Wie verwandelte sich die deutsche Wissenschaft im Übergang vom Nationalsozialismus in die zweite deutsche Demokratie? Die Geschichtswissenschaft streitet seit einigen Jahren über den Werdegang führender Historiker, deren frühere Nützlichkeit später mit Schweigen übergangen wurde. Der vorliegende Band begnügt sich nicht mit moralischen Urteilen über Schuld und mangelnde Bewältigung. Vielmehr geht er davon aus, daß die Erfahrung der professionellen Selbstmobilisierung vor 1945 in allen Disziplinen konstitutiv für die Ausrichtung auf eine neue wissenschaftliche Zukunft gewesen ist.
Wissenschaftliche Innovationen entwickelten sich dabei nicht einfach aus der politischen Abkehr vom Nationalsozialismus oder dem intellektuellen Anschluß an den Westen, sondern in komplizierten Übertragungsprozessen, die hier an Beispielen aus dem Bereich der Soziologie und Ökonomie, Geschichte und Philosophie, Pädagogik und Germanistik, Psychiatrie und Humangenetik sowie der Atomphysik untersucht werden.
Wissenschaftliche Innovationen entwickelten sich dabei nicht einfach aus der politischen Abkehr vom Nationalsozialismus oder dem intellektuellen Anschluß an den Westen, sondern in komplizierten Übertragungsprozessen, die hier an Beispielen aus dem Bereich der Soziologie und Ökonomie, Geschichte und Philosophie, Pädagogik und Germanistik, Psychiatrie und Humangenetik sowie der Atomphysik untersucht werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Die Umerziehung und Entnazifizierung der Deutschen nach 1945 scheiterte auch deshalb, weil wichtige staatstragende Institutionen wie die Kirchen, der Justiz- und Verwaltungsapparat und die Universitäten samt Forschungsförderungseinrichtungen ungeschoren blieben, notiert Rezensent Frank-Rutger Hausmann in seiner Besprechung des von Bernd Weisbrod herausgegebenen Sammelbandes "Akademische Vergangenheitspolitik". Wie Hausmann ausführt, beschreibt der Band in dreizehn Beiträgen anhand von unterschiedlichen Fallbeispiele die Rituale, Verdrängungsmechanismen und diskursiven Strategien, mit denen nach 1945 Kontinuität hergestellt wurde. Er hebt hervor, dass neben der "Persilscheinkultur" insbesondere die Anpassung wissenschaftlicher Sachverhalte, die in der NS-Zeit publiziert waren, an das nun demokratisch verfasste Gemeinwesen, thematisiert werden. "Man sollte diesen vorzüglich komponierten und lektorierten Band in einem Zuge lesen", empfiehlt der Rezensent abschließend, "um den Ideen- und Fintenreichtum deutscher Professoren zu bewundern, die alle einmal angetreten waren, um der Wahrheit zu dienen, und hernach nicht vor Fälschungen und Lügen zurückschreckten, um ihre Verantwortung zu minimieren und ihren früheren Mandarin-Status wiederzugewinnen."
© Perlentaucher Medien GmbH
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