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The fall of the Berlin Wall in 1989 was the beginning of one of the most interesting natural experiments in recent history. The East German transition from a Communist state to part of the Federal Republic of Germany abruptly created a new social order as old institutions were abolished and new counterparts imported. This unique situation provides an exceptional opportunity to examine the central tenets of life course sociology. >

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Produktbeschreibung
The fall of the Berlin Wall in 1989 was the beginning of one of the most interesting natural experiments in recent history. The East German transition from a Communist state to part of the Federal Republic of Germany abruptly created a new social order as old institutions were abolished and new counterparts imported. This unique situation provides an exceptional opportunity to examine the central tenets of life course sociology. >
Autorenporträt
Martin Diewald is Professor of Sociology at the University of Bielefeld, Germany. Anne Goedicke is Assistant Professor of Sociology at the University of Duisburg-Essen, Germany. Karl Ulrich Mayer is Chair of the Department of Sociology and Director of the Center for Research on Inequalities and the Life Course (CIQLE) at Yale University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2007

Zu viel auf einmal
Lebensverlaufsforschung über den Wandlungsprozess in den neuen Ländern nach dem Fall der Mauer

Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung markieren einen der abruptesten und tiefsten Brüche der deutschen Geschichte. Er liegt inzwischen beinahe zwanzig Jahre zurück, und die Transformation von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft der ehemaligen DDR hat sich zu einer Daueraufgabe in Deutschland entwickelt, die das Land länger und in größerem Umfang in Anspruch nimmt als ursprünglich gedacht. Eine Bestandsaufnahme dieser Prozesse im größeren zeitlichen Rahmen des wiedervereinigten Deutschlands - und somit weiter gespannt, als es gegenwartsorientierte soziologische Untersuchungen zumeist tun - ist das Anliegen eines Sammelbandes, der zugleich Fragen und Themen der Zeitgeschichtsforschung berührt. Die englischsprachige Publikation geht aus einem deutschen Projekt hervor: der soziologischen Lebensverlaufsforschung, die bis 2005 im Forschungsbereich "Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Entwicklung" am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung betrieben worden ist.

Die "Deutsche Lebensverlaufsstudie" hat seit 1979 statistisch quantifizierte, nach Alterskohorten sortierte Daten über die Lebensläufe von etwa 11 400 Frauen und Männern erhoben, darunter seit 1990 auch von etwa 2900 Ostdeutschen, um die es in diesem Buch geht. Die Lebensverlaufsforschung zielt auf die Verbindung und die Wechselwirkung zwischen der Mikroebene der Muster individueller Lebensläufe und der Makroebene institutioneller, materieller und politischer Strukturen. Der ebenso schnelle wie grundlegende institutionelle Wandel durch die Wiedervereinigung eröffnet der Lebensverlaufsforschung eine Fülle von Fragen: nach Kontinuitäten und Brüchen der Lebensmuster von Männern und Frauen, nach Gewinnern und Verlierern und ganz grundsätzlich nach dem Verhältnis von "Kräften außerhalb ihres Einflusses und ihrer Kontrolle" einerseits und "persönlichen Anlagen, Mustern der Entscheidungsfindung, Mentalitäten und Motiven" andererseits für die Lebensverläufe. Schließlich geht es darum, ob die Ergebnisse des Wiedervereinigungsprozesses als "Erfolg" oder als "Katastrophe" aufzufassen sind. Dies ist nicht nur eine in dieser Zuspitzung allzu unhistorische Fragestellung, wie überhaupt die Expertise der Zeitgeschichtsschreibung, etwa in Passagen über die Gesellschaft der DDR, bestenfalls rudimentär berücksichtigt wird.

Der Band will mit seinen "multiplen Perspektiven" zu viel auf einmal, und darüber geht empirisch fundierte Tiefenschärfe verloren. Dazu zählt auch, dass die ostdeutschen Lebensläufe nicht danach unterschieden werden, ob die Befragten nach 1990 in die alten Länder gezogen oder in den neuen geblieben sind, was einen nicht unerheblichen Unterschied ausmacht. Und da die Daten im Zeitraum zwischen 1991 und 1997/98 erhoben wurden, kann das Projekt empirisch fundierte Aussagen nur für das erste Jahrsiebt des vereinigten Deutschlands beanspruchen. Die Reichweite geht jedoch darüber hinaus, und dabei ist nicht immer klar, welche Ergebnisse der konkreten Lebensverlaufsforschung und welche der allgemeinen Sozialstatistik entstammen. In diesem Rahmen steuert der systematisch aufgebaute Band freilich vielfältige, wenn auch keineswegs immer überraschende oder neue Ergebnisse aus der Sicht der Betroffenen bei. Trotz aller Reflexionen über die Wechselwirkungen zwischen Makro- und Mikroebene verwundert es nicht, dass in dem fundamentalen Wandlungsprozess der Druck der institutionellen Faktoren gegenüber den individuellen Gestaltungsoptionen dominierte. Dies gilt natürlich in erster Linie für die Arbeitswelt und für die Sozialstruktur. Es war vor allem der Deindustrialisierungsschock, der bis Mitte 1992 die Bahn ebnete, in der sich die weitere Entwicklung dann pfadabhängiger vollzog. Betroffen war in erster Linie die Beschäftigtenstruktur, in der ein extrem hohes (und für die Ostdeutschen zuvor weithin unbekanntes) Maß an Fluktuation zwischen einzelnen Arbeitsverhältnissen und die - dann permanent hohe - Arbeitslosigkeit herrschten. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt hingen von den Kriterien Ausbildung beziehungsweise Qualifikation, Alter und Geschlecht ab, die sich wechselseitig verstärkten. Für un- und angelernte ältere Frauen waren die Chancen am schlechtesten. Der Faktor Geschlecht wird zu Recht hervorgehoben, bleibt jedoch ein wenig unscharf - zumal von einem Ausgangspunkt höherer Geschlechtergleichheit auf dem Arbeitsmarkt der DDR nur im Hinblick auf die rein formale Kategorie der Vollerwerbstätigkeit die Rede sein kann.

Die Generation der über 54-Jährigen (die Geburtsjahrgänge bis 1935) war allgemein am stärksten von Arbeitslosigkeit betroffen, wurde jedoch durch umfangreiche Möglichkeiten der Frühverrentung aufgefangen. Benachteiligt waren demgegenüber die zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 45- bis 54-Jährigen, die schon in der DDR von einer rückläufigen Aufstiegsmobilität betroffen gewesen und nun zu jung für die Frührente und zu alt für eine zukunftsträchtige Anpassung an den neuen Arbeitsmarkt waren. Die eigentlichen Verlierer in Ostdeutschland waren somit die zwischen 1935 und 1945 Geborenen, die im Westen, ganz im Gegensatz dazu, die "goldene Generation" der alten Bundesrepublik stellten.

Für die ausbleibende Ausbildung einer selbsttragenden Wirtschaft in den neuen Ländern machen die Autoren - eher freihändig und über ihren empirisch fundierten Untersuchungsgegenstand hinaus - weniger die Persistenz sozialkultureller Dispositionen verantwortlich, sondern vielmehr die Mängel der importierten, ihrerseits reformbedürftigen Wirtschafts- und Sozialordnung der alten Bundesrepublik mit der Folge mangelnder Flexibilität und Dynamik, übrigens in Gesamtdeutschland. Alles in allem bewerten sie die Transformation in Ostdeutschland "bestenfalls als Teilerfolg". Für die Geschichtsschreibung ist ein solcher Befund keine wirkliche Überraschung, kennt sie doch das Komplexe, das Ambivalente und Widersprüchliche zu allen Zeiten als das eigentlich Historische. Gerade für die jüngste Zeitgeschichte ist die Expertise der sozialwissenschaftlichen Forschung unverzichtbar. Umgekehrt tut aber auch diese gut daran, über den Zaun der eigenen Disziplin in Nachbars Garten zu schauen.

ANDREAS RÖDDER

Martin Diewald/Anne Goedicke/Karl Ulrich Mayer (Herausgeber): After the Fall of the Wall. Life Courses and the Transformation of East Germany. Stanford University Press, Stanford 2006. 380 S., 65,- $.

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