A teenager's world comes to an end in a devastating confrontation between the cult she grew up in and the forces of the U.S. government inspired by the Waco siege of 1993. "Genuinely differentEthrilling and spellbinding!"--Patrick Ness, #1 "New York Times"-bestselling author.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.09.2020Wahrheit oder Lüge
Die Geschichte einer Jugendlichen, die in der Gemeinde eines verbrecherischen Gurus lebt
und das grausame Ende seiner Anhänger überlebt
VON FRITZ GÖTTLER
Es ist ein schwieriges, wochenlanges Ringen, um das, was man Wahrheit nennt, verständnisvoll und geduldig, aber beharrlich, manchmal schmerzhaft, manchmal trotzig. Ein Ringen zwischen dem Doktor Robert Hernandez, Leiter der Kinderpsychiatrie an der Uniklinik Austin, und dem Mädchen Moonbeam, das kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag steht und Schreckliches erlebt hat – manches davon will es unbedingt verschweigen, um sich selbst zu schützen. Später kommt noch Agent Carlyle dazu bei den Befragungen, vom FBI, die beiden Männer wollen Moonbeam helfen bei der Bewältigung ihres Traumas
– und klären, was sich auf dem abgeschotteten Gelände der Legion Gottes, einer radikalen Religionsgemeinschaft, abgespielt hat, der Moonbeam lange angehörte und der sie sich dann doch entfremdete. Was ihre Rolle war an dem Tag, als die Polizei das Gelände stürmte nahe der texanischen Stadt Layfield, gegründet 1895, 2147 Einwohner.
Ein wirkliches Geschehen hat den Autor Will Hill zu diesem Buch angeregt, die Belagerung und das Massaker von Waco in Texas, der Sekte des fanatischen Propheten David Koresh, 82 Mitglieder und vier Polizisten wurden hier am 19. April 1993 getötet. Mit dem Blutbad von Layfield fängt dann der Roman an, mitten im Endkampf, den der Führer der Basis, Father John, immer prophezeite und auf den er seine Gläubigen vorbereitet hatte. Der Kampf der wahren Gläubigen gegen die Diener der Schlange – die Polizei, die Geschäftsleute, der Staat, die Außenwelt, die amerikanische Gesellschaft. Father John lässt an die Mitglieder Waffen ausgeben und ruft sie zum erbitterten Widerstand auf. Totales Chaos, Schüsse, Panzer, Schreie durchs Megafon, Brand und Rauch … Moonbeam macht sich selbst heftige Vorwürfe, die ganze Therapie hindurch, dass durch ihre Taten dieser Sturm ausgelöst wurde und viele Kinder die Eltern verloren haben.
Das Buch nimmt sich viel Zeit für das Leben in der Sekte – um die bedingungslose Gläubigkeit zu begreifen, die Radikalisierung zu schildern, die das Leben auf dem abgeschlossenen Gelände erfährt, jenen Punkt spürbar zu machen, an dem die christlichen Werte böse herabgesetzt werden. Tägliche harte Arbeit, Schieß- und Kampftraining, Gebet und Gehorsam, ohne Hinterfragen und Widerspruch, kein Kontakt zur Außenwelt. Father John ist eine charismatische Gestalt, in seiner Cowboykluft – graues Hemd, Jeans, Stiefel –, mit grünen Augen und langem schwarzen Haar. Er ist es auch, der für die Fortpflanzung der Gemeinde sorgt, er allein schwängert die Frauen der Gemeinschaft.
Das Buch ist die faszinierende Studie eines totalitären Systems von innen her, viele der rhetorischen Sprüche des Propheten ähneln denen, die man heute auf radikalen Demonstrationen auch bei uns zu hören kriegt, mit entsprechender heilsgeschichtlicher Aura. So viele Tote, zieht am Ende Agent Carlyle die Bilanz: „So viele zerstörte Leben und wofür? Nur damit ein kleiner Mensch auf einem Stück Wüste König über andere Menschen sein konnte, die verzweifelt an etwas glauben wollten.“
Man spürt, dass diese Formel nie der Komplexität des erzählten Geschehens gerecht werden kann. Und Moonbeam glaubt nicht mehr an die Eindeutigkeit der Welt, an die schwarze dicke Grenze zwischen Wahrheit und Lüge. Das Trauma wird Teil auch ihres künftigen Lebens bleiben, zwischen Erinnern und Vergessen.
Will Hill: After the Fire. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Ströhle. dtv, München 2020. 475 Seiten, 15,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die Geschichte einer Jugendlichen, die in der Gemeinde eines verbrecherischen Gurus lebt
und das grausame Ende seiner Anhänger überlebt
VON FRITZ GÖTTLER
Es ist ein schwieriges, wochenlanges Ringen, um das, was man Wahrheit nennt, verständnisvoll und geduldig, aber beharrlich, manchmal schmerzhaft, manchmal trotzig. Ein Ringen zwischen dem Doktor Robert Hernandez, Leiter der Kinderpsychiatrie an der Uniklinik Austin, und dem Mädchen Moonbeam, das kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag steht und Schreckliches erlebt hat – manches davon will es unbedingt verschweigen, um sich selbst zu schützen. Später kommt noch Agent Carlyle dazu bei den Befragungen, vom FBI, die beiden Männer wollen Moonbeam helfen bei der Bewältigung ihres Traumas
– und klären, was sich auf dem abgeschotteten Gelände der Legion Gottes, einer radikalen Religionsgemeinschaft, abgespielt hat, der Moonbeam lange angehörte und der sie sich dann doch entfremdete. Was ihre Rolle war an dem Tag, als die Polizei das Gelände stürmte nahe der texanischen Stadt Layfield, gegründet 1895, 2147 Einwohner.
Ein wirkliches Geschehen hat den Autor Will Hill zu diesem Buch angeregt, die Belagerung und das Massaker von Waco in Texas, der Sekte des fanatischen Propheten David Koresh, 82 Mitglieder und vier Polizisten wurden hier am 19. April 1993 getötet. Mit dem Blutbad von Layfield fängt dann der Roman an, mitten im Endkampf, den der Führer der Basis, Father John, immer prophezeite und auf den er seine Gläubigen vorbereitet hatte. Der Kampf der wahren Gläubigen gegen die Diener der Schlange – die Polizei, die Geschäftsleute, der Staat, die Außenwelt, die amerikanische Gesellschaft. Father John lässt an die Mitglieder Waffen ausgeben und ruft sie zum erbitterten Widerstand auf. Totales Chaos, Schüsse, Panzer, Schreie durchs Megafon, Brand und Rauch … Moonbeam macht sich selbst heftige Vorwürfe, die ganze Therapie hindurch, dass durch ihre Taten dieser Sturm ausgelöst wurde und viele Kinder die Eltern verloren haben.
Das Buch nimmt sich viel Zeit für das Leben in der Sekte – um die bedingungslose Gläubigkeit zu begreifen, die Radikalisierung zu schildern, die das Leben auf dem abgeschlossenen Gelände erfährt, jenen Punkt spürbar zu machen, an dem die christlichen Werte böse herabgesetzt werden. Tägliche harte Arbeit, Schieß- und Kampftraining, Gebet und Gehorsam, ohne Hinterfragen und Widerspruch, kein Kontakt zur Außenwelt. Father John ist eine charismatische Gestalt, in seiner Cowboykluft – graues Hemd, Jeans, Stiefel –, mit grünen Augen und langem schwarzen Haar. Er ist es auch, der für die Fortpflanzung der Gemeinde sorgt, er allein schwängert die Frauen der Gemeinschaft.
Das Buch ist die faszinierende Studie eines totalitären Systems von innen her, viele der rhetorischen Sprüche des Propheten ähneln denen, die man heute auf radikalen Demonstrationen auch bei uns zu hören kriegt, mit entsprechender heilsgeschichtlicher Aura. So viele Tote, zieht am Ende Agent Carlyle die Bilanz: „So viele zerstörte Leben und wofür? Nur damit ein kleiner Mensch auf einem Stück Wüste König über andere Menschen sein konnte, die verzweifelt an etwas glauben wollten.“
Man spürt, dass diese Formel nie der Komplexität des erzählten Geschehens gerecht werden kann. Und Moonbeam glaubt nicht mehr an die Eindeutigkeit der Welt, an die schwarze dicke Grenze zwischen Wahrheit und Lüge. Das Trauma wird Teil auch ihres künftigen Lebens bleiben, zwischen Erinnern und Vergessen.
Will Hill: After the Fire. Roman. Aus dem Englischen von Wolfgang Ströhle. dtv, München 2020. 475 Seiten, 15,95 Euro.
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