Immer wieder zieht es den polnischen Journalisten Ryszard Kapuscinski nach Afrika, zu den Schauplätzen von Staatsgründungen, Putschen und Bürgerkriegen. Mehr als vierzig Jahre hat er den "Schwarzen Kontinent" bereist, seine Menschen erforscht und in seinen Reportagen beschrieben. Die Summe seiner Neugier, seiner Erfahrungen, seiner Faszination und seines ohnmächtigen Staunens über die gewaltigen Dimensionen Afrikas geben ein hautnahes Bild.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2008Afrikas labiler Aufschwung
Wer Afrika als den Kontinent des ewigen Elends abgeschrieben hat, kann sich bestätigt fühlen. Dieses Mal traf es Kenia: Dort brandschatzten machetenschwingende Banden, Dörfer standen in Flammen, Zehntausende Menschen waren auf der Flucht, nachdem im Dezember die Wahlen im Chaos endeten. Auch Simbabwe versinkt immer tiefer in der Krise. Der autoritäre Herrscher Robert Mugabe verschleppt die Veröffentlichung des Ergebnisses der jüngsten Präsidentschaftswahl – und klammert sich an seine Macht.
Ausgerechnet jetzt erscheint ein Buch, das Afrika als kommendes Wachstumswunder preist, als den „letzten weißen Fleck auf der Investmentlandkarte”. Der Autor Hartmut Sieper hat jahrelang im Finanzsektor gearbeitet und war im Vorstand einer Beteiligungsfirma tätig, die während der 90er Jahre in Osteuropa investierte. Sieper ist überzeugt: Der Aufschwung, den Polen, Tschechien und Lettland in den vergangenen zehn Jahren erlebten, wird sich in Nigeria, Kamerun, Kenia und anderen Staaten Afrikas wiederholen.
Tatsächlich hat sich die Lage fast aller afrikanischen Länder in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum auf dem Kontinent liegt bei mehr als fünf Prozent, die Inflation ist zurückgegangen und viele Länder haben ihre Verschuldung reduziert. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland stiegen in Afrika zuletzt schneller als in jeder anderen Weltregion. Doch der Aufschwung ist in Gefahr: Zu Wochenbeginn warnte etwa der Internationale Währungsfonds, dass die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen für Afrika zu scheitern drohten. Auch Hilfsorganisationen schlagen Alarm: Angesichts der horrend gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel könnten in den Elendsvierteln afrikanischer Städte schon bald Hungersnöte ausbrechen.
Sieper will von all dem nichts wissen. Er glaubt fest an die Entstehung einer kaufkräftigen afrikanischen Mittelschicht, die den Kontinent aus der Armut heben wird. Seinen Optimismus stützt er auf die stetig steigende Nachfrage der Industrie- und Schwellenländer nach den Rohstoffen, die in großen Mengen in der afrikanischen Erde lagern. Zudem würden viele Staaten Afrikas heute von kompetenten Regierungen geführt.
Es ist löblich, dass Sieper einen neuen Blick auf Afrika wagt, dass er Chancen sieht und das Potential eines Kontinents betont, der schon so oft niedergeschrieben wurde. Leider fehlt ihm ein klares Konzept. Er hält sich mit historischen Abrissen auf, schweift in Betrachtungen über die Mentalität der Afrikaner ab. Obwohl das Buch penibel wie eine Diplomarbeit gegliedert ist, verliert der Leser schnell den Faden. Gravierender noch: Sieper lässt sich von seiner Zuversicht blenden. Der Glaube, dass Afrika das osteuropäische Wirtschaftswunder kopieren könne, ist naiv. Die Länder Osteuropas hatten bereits eine industrielle Basis, eine Infrastruktur und eine gut ausgebildete Bevölkerung, als sie ihren Aufholprozess starteten. All das muss in den meisten afrikanischen Staaten erst noch entstehen.
Wer das Wagnis Afrika dennoch eingehen will, wird in Siepers Buch nützliche Passagen finden. Einige Kapitel können als Kompass dienen, mit dem man sich auf den unübersichtlichen afrikanischen Kapitalmärkten zurechtfinden kann. Sieper zeigt, welche Länder über Börsen verfügen, welche Branchen die besten Aussichten haben und wie man mit Aktien, Fonds und Zertifikaten auch als Privatinvestor an der Wirtschaftsentwicklung teilhaben kann. Doch jeder, der sein Geld in Afrika anlegen möchte, sollte sich die Risiken bewusst machen, die Sieper kleinredet. Moritz Koch
Zum Thema
Afrikanisches Fieber
Ryszard Kapuscinski: Afrikanisches Fieber. Erfahrungen aus vierzig Jahren, Piper, München 2007, 336 Seiten, 9,00 Euro.
Kaum jemand hat auf seinen Reisen durch Afrika so viel erlebt wie der politische Journalist Kapuscinski. Und kaum einer kann besser erklären, warum Afrikas Entwicklung bisher gescheitert ist.
Wir retten die Welt zu Tode
William Easterly: Wir retten die Welt zu Tode. Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut, Campus-Verlag, Frankfurt 2006, 338 Seiten, 24,90 Euro.
Der frühere Weltbank-Ökonom Easterly fordert weniger Entwicklungshilfe und mehr privates Engagement für Afrika.
Hartmut Sieper: Investieren in Afrika. Profitieren auch Sie vom Reichtum des schwarzen Kontinents. Finanzbuch Verlag, München 2008, 483 Seiten, 29,90 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Wer Afrika als den Kontinent des ewigen Elends abgeschrieben hat, kann sich bestätigt fühlen. Dieses Mal traf es Kenia: Dort brandschatzten machetenschwingende Banden, Dörfer standen in Flammen, Zehntausende Menschen waren auf der Flucht, nachdem im Dezember die Wahlen im Chaos endeten. Auch Simbabwe versinkt immer tiefer in der Krise. Der autoritäre Herrscher Robert Mugabe verschleppt die Veröffentlichung des Ergebnisses der jüngsten Präsidentschaftswahl – und klammert sich an seine Macht.
Ausgerechnet jetzt erscheint ein Buch, das Afrika als kommendes Wachstumswunder preist, als den „letzten weißen Fleck auf der Investmentlandkarte”. Der Autor Hartmut Sieper hat jahrelang im Finanzsektor gearbeitet und war im Vorstand einer Beteiligungsfirma tätig, die während der 90er Jahre in Osteuropa investierte. Sieper ist überzeugt: Der Aufschwung, den Polen, Tschechien und Lettland in den vergangenen zehn Jahren erlebten, wird sich in Nigeria, Kamerun, Kenia und anderen Staaten Afrikas wiederholen.
Tatsächlich hat sich die Lage fast aller afrikanischen Länder in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum auf dem Kontinent liegt bei mehr als fünf Prozent, die Inflation ist zurückgegangen und viele Länder haben ihre Verschuldung reduziert. Die Direktinvestitionen aus dem Ausland stiegen in Afrika zuletzt schneller als in jeder anderen Weltregion. Doch der Aufschwung ist in Gefahr: Zu Wochenbeginn warnte etwa der Internationale Währungsfonds, dass die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen für Afrika zu scheitern drohten. Auch Hilfsorganisationen schlagen Alarm: Angesichts der horrend gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel könnten in den Elendsvierteln afrikanischer Städte schon bald Hungersnöte ausbrechen.
Sieper will von all dem nichts wissen. Er glaubt fest an die Entstehung einer kaufkräftigen afrikanischen Mittelschicht, die den Kontinent aus der Armut heben wird. Seinen Optimismus stützt er auf die stetig steigende Nachfrage der Industrie- und Schwellenländer nach den Rohstoffen, die in großen Mengen in der afrikanischen Erde lagern. Zudem würden viele Staaten Afrikas heute von kompetenten Regierungen geführt.
Es ist löblich, dass Sieper einen neuen Blick auf Afrika wagt, dass er Chancen sieht und das Potential eines Kontinents betont, der schon so oft niedergeschrieben wurde. Leider fehlt ihm ein klares Konzept. Er hält sich mit historischen Abrissen auf, schweift in Betrachtungen über die Mentalität der Afrikaner ab. Obwohl das Buch penibel wie eine Diplomarbeit gegliedert ist, verliert der Leser schnell den Faden. Gravierender noch: Sieper lässt sich von seiner Zuversicht blenden. Der Glaube, dass Afrika das osteuropäische Wirtschaftswunder kopieren könne, ist naiv. Die Länder Osteuropas hatten bereits eine industrielle Basis, eine Infrastruktur und eine gut ausgebildete Bevölkerung, als sie ihren Aufholprozess starteten. All das muss in den meisten afrikanischen Staaten erst noch entstehen.
Wer das Wagnis Afrika dennoch eingehen will, wird in Siepers Buch nützliche Passagen finden. Einige Kapitel können als Kompass dienen, mit dem man sich auf den unübersichtlichen afrikanischen Kapitalmärkten zurechtfinden kann. Sieper zeigt, welche Länder über Börsen verfügen, welche Branchen die besten Aussichten haben und wie man mit Aktien, Fonds und Zertifikaten auch als Privatinvestor an der Wirtschaftsentwicklung teilhaben kann. Doch jeder, der sein Geld in Afrika anlegen möchte, sollte sich die Risiken bewusst machen, die Sieper kleinredet. Moritz Koch
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Afrikanisches Fieber
Ryszard Kapuscinski: Afrikanisches Fieber. Erfahrungen aus vierzig Jahren, Piper, München 2007, 336 Seiten, 9,00 Euro.
Kaum jemand hat auf seinen Reisen durch Afrika so viel erlebt wie der politische Journalist Kapuscinski. Und kaum einer kann besser erklären, warum Afrikas Entwicklung bisher gescheitert ist.
Wir retten die Welt zu Tode
William Easterly: Wir retten die Welt zu Tode. Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut, Campus-Verlag, Frankfurt 2006, 338 Seiten, 24,90 Euro.
Der frühere Weltbank-Ökonom Easterly fordert weniger Entwicklungshilfe und mehr privates Engagement für Afrika.
Hartmut Sieper: Investieren in Afrika. Profitieren auch Sie vom Reichtum des schwarzen Kontinents. Finanzbuch Verlag, München 2008, 483 Seiten, 29,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.1999Ferne
"Afrikanisches Fieber" von Ryszard Kapuciski. Erschienen in der Reihe: "Die andere Bibliothek". Eichborn Verlag, Frankfurt 1999. 324 Seiten. Gebunden, 49,50 Mark. ISBN 3-8218-4177-X.
So viel vorweg: Die aufregendsten und anregendsten, zudem am schönsten gestalteten Reisebücher erscheinen fern der prominenten Länderreihen und fast ein wenig versteckt in der "Anderen Bibliothek". Der jüngste Band bestätigt diese Erfahrung - Ryszard Kapuciskis Einblicke in die Geschichte, die Politik und vor allem den Alltag Afrikas. Seit 1958 besucht der polnische Journalist und Schriftsteller regelmäßig jenen Kontinent, der gewöhnlich der "schwarze" genannt wird und zugleich wie kein anderer noch immer als weißer Fleck auf der Weltkarte gilt; insgesamt fünfzehn Jahre verbrachte er dort als akkreditierter Korrespondent der polnischen Nachrichentenagentur PAP. "Afrikanisches Fieber" als die Bilanz seiner Erkenntnisse zu bezeichnen träfe das Wesen und verfehlte doch den Kern des Buchs. Denn Kapuciski tritt, und dies ist der eigentliche Wert, seinen scharfsichtigen Analysen politischer Umwälzungen immer wieder als temperamentvoller Erzähler in den Weg, der sich oft in aberwitzigen Assoziationsketten zu verlieren droht und bisweilen erst sehr spät den Faden wieder aufnimmt. Doch letztlich ist dieser Faden ohnedies sein unbestechlicher Blick auf Details. Wie ein Seismograph registriert Kapuciski noch die geringsten Regungen. Und prompt genügt ihm ein Schlagloch in der Straße nach Onitsha, um das Funktionieren einer ganzen Gesellschaft zu erläutern. Er verdeutlicht den langsamen afrikanischen Lebensrhythmus am Beispiel eines Tages in Abdallah Wallo. Oder er legt den Stolz hinter dem augenscheinlich ärmlichen Leben somalischer Nomaden bloß. Dazu begleitet er diese Menschen so lange, bis sie ihm keine Fremden mehr sind, macht mit ihnen durch, was sie durchmachen. Hunger, Krankheit und Lethargie werden ihm deshalb keineswegs zur Qual, sondern sind ihm Schlüssel zum Verständnis. (F.L.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Afrikanisches Fieber" von Ryszard Kapuciski. Erschienen in der Reihe: "Die andere Bibliothek". Eichborn Verlag, Frankfurt 1999. 324 Seiten. Gebunden, 49,50 Mark. ISBN 3-8218-4177-X.
So viel vorweg: Die aufregendsten und anregendsten, zudem am schönsten gestalteten Reisebücher erscheinen fern der prominenten Länderreihen und fast ein wenig versteckt in der "Anderen Bibliothek". Der jüngste Band bestätigt diese Erfahrung - Ryszard Kapuciskis Einblicke in die Geschichte, die Politik und vor allem den Alltag Afrikas. Seit 1958 besucht der polnische Journalist und Schriftsteller regelmäßig jenen Kontinent, der gewöhnlich der "schwarze" genannt wird und zugleich wie kein anderer noch immer als weißer Fleck auf der Weltkarte gilt; insgesamt fünfzehn Jahre verbrachte er dort als akkreditierter Korrespondent der polnischen Nachrichentenagentur PAP. "Afrikanisches Fieber" als die Bilanz seiner Erkenntnisse zu bezeichnen träfe das Wesen und verfehlte doch den Kern des Buchs. Denn Kapuciski tritt, und dies ist der eigentliche Wert, seinen scharfsichtigen Analysen politischer Umwälzungen immer wieder als temperamentvoller Erzähler in den Weg, der sich oft in aberwitzigen Assoziationsketten zu verlieren droht und bisweilen erst sehr spät den Faden wieder aufnimmt. Doch letztlich ist dieser Faden ohnedies sein unbestechlicher Blick auf Details. Wie ein Seismograph registriert Kapuciski noch die geringsten Regungen. Und prompt genügt ihm ein Schlagloch in der Straße nach Onitsha, um das Funktionieren einer ganzen Gesellschaft zu erläutern. Er verdeutlicht den langsamen afrikanischen Lebensrhythmus am Beispiel eines Tages in Abdallah Wallo. Oder er legt den Stolz hinter dem augenscheinlich ärmlichen Leben somalischer Nomaden bloß. Dazu begleitet er diese Menschen so lange, bis sie ihm keine Fremden mehr sind, macht mit ihnen durch, was sie durchmachen. Hunger, Krankheit und Lethargie werden ihm deshalb keineswegs zur Qual, sondern sind ihm Schlüssel zum Verständnis. (F.L.)
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"Erlebnis-Journalismus in seiner spannendsten und dichtesten Form." (Süddeutsche Zeitung)"Kapuscinski hat mit seinem zärtlich komponierten Buch dem Kontinent die ihm gebührende Sprache gegeben." (Die Welt)