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Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte.
Hauptherausgeber: Hans-Peter Schwarz, Mitherausgeber: Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link, Horst Möller und Rudolf Morsey.
Wissenschaftlicher Leiter: Rainer Blasius.
Als Bundeskanzler Erhard am 27. September 1966 die Rückreise aus den USA antrat, ahnte er nicht, daß seine Regierungskoalition nur noch wenige Wochen Bestand haben würde. Der in der Öffentlichkeit seit Monaten vorherrschende Eindruck mangelhafter und zu nachgiebiger Verhandlungsführung über den Ausgleich der Devisenkosten für die…mehr

Produktbeschreibung
Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amts vom Institut für Zeitgeschichte.

Hauptherausgeber: Hans-Peter Schwarz, Mitherausgeber: Helga Haftendorn, Klaus Hildebrand, Werner Link, Horst Möller und Rudolf Morsey.

Wissenschaftlicher Leiter: Rainer Blasius.

Als Bundeskanzler Erhard am 27. September 1966 die Rückreise aus den USA antrat, ahnte er nicht, daß seine Regierungskoalition nur noch wenige Wochen Bestand haben würde. Der in der Öffentlichkeit seit Monaten vorherrschende Eindruck mangelhafter und zu nachgiebiger Verhandlungsführung über den Ausgleich der Devisenkosten für die amerikanischen Truppen in der Bundesrepublik schien sich durch die Gespräche mit Präsident Johnson zu bestätigen. Das Scheitern des Washingtoner Gipfels beschleunigte dann in dem aufgrund massiver Haushaltsschwierigkeiten gereizten innenpolitischen Klima den Sturz des Bundeskanzlers am 30. November 1966 und bildete den spektakulären Höhepunkt eines an außenpolitischen Problemen überreichen Jahres.

Zu Jahresbeginn gelang es zwar noch, im Verhältnis zu Frankreich die seit dem Sommer 1966 schwelende Krise in der EWG beizulegen; aber bereits die Ankündigung Staatspräsident de Gaulles am 21. Februar 1966, die französischen Streitkräfte aus der militärischen Integration der NATO herauszunehmen, bot neuen Zündstoff. Zudem belastete die Diskussion um die Stärke der in Europa stationierten Truppen, die durch die wachsenden Zahlungsbilanzdefizite der USA und Großbritanniens sowie durch das amerikanische Engagement im Vietnam-Krieg ausgelöst wurde, das Verhältnis der Bundesrepublik zu den westlichen Verbündeten. Erst unter der Regierung Kiesinger/Brandt zeichnete sich in den Verhandlungen über Truppenstationierung, Devisenausgleich und Verteidigungsplan eine Regelung ab, die in auffallendem Gegensatz zur Schärfe und Unnachgiebigkeit der kurz zuvor geführten Auseinandersetzung stand.

Nicht zuletzt die in den beiden Bänden dokumentierten Anfänge einer neuen Ostpolitik tragen dazu bei, daß das im Schatten der "Großen Koalition" und des Übergangs zur sozial-liberalen Ära stehende letzte Regierungsjahr Erhards deutlichere Konturen gewinnt.

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Autorenporträt
Matthias Peter, geboren 1958, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin, Abteilung im Auswärtigen Amt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.1997

Ein Kanzler zwischen allen Stühlen
Warum Ludwig Erhard als Außenpolitiker gescheitert ist / Quellen zum Jahr 1966

Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1966. Herausgegeben im Auftrag des Auswärtigen Amtes vom Institut für Zeitgeschichte. Hauptherausgeber Hans-Peter Schwarz. Wissenschaftlicher Leiter Rainer A. Blasius. Bearbeiter Matthias Peter, Harald Rosenbach. In 2 Teilbänden. R. Oldenbourg Verlag, München 1997. CXC, 1835 Seiten, 240,- Mark, Fortsetzungspreis 196,- Mark.

Der Rücktritt fiel ihm sichtlich schwer; aber für Ludwig Erhard gab es keine Alternative. Als er am 30. November 1966, nach nur drei Jahren, das Bundeskanzleramt wieder verlassen mußte, zog er die Konsequenz aus einer Situation, die sich für den einst so populären Franken zuletzt als unhaltbar erwiesen hatte. Neben den Frondeuren in den eigenen Reihen um Konrad Adenauer machte Erhard zusehends die Krisenstimmung zu schaffen, für die es zwar kaum handfeste Indikatoren in der wirtschaftlichen Entwicklung selbst gab, die aber zwangsläufig der Reputation des "Vaters des Wirtschaftswunders" schaden mußte.

Schließlich blies Erhard auch noch der außenpolitische Wind ins Gesicht. Ohnehin auf diesem Gebiet nicht so versiert und auch nicht so interessiert wie sein Vorgänger, mußte er während seiner Amtszeit mit zahlreichen jener Gewitter kämpfen, die sich seit Mitte der fünfziger Jahre zusammengebraut hatten. Und es war besonders brisant, daß diese Spannungen vor allem im Verhältnis der westlichen Partner zueinander verzeichnet werden mußten, wogegen sie zwischen den Supermächten gezielt abgebaut wurden, um jener "Entspannung" Platz zu machen, die nach den großen internationalen Krisen der frühen sechziger Jahre als das Gebot der Stunde galt und - jedenfalls aus Bonner Sicht - nicht zuletzt auf Kosten deutscher Interessen betrieben wurde.

Das ganze Ausmaß des Dilemmas entfaltet sich jetzt in den "Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland" für das Jahr 1966. In bewährter Zuverlässigkeit haben die Bearbeiter, Matthias Peter und Harald Rosenbach, unter der wissenschaftlichen Leitung von Rainer Blasius auf fast 2000 Seiten mehr als 400 Dokumente zum Abdruck gebracht, kommentiert und mit soliden Verzeichnissen und Registern auch für den interessierten Laien erschlossen und benutzbar gemacht.

Nicht ohne Erstaunen muß der feststellen, daß sich die Regierung Erhard beim Abtritt des Kanzlers immer noch dort befand, wo sie sich während ihrer kurzen Amtszeit durchweg aufgehalten hatte: zwischen allen Stühlen. In gewisser Weise war ihre Position sogar noch ungemütlicher geworden, erwiesen sich doch gerade die engsten Freunde als besonders schwierig. De Gaulles ohnehin schon wenig nachgiebige Haltung hatte sich insbesondere in den europäischen Angelegenheiten weiter verfestigt; und Johnsons beinharte Interessenpolitik gegenüber dem deutschen Partner gewann in dem Maße an Intensität, in dem sich die amerikanische Vormacht im vietnamesischen Dschungel militärische, politische und nicht zuletzt wirtschaftliche Fesseln anlegte.

Die als "geheim" eingestuften Aufzeichnungen, die über die Unterredungen des Bundeskanzlers mit dem französischen beziehungsweise dem amerikanischen Präsidenten im Februar und Juli beziehungsweise im September 1966 angefertigt wurden und jetzt erstmals veröffentlicht werden, zeigen Erhard durchweg in der Defensive. Zwar hatte de Gaulle diesmal keine handfesten Beschwerden bezüglich Europas vorzutragen; aber das war auch gar nicht nötig, weil er sich soeben, im "Luxemburger Kompromiß" vom Januar 1966, durchgesetzt und Frankreich mit dem Druckmittel des "leeren Stuhls" dann doch das Vetorecht in vitalen Fragen gesichert hatte.

Im übrigen war er gerade dabei, alte Gemeinsamkeiten mit "Rußland" wiederzuentdecken, und das machte die Gesprächssituation für Erhard nicht gerade angenehmer. So hatte der General nicht die geringsten Skrupel, den Kanzler wissen zu lassen, was die deutsche Regierung "sofort" nach jener Pressekonferenz zu erklären habe, die er zwei Wochen später abzuhalten gedachte.

Hingegen befand de Gaulle es nicht für nötig, Erhard darüber ins Bild zu setzen, daß er bei ebendieser Gelegenheit vor der Weltpresse den endgültigen Rückzug Frankreichs aus der Nato vorbereiten, wenn auch noch nicht offiziell bekanntgeben wollte. Daß Frankreich "sehr daran gelegen" sei, "nicht in das amerikanische Kielwasser zu geraten", und daß Deutschlands "Präferenz" für die Vereinigten Staaten die deutsch-französische Zusammenarbeit empfindlich "störe", ließ er gegenüber seinem deutschen Gesprächspartner selbstverständlich nicht unerwähnt.

In Washington halfen Erhard seine atlantischen Vorlieben indessen wenig. Kompromißlos wurde er von Johnson mit den Problemen der amerikanischen Zahlungsbilanz, einer unmittelbaren Folge des Vietnam-Krieges, konfrontiert. Und als der Kanzler, jetzt ganz in seinem Element, Johnson zu erklären versuchte, warum für die Stabilisierung des Bundeshaushalts eine Erleichterung bei Bonns sogenannten Devisenausgleichszahlungen an die Vereinigten Staaten unabdingbar sei, und dem Präsidenten zu diesem Zweck das föderale System der Bundesrepublik erläuterte, ließ der ihn mit wenigen knappen Fragen auf Grund laufen: Was es denn "in Deutschland zu stabilisieren gebe", und ob der "Herr Bundeskanzler etwa nicht tun könnte, was er zu tun versprochen habe"?

Ausgerechnet Erhard? Die Protokolle lassen etwas von den Qualen erahnen, die der integre und wie kaum ein zweiter den Vereinigten Staaten zugetane Kanzler während dieser Unterredungen ausgestanden haben muß. Nicht nur konnte es gegen Johnsons Vietnam-Argument für den Repräsentanten des geteilten Deutschlands und des geteilten Berlin schlechterdings keinen Einwand geben; vielmehr mußte Erhard auch noch als überzeugter Europäer sprechen und damit immer auch de Gaulle verteidigen. Vor allem aber kam ihm der Präsident keinen Millimeter entgegen; und so saß der Kanzler schließlich nicht nur zwischen den Stühlen des amerikanischen und des französischen Freundes, sondern auch in der Zwickmühle von außenpolitischen Sachzwängen und innenpolitischen Erwartungen.

Dabei war die deutsche Außenpolitik in der Ära Erhard keineswegs erfolglos - im Gegenteil: Willy Brandt, der nach dem Sturz Erhards und der Bildung der Großen Koalition die Fäden der Außenpolitik zunächst als zuständiger Minister immer stärker in die Hand nahm, hat nach dem Ende seiner eigenen Kanzlerschaft betont, daß das, "was man Ostpolitik genannt hat", nicht erst seit dem Dezember 1966 "erfunden" worden sei. Tatsächlich hat gerade die Regierung Erhard auf diesem Terrain wichtige Voraussetzungen geschaffen, um der deutschen Außenpolitik zur notwendigen Bewegungsfreiheit zu verhelfen. Außenminister Gerhard Schröder, vor allem aber Staatssekretär Carl Carstens, der sich in den jetzt veröffentlichten Akten wieder einmal als brillanter Analytiker vorstellt, hatten daran wohl den entscheidenden Anteil.

Gewiß, das Gebot der Wiedervereinigung Deutschlands und die daraus abgeleitete "Ablehnung einer Anerkennung oder politischen Aufwertung der SBZ" blieben verbindlich, wie es in einer Bilanz des Staatssekretärs zur deutschen Außenpolitik vom 14. November heißt. Doch wollte man jetzt "diplomatische Beziehungen mit den osteuropäischen Staaten" aufnehmen. Ein erster Schritt in diese Richtung war in den Jahren 1963/64 mit der Einrichtung von Handelsmissionen in Polen, Rumänien, Ungarn und Bulgarien getan, ein weiteres Signal am 25. März 1966 mit der "Friedensnote" gesendet worden.

Das konnte noch kein Durchbruch sein, aber es war einer jener kleinen Schritte, ohne die in dieser wie in anderen Fragen kein Fortkommen denkbar gewesen wäre. Doch nach der langen Ära Adenauer erwarteten viele vom neuen Kanzler größere Fortschritte und raschere Erfolge. Die jetzt verfügbaren Akten des Auswärtigen Amtes zeigen, warum das kaum möglich war und Erhard daran scheitern mußte. GREGOR SCHÖLLGEN

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