Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte.
Hauptherausgeber: Hans-Peter Schwarz, Mitherausgeber: Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link, Horst Möller und Rudolf Morsey.
Wissenschaftlicher Leiter: Rainer Blasius.
Als am 28. Juli Alexej Adschubej, der Schwiegersohn des sowjetischen Ministerpräsidenten, in Bonn von Bundeskanzler Erhard empfangen wurde, glaubten viele, dass damit eine Chance für die Wiedervereinigung Deutschlands eröffnet sei. Doch die geheimnisumwitterte Unterredung verlief, wie das hier erstmals veröffentlichte Protokoll zeigt, eher unspektakulär. Wenige Wochen später zerstörte der Sturz Chruschtschows auch jene Hoffnungen, die sich an das Zustandekommen einer deutsch-sowjetischen Gipfelbegegnung geknüpft hatten. Anhand einer Fülle bislang geheimer Schriftstücke dokumentiert der vorliegende Jahrgang der "Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland" diesen und weitere außenpolitische Themenschwerpunkte des Jahres 1964, wie etwa den Misserfolg der Bemühungen um eine Fortsetzung der europäischen Integration und das schwierige Vorantasten der "Politik der Bewegung" gegenüber den Ostblock-Staaten. Nicht zuletzt bietet der Band spannende Einblicke in die Vorgeschichte der Nahost-Krise, die mit dem Bekanntwerden der Waffenlieferungen an Israel im Oktober 1964 anhob.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hauptherausgeber: Hans-Peter Schwarz, Mitherausgeber: Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link, Horst Möller und Rudolf Morsey.
Wissenschaftlicher Leiter: Rainer Blasius.
Als am 28. Juli Alexej Adschubej, der Schwiegersohn des sowjetischen Ministerpräsidenten, in Bonn von Bundeskanzler Erhard empfangen wurde, glaubten viele, dass damit eine Chance für die Wiedervereinigung Deutschlands eröffnet sei. Doch die geheimnisumwitterte Unterredung verlief, wie das hier erstmals veröffentlichte Protokoll zeigt, eher unspektakulär. Wenige Wochen später zerstörte der Sturz Chruschtschows auch jene Hoffnungen, die sich an das Zustandekommen einer deutsch-sowjetischen Gipfelbegegnung geknüpft hatten. Anhand einer Fülle bislang geheimer Schriftstücke dokumentiert der vorliegende Jahrgang der "Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland" diesen und weitere außenpolitische Themenschwerpunkte des Jahres 1964, wie etwa den Misserfolg der Bemühungen um eine Fortsetzung der europäischen Integration und das schwierige Vorantasten der "Politik der Bewegung" gegenüber den Ostblock-Staaten. Nicht zuletzt bietet der Band spannende Einblicke in die Vorgeschichte der Nahost-Krise, die mit dem Bekanntwerden der Waffenlieferungen an Israel im Oktober 1964 anhob.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.1995Dem General nicht folgen
Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik 1964
Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1964. In zwei Teilbänden. Bearbeitet von Wolfgang Hölscher und Daniel Kosthorst, wissenschaftlicher Leiter Rainer A. Blasius. Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amtes von Hans-Peter Schwarz in Verbindung mit Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link und Rudolf Morsey. R. Oldenbourg Verlag, München 1995. 1676 Seiten, 192,- Mark. Subskriptionspreis bei Fortsetzungsbestellung 144,- Mark.
Die Bearbeiter dieser aufwendigen Aktenedition haben Wort gehalten. Wie angekündigt, haben sie ein Jahr nach Erscheinen der Akten für das Jahr 1963 nun für 1964 zwei gewichtige Bände vorgelegt, und wieder erweisen sich vor allem die präzisen Inhaltsangaben in dem Dokumentenverzeichnis als ausgezeichnete Orientierung. Der Befund der Akten zeigt, was schon die vage Erinnerung signalisiert: Es war kein Jahr spektakulärer Ereignisse, sieht man von dem Sturz Chruschtschows Mitte Oktober ab, über dessen Ursachen die Diplomaten auch nur Vermutungen melden konnten. Die hier abgedruckten Dokumente bringen dennoch wichtige Aufschlüsse in drei Richtungen: Sie spiegeln das sich abkühlende Verhältnis zu Frankreich wider; sie beleuchten das Hin und Her um die MLF (das Projekt einer nuklearen Nato-Atomstreitmacht mit deutscher Beteiligung) und schließlich, drittens, die Zuspitzung in der Nahost-Politik, welche die deutsche Diplomatie zu einem Spagat nötigte, den sie nicht mehr lange aushalten konnte.
Der Besuch de Gaulles am 3. und 4. Juli in Bonn, der breit dokumentiert wird, zeigt den kaum verhüllten Dissens. Für den General ging es letztlich um die Frage, ob der Élysée-Vertrag "den Kern, das Ferment, die Verpflichtung für eine europäische Einheit in allen Bereichen darstellen werde". Erhard antwortete ausweichend, "er könne dem General nicht vollständig folgen". Die Bündnistreue zu den Vereinigten Staaten ging ihm über alles. Das Projekt der MLF wird in den Akten ausführlich behandelt. Die Franzosen hatten schon seit Jahren Bonn immer wieder gewarnt und behauptet, Washington würde seine Zusagen einer deutschen nuklearen Mitsprache in Form der MLF nicht einhalten. De Gaulle sagte zu dem damaligen Staatssekretär Carstens: "Die Bombe bekommen Sie von den USA nie", und lockte: "Warum gehen Sie nicht mit uns zusammen? Wir haben die Bombe auch. Bei uns können Sie einen weit größeren Anteil erhalten." Doch Erhard und Schröder waren zu einer Änderung ihrer außenpolitischen Prioritätensetzung nicht zu gewinnen. Es ist jedoch erstaunlich, daß in den deutschen Akten keinerlei Skepsis in Hinsicht auf die Realisierung des Projektes formuliert wird. Da scheint eine Art Denkverbot bestanden zu haben. Wenn man sich schon einen Planungsstab zugelegt hatte, warum konnte der sich nicht über die Realisierungschancen einige Gedanken machen und auch Zweifel anmelden?
Das dritte Thema, das in den Akten unter vielfältigen Aspekten behandelt wird, ist das Nahost-Problem. Israel erhielt neben erheblicher Finanzhilfe auch beachtliche Militärhilfe, die natürlich streng geheim gehalten wurde. 1964 sickerte jedoch genug an die Öffentlichkeit durch, um Ägypten und die arabische Welt zu reizen und sie mit der Anerkennung der DDR drohen zu lassen. Polit-Touristen wie Bundestagspräsident Gerstenmaier komplizierten die Lage. Hatte sich dieser noch Ende 1962 nach einem Besuch in Israel emphatisch für die rasche Aufnahme diplomatischer Beziehungen ausgesprochen, so nahm er ein Jahr später in Kairo fast den umgekehrten Standpunkt ein, als er Nasser vorschlug, "die Beziehungen zur Bundesrepublik auf eine neue Grundlage zu stellen", und sich gegen die Waffenhilfe für Israel aussprach. Eine Schaukelpolitik war aber auf die Dauer nicht möglich. Außenminister Schröder forderte daher in einem Schreiben an den Bundeskanzler vom 9. November 1963 eine grundsätzliche Klarstellung. Um die deutsche Position in der arabischen Welt zu erhalten und die Anerkennung der DDR möglichst zu verhindern, empfahl er den Stopp der militärischen Zusammenarbeit und keine volle diplomatische Anerkennung Israels, sondern nur Handelsvertretungen und schließlich als Ausgleich für die Gegenseite einen Staatsbesuch für Nasser in Bonn. Das Auswärtige Amt setzte also stärker auf die arabische Karte. Aber es sollte ganz anders kommen. Der einsame Entschluß Erhards im folgenden Jahre, Israel diplomatisch anzuerkennen, schuf eine neue Situation. Doch das wird erst im kommenden Band behandelt. HENNING KÖHLER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik 1964
Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1964. In zwei Teilbänden. Bearbeitet von Wolfgang Hölscher und Daniel Kosthorst, wissenschaftlicher Leiter Rainer A. Blasius. Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amtes von Hans-Peter Schwarz in Verbindung mit Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link und Rudolf Morsey. R. Oldenbourg Verlag, München 1995. 1676 Seiten, 192,- Mark. Subskriptionspreis bei Fortsetzungsbestellung 144,- Mark.
Die Bearbeiter dieser aufwendigen Aktenedition haben Wort gehalten. Wie angekündigt, haben sie ein Jahr nach Erscheinen der Akten für das Jahr 1963 nun für 1964 zwei gewichtige Bände vorgelegt, und wieder erweisen sich vor allem die präzisen Inhaltsangaben in dem Dokumentenverzeichnis als ausgezeichnete Orientierung. Der Befund der Akten zeigt, was schon die vage Erinnerung signalisiert: Es war kein Jahr spektakulärer Ereignisse, sieht man von dem Sturz Chruschtschows Mitte Oktober ab, über dessen Ursachen die Diplomaten auch nur Vermutungen melden konnten. Die hier abgedruckten Dokumente bringen dennoch wichtige Aufschlüsse in drei Richtungen: Sie spiegeln das sich abkühlende Verhältnis zu Frankreich wider; sie beleuchten das Hin und Her um die MLF (das Projekt einer nuklearen Nato-Atomstreitmacht mit deutscher Beteiligung) und schließlich, drittens, die Zuspitzung in der Nahost-Politik, welche die deutsche Diplomatie zu einem Spagat nötigte, den sie nicht mehr lange aushalten konnte.
Der Besuch de Gaulles am 3. und 4. Juli in Bonn, der breit dokumentiert wird, zeigt den kaum verhüllten Dissens. Für den General ging es letztlich um die Frage, ob der Élysée-Vertrag "den Kern, das Ferment, die Verpflichtung für eine europäische Einheit in allen Bereichen darstellen werde". Erhard antwortete ausweichend, "er könne dem General nicht vollständig folgen". Die Bündnistreue zu den Vereinigten Staaten ging ihm über alles. Das Projekt der MLF wird in den Akten ausführlich behandelt. Die Franzosen hatten schon seit Jahren Bonn immer wieder gewarnt und behauptet, Washington würde seine Zusagen einer deutschen nuklearen Mitsprache in Form der MLF nicht einhalten. De Gaulle sagte zu dem damaligen Staatssekretär Carstens: "Die Bombe bekommen Sie von den USA nie", und lockte: "Warum gehen Sie nicht mit uns zusammen? Wir haben die Bombe auch. Bei uns können Sie einen weit größeren Anteil erhalten." Doch Erhard und Schröder waren zu einer Änderung ihrer außenpolitischen Prioritätensetzung nicht zu gewinnen. Es ist jedoch erstaunlich, daß in den deutschen Akten keinerlei Skepsis in Hinsicht auf die Realisierung des Projektes formuliert wird. Da scheint eine Art Denkverbot bestanden zu haben. Wenn man sich schon einen Planungsstab zugelegt hatte, warum konnte der sich nicht über die Realisierungschancen einige Gedanken machen und auch Zweifel anmelden?
Das dritte Thema, das in den Akten unter vielfältigen Aspekten behandelt wird, ist das Nahost-Problem. Israel erhielt neben erheblicher Finanzhilfe auch beachtliche Militärhilfe, die natürlich streng geheim gehalten wurde. 1964 sickerte jedoch genug an die Öffentlichkeit durch, um Ägypten und die arabische Welt zu reizen und sie mit der Anerkennung der DDR drohen zu lassen. Polit-Touristen wie Bundestagspräsident Gerstenmaier komplizierten die Lage. Hatte sich dieser noch Ende 1962 nach einem Besuch in Israel emphatisch für die rasche Aufnahme diplomatischer Beziehungen ausgesprochen, so nahm er ein Jahr später in Kairo fast den umgekehrten Standpunkt ein, als er Nasser vorschlug, "die Beziehungen zur Bundesrepublik auf eine neue Grundlage zu stellen", und sich gegen die Waffenhilfe für Israel aussprach. Eine Schaukelpolitik war aber auf die Dauer nicht möglich. Außenminister Schröder forderte daher in einem Schreiben an den Bundeskanzler vom 9. November 1963 eine grundsätzliche Klarstellung. Um die deutsche Position in der arabischen Welt zu erhalten und die Anerkennung der DDR möglichst zu verhindern, empfahl er den Stopp der militärischen Zusammenarbeit und keine volle diplomatische Anerkennung Israels, sondern nur Handelsvertretungen und schließlich als Ausgleich für die Gegenseite einen Staatsbesuch für Nasser in Bonn. Das Auswärtige Amt setzte also stärker auf die arabische Karte. Aber es sollte ganz anders kommen. Der einsame Entschluß Erhards im folgenden Jahre, Israel diplomatisch anzuerkennen, schuf eine neue Situation. Doch das wird erst im kommenden Band behandelt. HENNING KÖHLER
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