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Akbar der Grosse ist einer der bedeutendsten Herrscher der Weltgeschichte. Er hat das Moghulreich geschaffen, ein glanzvolles Imperium, neben dem der türkischen Osmanen und dem der persischen Safariden eines der drei islamischen Großreiche der frühen Neuzeit.
In den fünf Jahrzehnten seiner Regierungszeit (1556 - 1605) machte er aus einem nordindischen Territorialfürstentum die Führungsmacht des ganzen indischen Subkontinents. Die gewaltigen Stromgebiete des Indus und des Ganges wurden Teil von Akbars Imperium, das von Afghanistan und Kaschmir im Norden bis in den Dekkan im Süden reichte und…mehr

Produktbeschreibung
Akbar der Grosse ist einer der bedeutendsten Herrscher der Weltgeschichte. Er hat das Moghulreich geschaffen, ein glanzvolles Imperium, neben dem der türkischen Osmanen und dem der persischen Safariden eines der drei islamischen Großreiche der frühen Neuzeit.

In den fünf Jahrzehnten seiner Regierungszeit (1556 - 1605) machte er aus einem nordindischen Territorialfürstentum die Führungsmacht des ganzen indischen Subkontinents. Die gewaltigen Stromgebiete des Indus und des Ganges wurden Teil von Akbars Imperium, das von Afghanistan und Kaschmir im Norden bis in den Dekkan im Süden reichte und von Beklutschistan im Westen bis Orissa im Osten. Errungen hat Akbar dies mit einer Mischung aus entschlossener Kriegsführung und Diplomatie, sowie durch Aufbau einer militärischen und zivilen Organisation. Vor allem aber bemüht er sich um die Versöhnung der Kulturen und Religionen seines Reichs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.1999

Der Augustus der Mogule
Akbar war groß: Arnold Hottinger ermißt sein Reich

Erst Aurangzeb, der nahezu gleichzeitig mit dem Sonnenkönig regierte, ist für seine europäischen Zeitgenossen der "Großmogul" gewesen: der reichste Monarch der Welt, der größte Kriegsherr Eurasiens, der Inbegriff eines allmächtigen Despotismus. Über seinen dramatischen Aufstieg zur Macht im Durchsetzungskampf gegen Vater und Brüder war man in Europa durch Zeugenberichte genauestens unterrichtet. Der späte Aurangzeb wurde dann zum Inbegriff asiatischen Prunks.

Nichts zeigt dies deutlicher als die orientalische Phantasiekomposition aus der Werkstatt des Hofjuweliers Johann Melchior Dinglinger, die den Geburtstagsempfang des Mogulkaisers darstellt und heute im Grünen Gewölbe zu Dresden besichtigt werden kann. August der Starke erwarb sie 1709 für sechzigtausend Reichstaler. Aurangzebs Urgroßvater Akbar, der Gründer zwar nicht der Dynastie, aber doch des Großreichs der Mogulen, blieb für Europäer lange eine undeutlichere Figur. Einige Jesuiten hatten ihn aufgesucht und seinen Hof geschildert, kamen aber über Impressionen und Anekdoten nicht hinaus. Die große Chronik seiner langen Herrschaft, das persische "Akbar-Nama" des Gelehrten, Ministers und Heerführers Abul Fazl (Abu'l-Fadl), wurde erst um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts vollständig veröffentlicht und seit 1897 über viele Jahre hinweg ins Englische übersetzt.

Arnold Hottingers Buch lebt von und mit dieser großartigen Quelle, deren Illustrationen es zum Teil wiedergibt. Ab und zu läßt Hottinger auch den inoffiziellen Kommentator Abdul Qadir Bada'uni zu Wort kommen, das Sprachrohr der religionspolitisch konservativen Kräfte im Mogulreich. Wenn die hohe Panegyrik des Abdul Fazl und die unverhohlene Feindseligkeit des Bada'uni in Bericht und Wertung übereinstimmen - und das geschieht nicht selten -, dann faßt Hottinger dies mit Recht als eine ziemlich verläßliche Beglaubigung der Taten und Charakterzüge Akbars auf. In seiner gesuchten Nähe zu Abul Fazl ist Hottingers Buch auf sympathische Weise altmodisch.

Die Breitwandeffekte im Übergangsbereich von kritisch gesicherter Überlieferung und imaginativer Zutat, die sich Epiker unter den heutigen Geschichtsschreibern wie Simon Schama oder Jonathan Spence nicht hätten entgehen lassen, werden bescheiden verschmäht. Auf der anderen Seite läßt sich Hottinger durch gelegentliche Überlegungen zu Aufbau und Funktionsweise des Mogulreiches nicht von seinem biographischen Grundimpuls abbringen. Manchmal hätte man sich tiefere Einblicke in die neuere sozialgeschichtliche Forschung zu Indiens früher Neuzeit und auch den einen oder anderen Seitenblick auf das zeitgenössische Europa gewünscht. Es wäre dann einfacher gewesen, Akbars außerordentliche Leistung als Sozialingenieur und politischer Baumeister vor dem Hintergrund von Herausforderungen sichtbar zu machen, auf die sämtliche Zivilisationen Eurasiens im sechzehnten Jahrhundert Antworten suchen mußten.

War Akbar "groß", war er ein Held, wie Abul Fazl und sein Wiedererwecker meinen? Im großen und ganzen überzeugt Hottingers heroisches Porträt. Gewiß, es gab Schattenseiten, Beispiele eines brutalen Durchsetzungswillens, die jedoch nur derjenige als Ausdruck "asiatischer" Grausamkeit verteufeln kann, der die Schrecken des damaligen Europa vergißt: die Ketzerverbrennungen, die Bartholomäusnacht von 1572, den Krieg Iwans des Schrecklichen gegen Livland, wenig später den Dreißigjährigen Krieg.

1568 endet die viermonatige Belagerung der Festung Chitor in Rajasthan mit der Unterminierung und Sprengung der Bastionen und einem Massaker an der überlebenden Zivilbevölkerung, etwa dreißigtausend Menschen kamen dabei um. Akbar soll es persönlich angeordnet haben. Die Episode war jedoch uncharakteristisch für die Methoden mogulischer Reichsbildung. Anders als seine Vorfahren Timur und Dschingis Khan war Akbar kein Kommandant von Vernichtungskriegen. Er perfektionierte die pfeilschnelle Intervention: 1573 führte er dreitausend Mann auf Rennkamelen in elf Tagen über eine Strecke von achthundert Kilometern und überrumpelte einen fünfmal stärkeren Gegner. Zugleich erkannte er deutlicher als andere die Möglichkeiten der neuen Artillerie. Die Burgen der Rajputen, also der hinduistischen Ritterschaft, konnten ihr nicht widerstehen. So wurde unter Akbar das Reich der Mogule nach dem der Osmanen und dem der persischen Safawiden zum dritten der muslimischen "gunpowder empires" der frühen Neuzeit.

Schießpulver half, ein Reich zu erobern, das ganz Nordindien bis hinauf nach Kaschmir und zu den Bergen Afghanistans umfaßte. Aber Kanonen und Musketen waren nutzlos, wenn es galt, dieses Reich zu regieren. Nach etwa 1570, als die ärgsten Gegner bezwungen waren, stand Akbar vor einem klassischen Problem großräumiger ziviler Integration. Es war ein vielleicht noch größeres Problem als das seiner westeuropäischen Herrscherkollegen, die zur gleichen Zeit kleine und kompakte Gebiete wie England und Frankreich zusammenschweißten. Akbars Lösungen können sich neben denen der Tudors oder Heinrichs IV. von Frankreich (dem Akbar in seiner Persönlichkeit erstaunlich ähnelte) sehen lassen. Der Kaiser schuf ein leistungsfähiges Verwaltungs- und Steuersystem, das es dem Zentralstaat ermöglichte, die Ressourcen eines reichen Agrarlandes in die eigenen Schatullen zu lenken. Damals erhielt Indien seine erste Bürokratie, ein vergleichsweise komplexes Gebilde, obwohl kein gleichwertiges Gegenstück zu der legendären Staatsverwaltung der gelehrten Mandarine, wie sie in China schon seit Jahrhunderten praktiziert wurde.

Akbars zweite stabilisierende Maßnahme bestand darin, den turbulenten Feudaladel sowohl auf muslimischer wie auch auf hinduistischer Seite durch Entwaffnung und die Zuteilung von Pfründen, durch Rangerhöhung und Einbau in die Prestigewelt imperialen Zeremoniells in eine Dienst- und Hofaristokratie zu verwandeln. Das ist auf längere Sicht nicht ganz so gründlich gelungen wie etwa in Frankreich, aber die Absichten und Methoden sind denen des europäischen Absolutismus doch so ähnlich, daß man sich wundert, warum die Parallelen noch niemandem aufgefallen sind. Arnold Hottingers Buch mag da Abhilfe schaffen.

Hottingers spürbarer Enthusiasmus gilt einer dritten Ebene der Integration. Akbar führte nicht nur den unter solchen Umständen unvermeidlichen Kaiserkult ein, eine Schöpfung des vielseitigen und staatsklugen Abul Fazl. Er erkannte auch im religiösen Gegensatz zwischen erobernden Muslimen und unterworfenen Hindus die gefährlichste Bruchstelle seiner neuen Ordnung. Akbars genialer Schachzug bestand nun darin, den Monarchen als Schiedsrichter über die religiösen Parteien zu erheben. Er ging dann sogar noch einen großen Schritt weiter und rief einen eigenen religiösen Orden ins Leben. Theologisch war das gerade noch aus dem Islam begründbar, zumindest aus dessen mystischen Traditionen, aber die eigentümliche Mischung aus Herrscherverehrung, Sonnensymbolismus und einer Art von Arthusrittertum mußte die Orthodoxie aufs äußerste erbosen und hatte nach Akbars Tod 1605 keinen Bestand.

Akbars versöhnende, weit über den islamischen Horizont seiner eigenen Herkunft hinausgreifende Religionspolitik wäre - das betont Arnold Hottinger zu Recht immer wieder - als bloßes Instrument der Herrschaftsstabilisierung zu eng interpretiert. Schon als Knabe war Akbar, der sich im achtzehnten Lebensjahr von der Bevormundung durch Regenten befreite und seitdem in jeder Hinsicht sein eigener Herr war, mit Tendenzen im Islam (und nicht nur dort) in Berührung gekommen, die das Gemeinsame zwischen den Religionen suchten. Er hatte wiederholt mystische Erfahrungen. Als er, von Abul Fazl unterstützt, Muslime, Hindus, Christen, Parsen und Jains zu großen Glaubensdebatten in sein "Haus des Gottesdienstes" einlud, stand der mögliche politische Nutzen religiöser Konfliktentschärfung noch keineswegs im Vordergrund. Es war ihm ernst mit dem, was sich immer mehr als Idee einer "göttlichen Einheitserkenntnis" abzeichnete. Arnold Hottinger geht nicht so weit, Akbar als frühen Weltethos-Propheten zu empfehlen. Er war nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine zentralasiatisch-indische Mischung aus Augustus, Marc Aurel, Friedrich II., Karl V. und Süleyman dem Prächtigen: das ganze Gegenteil eines dumpfen und blutrünstigen orientalischen Despoten und obendrein ein Krieger, Jäger und Sportsmann sondergleichen.

JÜRGEN OSTERHAMMEL

Arnold Hottinger: "Akbar der Große (1542-1605)". Herrscher über Indien durch Versöhnung der Religionen. Wilhelm Fink Verlag, München, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 1998. 216 S., geb., 68,- DM.

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