Lizzy überlebt den Terroranschlag auf dem überfüllten Flughafen von Dallas nur durch Zufall. Und begegnet in jenem heiklen Moment zwischen Leben und Sterben ihrem Seelenführer Yamaraj, der Lizzy in die Totenwelt 'Afterworlds' führt. Dass sie sich dabei unsterblich in den wunderschönen Mann mit der sanfte Stimme und dem tiefen Blick verliebt, war so nicht vorgesehen vom Schicksal. Und Lizzy muss sich entscheiden: Für das Leben oder ein Dasein als Wandlerin zwischen den Welten ...
Lizzys Geschichte ist ein Roman. Darcys Roman, den die 17-jährige mehr aus Spaß an die bekannteste Literaturagentur New Yorks schickt. Zu ihrer Überraschung bekommt Darcy direkt ein Zwei-Buch-Angebot und einen horrenden Vorschuss. Dieser Erfolg macht sie waghalsig: Statt ihr College-Studium anzutreten, zieht Darcy nach New York. Auf gut Glück und ohne rechten Plan. Aber mit dem festen Vorhaben, eine richtige Autorin zu werden. Und sich zu verlieben ...
Zwei Geschichten in einem Roman - aus der Feder desinternationalen Bestsellerautors der 'Ugly'-'Pretty'-'Special'-Serie.
Lizzys Geschichte ist ein Roman. Darcys Roman, den die 17-jährige mehr aus Spaß an die bekannteste Literaturagentur New Yorks schickt. Zu ihrer Überraschung bekommt Darcy direkt ein Zwei-Buch-Angebot und einen horrenden Vorschuss. Dieser Erfolg macht sie waghalsig: Statt ihr College-Studium anzutreten, zieht Darcy nach New York. Auf gut Glück und ohne rechten Plan. Aber mit dem festen Vorhaben, eine richtige Autorin zu werden. Und sich zu verlieben ...
Zwei Geschichten in einem Roman - aus der Feder desinternationalen Bestsellerautors der 'Ugly'-'Pretty'-'Special'-Serie.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2016Meine Literaturagentin wohnt im Himmel
Scott Westerfield verrät der Jugend in "Afterworlds", wie ein Buch entsteht - und packt das Buch seiner Heldin dazu
Wenn sich ein Mann von Anfang fünfzig für einen Roman ausmalt, wie ein weiblicher Teenager denkt, ist das Arbeit. Wenn er sich dazu noch ausmalt, wie sich ein weiblicher Teenager für einen Roman einen weiblichen Teenager ausdenkt, ist das Arbeit zum Quadrat. Und wenn er dann noch das Buch schreibt, das er seine Heldin schreiben lässt, und wenn er die Kapitel dieses Buches zwischen die Kapitel seines eigenen Buches über den Weg des Buches der Heldin von der Annahme durch eine Literaturagentur bis zur Veröffentlichung schiebt, um die wechselseitigen Entsprechungen von Buch und Leben zu erhellen, indem das Zopfgeflecht, das so entsteht, etwa einerseits von der Liebesgeschichte berichtet, die der jungen Schriftstellerin nach der Begegnung mit einer anderen, etwas älteren Schriftstellerin widerfährt, während die Heldin im Buch der Heldin eine Liebesgeschichte mit einem männlichen Fremdenführergespenst im Jenseits erlebt, dann ist das wahrscheinlich so viel Arbeit, dass man sich das als Mann Anfang fünfzig nur zumuten sollte, wenn es beim Schreiben ganz großen Spaß macht.
Beim Lesen macht es das jedenfalls recht oft, denn Scott Westerfield, der Mann von Anfang fünfzig, hat seine schwere Arbeit sowohl bei "Afterworlds" - so heißt das Buch, das von seiner ausgedachten Teenagerfigur erzählt - wie auch bei "Afterworlds" - so heißt das Buch, in dem seine ausgedachte Teenagerfigur von ihrer ausgedachten Teenagerfigur erzählt - sehr gut erledigt.
"Spaß" bedeutet hier freilich nicht unbeschwerte Ausgelassenheit oder die Verklärung der ersten Schritte eines im Gegensatz zum Vollprofi Westerfield naiven und frischen Geistes im intellektuellen und künstlerischen Traumberuf "Schriftstellerin" - es geht um viel Todernstes, Bitteres und Komplexes, das man gar nicht abbilden oder gestalten könnte, würde man sich ausschließlich unter Voraussetzungen wie Unschuld oder Kindlichkeit daran wagen: um bewaffneten Terror, im Geheimen wuchernde Familienverschlingungen, das Sterben, das Lügen und das Scheitern. Der Schauplatz, auf dem Darcy (so heißt Westerfields Heldin) und Lizzy (so heißt Darcys Heldin) mit all dem und außerdem Mietsorgen, Liebeskummer, dem Finanzamt und einer unkooperativen Universität fertig werden müssen, ist im weitesten Sinne "die Literatur", der Kosmos, in dem Sprache verletzen und heilen kann und dazu da ist, die eigene Geschichte zu verstehen, sich fremde Geschichten zu erschließen (um anderer, wirklicher Menschen willen) und aus solchen wahren auch mal kühn erfundene Geschichten zu synthetisieren, die dann im kontrastspendenden Vergleich mit dem eigenen wie dem fremden tatsächlichen Leben diese beiden klarer aus dem Chaos der Weltdaten hervortreten lassen können.
"Die Literatur" ist dabei einerseits, nämlich in Darcys Roman, eine phantastisch-spekulative Multisphäre zahlreicher in Erzählflächen eingebetteter Möglichkeitsräume, die in deutscher Übersetzung statt "Afterworlds" auch direkt "Nachwelten" hätten heißen können, da zur Literatur ja gehört, dass für die Lesenden dasjenige zur alle Sinne und allen Sinn bindenden Gegenwart werden kann, was für die Schreibenden Nachwelt ist, weil sie nicht mehr leben, ihre Texte aber nur so sterblich sind wie das Interesse der Lesenden.
Diese metaphorische Ausgestaltung dessen, was "Schreiben" heißt, überlässt Westerfield ganz seiner Darcy, die ihre große Zentralmetapher "Nachwelt als Textwelt" mit zahlreichen kleineren Metaphern stabilisiert und ausschmückt, bei denen Westerfield ein feines Gefühl dafür beweist, wie wenig Angst Anfängerinnen und Anfänger davor haben, dass ihre Sprachbilder ins Überproduzierte, Schwülstige ausbüchsen könnten: "Selbst in dieser schrecklichen Lage entging mir die Schönheit des Jungen nicht. Er schimmerte förmlich, als bräche die Sonne durch Nebel und Wolken, um ihn mit Licht zu umschmeicheln."
Ein besonderes Kunststück gelingt dem wirklichen Autor und seiner Übersetzerin mehrfach dabei, den unterirdischen, im Dunkel des Vor- und Unbewussten strömenden Kanälen zwischen Erleben und Schreiben nachzuspüren: Wenn die fiktive Darcy in einem der ersten Realienkapitel von der "Kraft ihrer eigenen Wörter" ergriffen ist, dann sagt eine spukhafte Gestalt der fiktiven Lizzy dieser fiktiven Darcy ein Kapitel später über ihre Ankunft in der Nachwelt: "Du bist durch deine Gedankenkraft hierhergelangt" - es wäre nicht übertrieben, zu behaupten, dass Westerfields Kunst (und die der sehr präzisen, aber nie steifgelenkig wörtlichen Übersetzung von Angela Stein) an solchen Stellen mit ihrer Kraft (sowohl "Force" wie "Power") etwas überaus Seltenes erreicht, das in der Literatur für Erwachsene zwischen Italo Calvino und Jorge Luis Borges meist der "Avantgarde" zugeschlagen wird, nämlich, mehrere Texte so zu einem Text zu verbinden, dass daraus nicht mehr einfach eine Autorin oder ein Autor spricht, sondern der Zauber unwahrer, aber wahrhaftiger Zeugnisse der Sprachphantasie selbst.
Was nicht heißt, dass in "Afterworlds" die nüchterne zeitgenössische Buchmarkt-Wirklichkeit zu kurz käme - die hat, sagt Darcy am Ende erschöpft, "mit Bücherblogs zu tun und mit Jugendbuch-Twitter-Feeds, mit Pseudobuchpreisen und Rezensionen". Darcy hat davon aus durchaus privaten, nicht zeitkritischen Gründen mitunter genug - und geht dann, um sich zu erholen, mit ihrer schlauen kleinen Schwester einfach in "eine der letzten großen unabhängigen Buchhandlungen von Manhattan" - die wahre Nachwelt, wenn es eine gibt.
DIETMAR DATH
Scott Westerfield: "Afterworlds. Die Welt zwischen uns"
Aus dem Englischen von Angela Stein. Verlag Fischer Sauerländer, Frankfurt 2015. 704 S., geb., 22,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Scott Westerfield verrät der Jugend in "Afterworlds", wie ein Buch entsteht - und packt das Buch seiner Heldin dazu
Wenn sich ein Mann von Anfang fünfzig für einen Roman ausmalt, wie ein weiblicher Teenager denkt, ist das Arbeit. Wenn er sich dazu noch ausmalt, wie sich ein weiblicher Teenager für einen Roman einen weiblichen Teenager ausdenkt, ist das Arbeit zum Quadrat. Und wenn er dann noch das Buch schreibt, das er seine Heldin schreiben lässt, und wenn er die Kapitel dieses Buches zwischen die Kapitel seines eigenen Buches über den Weg des Buches der Heldin von der Annahme durch eine Literaturagentur bis zur Veröffentlichung schiebt, um die wechselseitigen Entsprechungen von Buch und Leben zu erhellen, indem das Zopfgeflecht, das so entsteht, etwa einerseits von der Liebesgeschichte berichtet, die der jungen Schriftstellerin nach der Begegnung mit einer anderen, etwas älteren Schriftstellerin widerfährt, während die Heldin im Buch der Heldin eine Liebesgeschichte mit einem männlichen Fremdenführergespenst im Jenseits erlebt, dann ist das wahrscheinlich so viel Arbeit, dass man sich das als Mann Anfang fünfzig nur zumuten sollte, wenn es beim Schreiben ganz großen Spaß macht.
Beim Lesen macht es das jedenfalls recht oft, denn Scott Westerfield, der Mann von Anfang fünfzig, hat seine schwere Arbeit sowohl bei "Afterworlds" - so heißt das Buch, das von seiner ausgedachten Teenagerfigur erzählt - wie auch bei "Afterworlds" - so heißt das Buch, in dem seine ausgedachte Teenagerfigur von ihrer ausgedachten Teenagerfigur erzählt - sehr gut erledigt.
"Spaß" bedeutet hier freilich nicht unbeschwerte Ausgelassenheit oder die Verklärung der ersten Schritte eines im Gegensatz zum Vollprofi Westerfield naiven und frischen Geistes im intellektuellen und künstlerischen Traumberuf "Schriftstellerin" - es geht um viel Todernstes, Bitteres und Komplexes, das man gar nicht abbilden oder gestalten könnte, würde man sich ausschließlich unter Voraussetzungen wie Unschuld oder Kindlichkeit daran wagen: um bewaffneten Terror, im Geheimen wuchernde Familienverschlingungen, das Sterben, das Lügen und das Scheitern. Der Schauplatz, auf dem Darcy (so heißt Westerfields Heldin) und Lizzy (so heißt Darcys Heldin) mit all dem und außerdem Mietsorgen, Liebeskummer, dem Finanzamt und einer unkooperativen Universität fertig werden müssen, ist im weitesten Sinne "die Literatur", der Kosmos, in dem Sprache verletzen und heilen kann und dazu da ist, die eigene Geschichte zu verstehen, sich fremde Geschichten zu erschließen (um anderer, wirklicher Menschen willen) und aus solchen wahren auch mal kühn erfundene Geschichten zu synthetisieren, die dann im kontrastspendenden Vergleich mit dem eigenen wie dem fremden tatsächlichen Leben diese beiden klarer aus dem Chaos der Weltdaten hervortreten lassen können.
"Die Literatur" ist dabei einerseits, nämlich in Darcys Roman, eine phantastisch-spekulative Multisphäre zahlreicher in Erzählflächen eingebetteter Möglichkeitsräume, die in deutscher Übersetzung statt "Afterworlds" auch direkt "Nachwelten" hätten heißen können, da zur Literatur ja gehört, dass für die Lesenden dasjenige zur alle Sinne und allen Sinn bindenden Gegenwart werden kann, was für die Schreibenden Nachwelt ist, weil sie nicht mehr leben, ihre Texte aber nur so sterblich sind wie das Interesse der Lesenden.
Diese metaphorische Ausgestaltung dessen, was "Schreiben" heißt, überlässt Westerfield ganz seiner Darcy, die ihre große Zentralmetapher "Nachwelt als Textwelt" mit zahlreichen kleineren Metaphern stabilisiert und ausschmückt, bei denen Westerfield ein feines Gefühl dafür beweist, wie wenig Angst Anfängerinnen und Anfänger davor haben, dass ihre Sprachbilder ins Überproduzierte, Schwülstige ausbüchsen könnten: "Selbst in dieser schrecklichen Lage entging mir die Schönheit des Jungen nicht. Er schimmerte förmlich, als bräche die Sonne durch Nebel und Wolken, um ihn mit Licht zu umschmeicheln."
Ein besonderes Kunststück gelingt dem wirklichen Autor und seiner Übersetzerin mehrfach dabei, den unterirdischen, im Dunkel des Vor- und Unbewussten strömenden Kanälen zwischen Erleben und Schreiben nachzuspüren: Wenn die fiktive Darcy in einem der ersten Realienkapitel von der "Kraft ihrer eigenen Wörter" ergriffen ist, dann sagt eine spukhafte Gestalt der fiktiven Lizzy dieser fiktiven Darcy ein Kapitel später über ihre Ankunft in der Nachwelt: "Du bist durch deine Gedankenkraft hierhergelangt" - es wäre nicht übertrieben, zu behaupten, dass Westerfields Kunst (und die der sehr präzisen, aber nie steifgelenkig wörtlichen Übersetzung von Angela Stein) an solchen Stellen mit ihrer Kraft (sowohl "Force" wie "Power") etwas überaus Seltenes erreicht, das in der Literatur für Erwachsene zwischen Italo Calvino und Jorge Luis Borges meist der "Avantgarde" zugeschlagen wird, nämlich, mehrere Texte so zu einem Text zu verbinden, dass daraus nicht mehr einfach eine Autorin oder ein Autor spricht, sondern der Zauber unwahrer, aber wahrhaftiger Zeugnisse der Sprachphantasie selbst.
Was nicht heißt, dass in "Afterworlds" die nüchterne zeitgenössische Buchmarkt-Wirklichkeit zu kurz käme - die hat, sagt Darcy am Ende erschöpft, "mit Bücherblogs zu tun und mit Jugendbuch-Twitter-Feeds, mit Pseudobuchpreisen und Rezensionen". Darcy hat davon aus durchaus privaten, nicht zeitkritischen Gründen mitunter genug - und geht dann, um sich zu erholen, mit ihrer schlauen kleinen Schwester einfach in "eine der letzten großen unabhängigen Buchhandlungen von Manhattan" - die wahre Nachwelt, wenn es eine gibt.
DIETMAR DATH
Scott Westerfield: "Afterworlds. Die Welt zwischen uns"
Aus dem Englischen von Angela Stein. Verlag Fischer Sauerländer, Frankfurt 2015. 704 S., geb., 22,99 [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dietmar Dath anerkennt die Arbeit "zum Quadrat", die sich Scott Westerfeld mit seinem Jugendbuch macht, wenn er sich in das Denken eines weiblichen Teenagers versetzt, der sich einen Roman über einen weiblichen Teenager ausdenkt. Wenn das "Zopfgeflecht" aus Zitaten und Einschüben dem Rezensenten auch noch Spaß macht, ist das umso erstaunlicher. Spaß bedeutet hier für Dath allerdings vor allem, einen Begriff zu bekommen vom Sorgen und Scheitern der Figur und von den Möglichkeitsräumen der Literatur. Letztere eröffnet der Autor laut Dath sogar mit besonderem Sinn für die Zwischenräume zwischen Erleben und Schreiben, ja mit einer den Rezensenten an Calvino oder Borges erinnernden Kraft, die unterschiedliche Texte so zu verbinden vermag, dass es scheint, als entsprängen sie keiner einzelnen Autoreninstanz, sondern der sprachlichen Fantasie selbst.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Klug. Witzig. So, dass man am Ende alle Hochachtung vorm Romanschreiben hat - mehr noch vor Scott Westerfeld, der die beiden liebenswerten Figuren weise erfand. Das Magazin 20160401