucht nach Verbindungen mit Asien bildete daher den Impetus für die Schaffung europäischer Weltreiche, sondern das Verlangen, Handelsbeziehungen mit diesen sagenumwoben reichen schwarzen Gesellschaften zu etablieren. Entlang der Westküste Afrikas perfektionierten Europäer Techniken der Kartographie und Navigation, testeten und verbesserten das Design ihrer Schiffe. Seeleute lernten, die Winde des atlantischen Ozeans besser einzuschätzen.
Madeira und die Kanaren dienten gleichsam als Labor, in dem Europäer das logistische und agrartechnische Know-how akkumulierten, das ihnen in den folgenden Jahrhunderten die Ausbeutung des amerikanischen Kontinents erleichtern sollte. Denn wie bald darauf in den brasilianischen, karibischen und nordamerikanischen Plantagenkolonien wurde hier die Arbeitskraft für die mit großem Kapitaleinsatz eingerichtete, exportorientierte Agrarproduktion durch Versklavung von Einheimischen und zunehmend von Afrikanern sichergestellt.
Die nachhaltigsten Konsequenzen dieser Entwicklung hatten die Gesellschaften in Afrika zu tragen. Auf die verheerenden Folgen des Aderlasses von weit mehr als zwölf Millionen Menschen, die bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein über den Atlantik verschleppt wurden, um in der Neuen Welt als Sklaven zu schuften, geht French ausführlich ein. Besonderen Nachdruck legt er darauf, zu zeigen, wie stark der wirtschaftliche Aufstieg Europas, die Verankerung demokratischer Strukturen im nordatlantischen Raum und die Umsetzung der Ideale der Aufklärung aus dem dehumanisierenden Umgang Europas mit Afrika hervorgingen.
Zugleich verschließt der Autor nicht die Augen vor der Komplizenschaft zahlreicher afrikanischer Herrscher im Sklavenhandel. So berichtet er etwa von wichtigen einheimischen politischen Persönlichkeiten im Königreich Kongo im siebzehnten Jahrhundert, die "schon mal 400 oder mehr Sklaven pro Jahr verkaufen, nur um sich mit ausreichend Rum einzudecken, der pikanterweise von gefangenen Afrikanern in Brasilien hergestellt worden war."
An seiner zentralen These ändern diese kritischen Bemerkungen freilich nichts: Aus Afrika verschleppte Sklaven und ihre Arbeitskraft, argumentiert French, bildeten den Angelpunkt der Moderne. Denn die Afrikaner, die auf den Plantagen in den Amerikas schufteten, "trugen mehr als jeder andere Faktor" dazu bei, die Neue Welt wirtschaftlich tragfähig zu machen. "Auf der Grundlage ihrer Stärke und ihres Willens, die Schrecken der Sklaverei zu ertragen und zu überleben", schreibt er weiter, fuße "ein großer Teil des Reichtums und der Macht des Kapitalismus der westlichen Welt" - ein in der Geschichtsschreibung wie in der allgemeinen Wahrnehmung Afrikas noch immer gerne ignoriertes Faktum.
Europa habe jedenfalls keinen Grund, so French, selbstgefällig auf irgendwelche besonderen Eigenschaften zu verweisen, welche den Vorsprung vor anderen Weltregionen erklären könnten. Vielmehr überquerten seine Nationen den Atlantik zu einem besonders günstigen Zeitpunkt und veränderten das Leben an den gegenüberliegenden Küsten vor allem "dank des unverzichtbaren Beitrags der Afrikaner".
Der Autor greift hier eine seit W. E. B. Du Bois in der Historiographie immer wieder geäußerte Auffassung auf, die seit einigen Jahren auf gesellschaftspolitischer Ebene durch den fortgesetzten und sich zum Teil verstärkenden Rassismus und den intensivierten Kampf dagegen zusätzliche Dynamik erfährt. Neben Klassikern wie Eric Williams, C. L. R. James und Walter Rodney kann French überdies aus einer Fülle neuerer Studien schöpfen, die auf der Grundlage aktueller Quellenfunde nicht nur die - bisher viel zu klein geschriebene - Rolle Portugals als Motor der Moderne im atlantischen Raum betonen, sondern vor allem hervorheben, wie bedeutend Afrikas Rohstoffe und Manpower für die Entstehung und Geschichte des Kapitalismus waren.
Für Spezialisten mögen dies zwar keine neuen Nachrichten sein. Frenchs höchst kenntnisreiches, elegant und eindringlich geschriebenes, mit persönlichen Erfahrungen aufgelockertes Buch eröffnet jedoch erstmals eine provokante wie plausible Perspektive auf die Weltgeschichte für ein größeres Lesepublikum. ANDREAS ECKERT
Howard W. French: "Afrika und die Entstehung der modernen Welt". Eine Globalgeschichte.
Aus dem Englischen von K. Schuler, A. Thomsen und T. Stauder. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023. 512 S., Abb., geb., 35,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Howard W. French zeigt, dass sich der Aufstieg des Westens zu einem großen Teil der Ausbeutung Afrikas verdankt
Der 18. Juli 1324 war einer der wichtigsten Momente in der Entstehung der atlantischen Welt. Diese zunächst kühn anmutende These vertritt Howard French in seiner Darstellung der zentralen, oft jedoch absichtlich marginalisierten Rolle Afrikas und von Afrikanern bei der Entstehung von Wirtschaftssystemen und politischem Denken unserer modernen Welt. Warum dieses Datum? An diesem Tag zog Mansa Musa, der Herrscher des westafrikanischen Reiches Mali, mit einer Entourage von sechzigtausend Männern, darunter zwölftausend Sklaven, im Zuge seiner Pilgerreise nach Mekka in Kairo ein. Die Menge an hochreinem Gold, die Musa auf dieser Tour mit sich führte, schätzen einige Historiker auf bis zu achtzehn Tonnen. Überall auf seinem Weg verteilte er Goldgeschenke an Arm und Reich, offenbar mit dem Ziel, Aufsehen zu erregen und der Welt Malis Herrlichkeit zu signalisieren.
French, langjähriger Korrespondent der "New York Times" in Afrika, der Karibik und Ostasien, Sachbuchautor, politischer Kommentator und seit einigen Jahren Journalistik-Professor an der New Yorker Columbia-Universität, legt dar, dass sich Berichte über diesen Auftritt des malischen Herrschers in Ägypten erstaunlich schnell verbreiteten. Bereits Ende der 1320er-Jahre waren in Europa Karten im Umlauf, die von der Existenz eines Reiches mit gewaltigen Goldvorkommen namens Mali kündeten. Zudem zeitigte die Reise "gewaltige, unbeabsichtigte Folgen". So habe Musas "übermäßiger Einsatz von Sklaven" ebenso wie "sein angeberischer Umgang mit Gold" in Teilen Europas, und nicht zuletzt in Portugal, den Ruf des subsaharischen Afrikas als einer Region untermauert, welche über große Mengen Gold verfügte und eine scheinbar unermessliche Quelle für Arbeitskraft darstellte.
Nicht die Sehnsucht nach Verbindungen mit Asien bildete daher den Impetus für die Schaffung europäischer Weltreiche, sondern das Verlangen, Handelsbeziehungen mit diesen sagenumwoben reichen schwarzen Gesellschaften zu etablieren. Entlang der Westküste Afrikas perfektionierten Europäer Techniken der Kartographie und Navigation, testeten und verbesserten das Design ihrer Schiffe. Seeleute lernten, die Winde des atlantischen Ozeans besser einzuschätzen.
Madeira und die Kanaren dienten gleichsam als Labor, in dem Europäer das logistische und agrartechnische Know-how akkumulierten, das ihnen in den folgenden Jahrhunderten die Ausbeutung des amerikanischen Kontinents erleichtern sollte. Denn wie bald darauf in den brasilianischen, karibischen und nordamerikanischen Plantagenkolonien wurde hier die Arbeitskraft für die mit großem Kapitaleinsatz eingerichtete, exportorientierte Agrarproduktion durch Versklavung von Einheimischen und zunehmend von Afrikanern sichergestellt.
Die nachhaltigsten Konsequenzen dieser Entwicklung hatten die Gesellschaften in Afrika zu tragen. Auf die verheerenden Folgen des Aderlasses von weit mehr als zwölf Millionen Menschen, die bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein über den Atlantik verschleppt wurden, um in der Neuen Welt als Sklaven zu schuften, geht French ausführlich ein. Besonderen Nachdruck legt er darauf, zu zeigen, wie stark der wirtschaftliche Aufstieg Europas, die Verankerung demokratischer Strukturen im nordatlantischen Raum und die Umsetzung der Ideale der Aufklärung aus dem dehumanisierenden Umgang Europas mit Afrika hervorgingen.
Zugleich verschließt der Autor nicht die Augen vor der Komplizenschaft zahlreicher afrikanischer Herrscher im Sklavenhandel. So berichtet er etwa von wichtigen einheimischen politischen Persönlichkeiten im Königreich Kongo im siebzehnten Jahrhundert, die "schon mal 400 oder mehr Sklaven pro Jahr verkaufen, nur um sich mit ausreichend Rum einzudecken, der pikanterweise von gefangenen Afrikanern in Brasilien hergestellt worden war."
An seiner zentralen These ändern diese kritischen Bemerkungen freilich nichts: Aus Afrika verschleppte Sklaven und ihre Arbeitskraft, argumentiert French, bildeten den Angelpunkt der Moderne. Denn die Afrikaner, die auf den Plantagen in den Amerikas schufteten, "trugen mehr als jeder andere Faktor" dazu bei, die Neue Welt wirtschaftlich tragfähig zu machen. "Auf der Grundlage ihrer Stärke und ihres Willens, die Schrecken der Sklaverei zu ertragen und zu überleben", schreibt er weiter, fuße "ein großer Teil des Reichtums und der Macht des Kapitalismus der westlichen Welt" - ein in der Geschichtsschreibung wie in der allgemeinen Wahrnehmung Afrikas noch immer gerne ignoriertes Faktum.
Europa habe jedenfalls keinen Grund, so French, selbstgefällig auf irgendwelche besonderen Eigenschaften zu verweisen, welche den Vorsprung vor anderen Weltregionen erklären könnten. Vielmehr überquerten seine Nationen den Atlantik zu einem besonders günstigen Zeitpunkt und veränderten das Leben an den gegenüberliegenden Küsten vor allem "dank des unverzichtbaren Beitrags der Afrikaner".
Der Autor greift hier eine seit W. E. B. Du Bois in der Historiographie immer wieder geäußerte Auffassung auf, die seit einigen Jahren auf gesellschaftspolitischer Ebene durch den fortgesetzten und sich zum Teil verstärkenden Rassismus und den intensivierten Kampf dagegen zusätzliche Dynamik erfährt. Neben Klassikern wie Eric Williams, C. L. R. James und Walter Rodney kann French überdies aus einer Fülle neuerer Studien schöpfen, die auf der Grundlage aktueller Quellenfunde nicht nur die - bisher viel zu klein geschriebene - Rolle Portugals als Motor der Moderne im atlantischen Raum betonen, sondern vor allem hervorheben, wie bedeutend Afrikas Rohstoffe und Manpower für die Entstehung und Geschichte des Kapitalismus waren.
Für Spezialisten mögen dies zwar keine neuen Nachrichten sein. Frenchs höchst kenntnisreiches, elegant und eindringlich geschriebenes, mit persönlichen Erfahrungen aufgelockertes Buch eröffnet jedoch erstmals eine provokante wie plausible Perspektive auf die Weltgeschichte für ein größeres Lesepublikum. ANDREAS ECKERT
Howard W. French: "Afrika und die Entstehung der modernen Welt". Eine Globalgeschichte.
Aus dem Englischen von K. Schuler, A. Thomsen und T. Stauder. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023. 512 S., Abb., geb., 35,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Das Buch ist hervorragend geschrieben [...]. Zweifellos eines der wichtigsten historisch-politischen Sachbücher des Jahres. Gleichzeitig eine Liebeserklärung an diesen vielgestaltigen Kontinent Afrika.« Manfred Keiper, Lesart, Ausgabe 03/2023 Manfred Keiper Lesart 20231001