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Die Kommission für Zeitgeschichte setzt mit den 'Akten deutscher Bischöfe seit 1945' die Reihe ihrer Editionen über das Dritte Reich hinaus fort und beginnt mit der wissenschaftlichen Dokumentation der Zeitgeschichtsepoche 'nach der Katastrophe'. Die Teilung Deutschlands bis 1990 bestimmte Denken und Handeln des deutschen Episkopats in der Bundesrepublik wie in der DDR. Gezwungenermaßen verliefen die Entwicklungen in der Kirche in Ost- und Westdeutschland getrennt voneinander. Die neue Edition dokumentiert deshalb das kirchliche Leben parallel für die Bundesrepublik und für die DDR. Die je…mehr

Produktbeschreibung
Die Kommission für Zeitgeschichte setzt mit den 'Akten deutscher Bischöfe seit 1945' die Reihe ihrer Editionen über das Dritte Reich hinaus fort und beginnt mit der wissenschaftlichen Dokumentation der Zeitgeschichtsepoche 'nach der Katastrophe'. Die Teilung Deutschlands bis 1990 bestimmte Denken und Handeln des deutschen Episkopats in der Bundesrepublik wie in der DDR. Gezwungenermaßen verliefen die Entwicklungen in der Kirche in Ost- und Westdeutschland getrennt voneinander. Die neue Edition dokumentiert deshalb das kirchliche Leben parallel für die Bundesrepublik und für die DDR. Die je besonderen kirchenpolitischen und seelsorglichen Herausforderungen und Umstände werden auf diese Weise angemessen berücksichtigt. Geplant sind zunächst je drei Bände: Die bischöflichen Akten für den westdeutschen Kernstaat von 1945 bis 1955, die ostdeutschen Bischofsakten für den Zeitraum von der sowjetischen Besatzung bis zum Mauerbau 1961. Thomas Schulte-Umbergs Band eröffnet die Edition. Er dokumentiert die Amtsjahre von Julius Kardinal Döpfner als Bischof von Berlin zwischen 1957 und 1961 - eine Zeit starker politischer Spannungen, die in der Berlinkrise seit 1958 und dem Mauerbau 1961 ihren dramatischen Höhepunkt fanden und massive Auswirkungen auf die kirchlichen Wirkungsmöglichkeiten, namentlich im geteilten Berlin, hatten.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Den Umzug in den Ostteil erwogen
Akten aus der Amtszeit von Julius Kardinal Döpfner als Bischof von Berlin 1957 bis 1961

Die Kommission für Zeitgeschichte in Bonn eröffnet eine neue Editionsreihe: "Akten deutscher Bischöfe seit 1945". Sie wird in Teilbänden parallel für Ost und West erscheinen. Der vorliegende "ostdeutsche" Band umfasst die Amtszeit von Julius Döpfner als Bischof von Berlin und Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz von 1957 bis 1961. Der 1958 zum Kardinal erhobene Döpfner war zuvor Bischof von Würzburg gewesen. Starke politische Spannungen prägten Döpfners Berliner Jahre. Das Bistum umfasste West- und Ost-Berlin sowie Gebiete in der DDR, so dass die innere Verbundenheit und die Einheit des Bistums ein besonderes Anliegen des Bischofs war. Bedroht wurde die durch die Berlin-Politik der Sowjetunion und der DDR, deren Höhepunkte die von Chruschtschow 1958 geforderte Umwandlung des westlichen Teils von Berlin in eine entmilitarisierte freie Stadt und der Mauerbau am 13. August 1961 waren. Innenpolitisch verstärkte die SED mit ihrem V. Parteitag 1958 die Offensive zur gewaltsamen Durchsetzung sozialistischer Produktionsverhältnisse, der atheistischen Erziehung und der Zurückdrängung des kirchlichen Lebens. Mit der Bildung des DDR-Staatsrates im September 1960 und der Übernahme des Vorsitzes vereinigte der "Erzstalinist Walter Ulbricht" (so Döpfner) als Partei- und Staatschef alle Macht in seinen Händen.

Als Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz war Döpfner, der in West-Berlin wohnte, der legitimierte Sprecher der katholischen Kirche in der DDR, einer Diasporakirche mit rund 1,2 Millionen Mitgliedern, die sich in einem sich verschärfenden Existenzkampf mit einem weltanschaulich-atheistischen, kämpferisch-sozialistischen Staat befand. Seine Hauptaufgabe sah er darin, die innere Geschlossenheit von Episkopat, Priestern und Gläubigen in der DDR zu bewahren. Entschlossen wollte er allen Versuchen widerstehen, die Einheit des Katholizismus im geteilten Deutschland aufzubrechen, die Kirche in der DDR zu unterwandern und ihre Diener politischen Absichten dienstbar zu machen. So bekräftigte der neue Bischof am 1. Mai 1957 die Anweisung seiner Vorgänger, dass nur der Bischof gegenüber weltlichen Stellen Erklärungen zu Zeitfragen im Namen der katholischen Kirche abgeben könne.

Die katholische Kirche in der DDR wies damals, bedingt durch Oder-Neiße- und Zonengrenze, folgende Gliederung auf: Bistum Berlin mit einem Teil seines Territoriums, Bistum Meißen, Bereich des Erzbischöflichen Amtes Görlitz (der Teil des Erzbistums Breslau westlich von Oder und Neiße), Erzbischöfliches Kommissariat Magdeburg (Teil des Erzbistums Paderborn), Bereich des Bischöflichen Generalvikariats Erfurt (Teil des Bistums Fulda), Bischöfliches Kommissariat Schwerin (Teil des Bistums Osnabrück), Bischöfliches Kommissariat Meiningen (Teil des Bistums Würzburg). Die "einmütige Gemeinschaft" der Berliner Ordinarienkonferenz, in der seit 1950 die Bischöfe von Berlin und Meißen mit den Bischöflichen Kommissaren der anderen Jurisdiktionsbezirke zusammenwirkten, erwies sich im Kampf des ostdeutschen Katholizismus gegen den Staat als segensreiche Einrichtung. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche konnte die katholische Kirche in der DDR so mit einer Stimme sprechen. Mutig trat sie für die Glaubens- und Gewissensfreiheit der katholischen Christen und für die Wirkungsmöglichkeiten der Kirche in der DDR ein.

Die Aktenedition gibt einen tiefen Einblick in vielfältige Probleme der Seelsorge, der Priesterausbildung, der katholischen caritativen Einrichtungen, der Bautätigkeit und der Publikationsmöglichkeiten der Kirche sowie der Pfarrbüchereien. Abgedruckt sind die Protokolle von 18 regulären Sitzungen der Berliner Ordinarienkonferenz. Auch die jährlichen Lageberichte des Berliner Bischofs vor der Fuldaer Bischofskonferenz, an deren Plenartagungen bis 1961 auch die Bischöfe aus der DDR teilnehmen konnten, sowie die Berichte Döpfners an den Apostolischen Nuntius und an den Vatikan spiegeln die Situation der katholischen Kirche in der DDR wider. Von besonderem Interesse sind Aufzeichnungen von Prälat Johannes Zinke: Der in West-Berlin wohnende Geschäftsträger des Commissariats der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin war der autorisierte "Gesprächsbeauftragte" der katholischen Kirche, vor allem Döpfners, gegenüber den staatlichen Stellen der DDR, nicht zuletzt dem Ministerium für Staatssicherheit. Die Kontakte zum MfS, die in erster Linie Verhaftungen und Verurteilungen von Priestern, Ordensleuten und Laien galten, finden freilich in den Protokollen der Ordinarienkonferenz keine Erwähnung. Döpfner selbst hatte zwar nach seiner Ernennung zum Berliner Bischof Antrittsbesuche bei Otto Grotewohl und dem Ost-Berliner Oberbürgermeister Ebert gemacht, doch blieben dies die einzigen persönlichen Begegnungen.

Bereits im Mai 1958 wurde dem als "Nato-Bischof" beschimpften Döpfner die Einreise in den auf dem Territorium der DDR gelegenen Teil seiner Diözese verweigert. Das Einreiseverbot galt bis zu seinem Weggang aus Berlin. Lediglich Ost-Berlin war für ihn zugänglich. Im Juli 1960 lehnte der DDR-Staatssekretär für Kirchenfragen Verhandlungen mit Prälat Zinke ab. Döpfner erklärte daraufhin vor der Berliner Ordinarienkonferenz: "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass damit nicht nur die Fuldaer Bischofskonferenz als eine ganz Deutschland umgreifende zentrale kirchliche Stelle und Organisation abgelehnt wird, sondern auch eine Bischofskonferenz der DDR." Letztgenannte hatte der Staatssekretär, der nur mit DDR-Bürgern verhandeln wollte, als "innerkirchliche Angelegenheit" bezeichnet. Der Bischof überlegte sogar, nach Ost-Berlin überzusiedeln, doch lehnte der Vatikan das ab.

Auf Döpfners Bitte von Anfang 1959, einen in Ost-Berlin residierenden Weihbischof zu ernennen, der notfalls selbständig handeln könne, ernannte Papst Johannes XXIII. im Mai 1959 den von Döpfner vorgeschlagenen Alfred Bengsch. Der verärgerte die DDR-Behörden sogleich, als er gegen die Installierung einer Abhöranlage in seiner Ost-Berliner Wohnung protestierte. Nach dem Tod des Münchener Erzbischofs galt Döpfner nicht nur in Bayern als möglicher Nachfolger. Am 20. Juni 1961 schickte ihm der Papst ein Handschreiben, in dem er die Abberufung begründete und die Absicht bekundete, dem Bistum Berlin "möglichst rasch" einen neuen Bischof zu geben. Anfang Juli wurde die Berufung Döpfners zum Erzbischof von München und Freising bekanntgegeben. In Berlin löst die Nachricht tiefe Bestürzung aus, doch im Vatikan waren die Weichen für die Nachfolge bereits gestellt. Am 16. August wurde Bengsch Bischof von Berlin. Nicht zuletzt auf Grund der detaillierten Lageberichte Döpfners und seiner treffsicheren Einschätzung der politischen Entwicklung war der Heilige Stuhl im August 1961 in der Lage, unverzüglich auf den Mauerbau zu reagieren.

Die Publikation ist nicht nur ein Beitrag zur Geschichte der katholischen Kirche im geteilten Deutschland. Sie ist zugleich ein bedeutsames Stück der so notwendigen Aufarbeitung der SED-Diktatur.

PETER JOCHEN WINTERS

Akten deutscher Bischöfe seit 1945. Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A, Band 49: DDR 1957 - 1961. Bearbeitet von Thomas Schulte-Umberg. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006. 1053 S., 138,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Peter Jochen Winters beschränkt sich in seiner Besprechung dieser Aktensammlung zu Julius Kardinal Döpfner darauf, Eckdaten und wichtige Ereignisse zu rekapitulieren. Döpfner war von 1957 bis 1961 Bischof von West- und Ost-Berlin und in seiner Amtszeit vor allem darum bemüht, die sich abzeichnende Spaltung des Bistums abzuwenden und die Position der Kirche im SED-Staat aufrechtzuerhalten. Aus der Besprechung lässt sich erahnen, dass der Band vor allem ein fachlich interessiertes Publikum bedient. Genaueres zur Aufarbeitung der Dokumente erfahren wir nicht. Dem Rezensenten haben sie allerdings "tiefe Einblicke" gewährt, und so lobt er den Band als Beitrag zur Aufarbeitung von Kirchen- und DDR-Geschichte.

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