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Die heutige Form des Kapitalismus ist ein Objekt, das unaufhörlich in immer höheren Abstaktionsgraden ausufert. Wie können die hyperdynamischen Bewegungen,die sich auf den Finanzmärkten und im Technologiesektor abzeichnen, erfasst werden? Und noch wichtiger: Wer produziert und kontrolliert diese Bewegungen,Schübe und Ströme? Wie könnte ein alternatives politisches Subjekt aussehen, das ein solch komplexes Wissen schlichtweg nicht mehr mitbringen kann? Obwohlder Kognitive Kapitalismus die Lebenswirklichkeit bereits weithin eingenommen hat, kann und muss der Versuch unternommen werden, den…mehr

Produktbeschreibung
Die heutige Form des Kapitalismus ist ein Objekt, das unaufhörlich in immer höheren Abstaktionsgraden ausufert. Wie können die hyperdynamischen Bewegungen,die sich auf den Finanzmärkten und im Technologiesektor abzeichnen, erfasst werden? Und noch wichtiger: Wer produziert und kontrolliert diese Bewegungen,Schübe und Ströme? Wie könnte ein alternatives politisches Subjekt aussehen, das ein solch komplexes Wissen schlichtweg nicht mehr mitbringen kann? Obwohlder Kognitive Kapitalismus die Lebenswirklichkeit bereits weithin eingenommen hat, kann und muss der Versuch unternommen werden, den Bewegungen in Form einerepistemischen Akzeleration nicht nur nach-, sondern zuvorzukommen.
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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Helmut Mayer nimmt dieses Manifest eines linken Autorenkollektivs nicht wirklich ernst. Nicht um Argumente geht es seines Erachtens darin, sondern: "um Stimmung". Er hebt hervor, wie sich die Autoren von Feld-, Wald- und Wiesen-Linken, die Occupy-mäßig-protestierend unterwegs sind, abzuheben versuchen, um eine linke Position mit einem höheren Grad an Coolness zu gewinnen. Die Autoren kritisieren nach Mayer weniger die Beschleunigung durch den Kapitalismus, als den Umstand, dass der Kapitalismus die wahre technologische Beschleunigung aus Gründen der Gewinnmaximierung vermeidet. Das Ganze wirkt auf den Rezensenten wie der snobistisch links-elitäre Versuch, theoretische Distinktionsgewinne zu erzielen. Eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus der Gegenwart sieht für ihn jedenfalls anders aus.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2014

Eine Raumfahrt, die ist lustig, eine Raumfahrt, die ist links
Schon Lenin wusste schließlich, dass man den Kapitalismus überholen muss: Ein "Manifest für eine akzelerationistische Politik" weist der hippen Linken den Weg

Wie immer man sich in Aussicht gestellte Apokalypsen vorzustellen hat: Auf mehr als jeweils eine dürfte es für ihre Verkünder eigentlich nicht hinauslaufen. Aber der rhetorische Verschleiß hat auch vor dem Weltuntergang nicht haltgemacht. Und so liest man im ersten, die Weltlage resümierenden Abschnitt eines vor kurzem erschienenen politischen Manifests: "Die bevorstehenden Apokalypsen machen die Normen und Organisationsstrukturen unserer Politik ... zu einem Witz."

Der Plural ist kein Versehen, sondern bringt den Duktus dieses Manifests gut zum Ausdruck. Denn erst einmal wird in ihm die Lage insgesamt, der westlichen Gesellschaften und der Welt überhaupt, zum einzigen Zusammenhang von Katastrophen deklariert. Details tun da nichts zur Sache, Apokalypsen sind rhetorisch geboten. Schließlich fällt der Blick tatsächlich von weit oben auf diese Verheerungen, die immer noch schlimmer werden, alle Zukunft vernichten und deren finaler Implosion nur noch durch eine radikale Umwälzung aller Verhältnisse zuvorzukommen ist.

Womit es auch gar nicht mehr um die Kritik an diesen Verhältnissen geht, sondern nur noch um den Aufruf einer Evidenz im Modus der Reihung von Stichworten: Klimawandel, endgültige Ausbeutung der Ressourcen, Privatisierung des Sozialstaats, Ausblick auf massenhaften Hungertod, Kollaps ökonomischer Modelle, heiße und kalte Kriege und eine Automatisierung aller, auch der geistigen Produktionsprozesse, die von der "langfristigen Krise des Kapitalismus" zeuge.

Warum Automatisierung Krisenzeichen des Kapitalismus sein soll, ist zwar dunkel. Aber um Argumente geht es hier ohnehin nicht, sondern um Stimmung; und immerhin ist damit der Kapitalismus ins Spiel gebracht. Er ist, das sollte nicht wundern, von Übel, allerdings doch nicht einfach das absolute Übel, das vielmehr in der neoliberalistischen Exekution seiner Imperative liegt. Wobei diese Abstufung vor allem den Sinn hat, die Autoren des Manifests nicht als Kapitalismuskritiker wie Krethi und Plethi dastehen zu lassen.

Denn mit diesen Naivlingen, die etwa allen Ernstes glauben, Proteste à la Occupy könnten etwas bewegen, möchte man keinesfalls zu tun haben. Ihnen soll gezeigt werden, wie eine wirklich coole "linke" Position aussieht, die sich nicht vergeblich handgemein mit den Verhältnissen macht, sondern die Sache richtig von oben angeht, schnittig und vor allem ganz intim mit den neuesten Technologien. Das macht dann den Unterschied: Der Kapitalismus ist nicht etwa wegen unzuträglicher Beschleunigungen abzuschaffen, sondern weil er nicht die "wahre Beschleunigung" zustande bringt. Statt die "fortschrittlichen Kräfte der Technik" wirklich freizusetzen, hemmt er sie, weil es ihm doch nur um Gewinne geht. Also muss man diese Kräfte, die es offenkundig per se gibt, freisetzen - damit wir nicht länger in Verhältnissen leben, die, an den Möglichkeiten gemessen, als depravierte gelten müssen, sondern "in einer Welt aus Raumfahrt, Future Shocks und revolutionärem technologischem Potential". Die Raumfahrt erstaunt da zwar auf den ersten Blick, ist aber nicht zufällig in dieses "Manifest für eine akzelerationistische Politik" gerutscht. Sie zeigt, dass auch eine sich links dünkende Theorie-Schickeria nicht ganz unbeschadet über "Raumschiff Enterprise" hinwegkam.

Deshalb möchte sie jetzt die Technowissenschaften aus der "Versklavung durch kapitalistische Ziele (besonders seit den späten 1970ern)" befreien. Was natürlich der "humanen Beschleunigung" zugutekommt, Raumfahrt eingeschlossen. Obwohl wahrscheinlich nicht so, wie es ein anderer Sprössling der "Enterprise", der Technofuturist Michio Kaku (F.A.Z. vom 21. September 2011), unlängst ausgemalt hat. Liest man in dessen "Physik der Zukunft" von den Reisen in den Weltraum, lässt sich das nur als Planetarisierung des Mittelstands beschreiben - vermutlich, weil die Future Shocks fehlen.

Womit wir bei der Frage ankommen, wer eigentlich darüber befindet, was die wahre technologische und humane Beschleunigung ist. Die Antwort des Manifests ist an die bodenständigen Linken adressiert: keinesfalls die Basis mit ihren dummen Fetischen "Offenheit, Horizontalität und Inklusion", sondern eine nicht näher bestimmte Elite. Denn Hierarchie muss sein, das wusste schließlich schon Lenin (und deshalb wird er auch zitiert)! Zumal man nicht so naiv ist, an einen schlichten Umschlag des Unheils ins neue technologisch und human befreite Weltalter zu glauben. Nein, den Plan braucht's schon! Allerdings erfahren wir über diesen Plan nicht viel. Das mag mit der eigens festgehaltenen Notwendigkeit von "Geheimhaltung, Vertikalität und Exklusion" zusammenhängen. Aber wichtiger dürfte sein, dass das coole Revoluzzerspiel andernfalls langweilig und jedenfalls keinen richtigen Distinktionsgewinn bringen würde.

Sammeln wir noch auf, was trotz Geheimhaltung an Notwendigkeiten feststeht: Die soziotechnische Hegemonie ist zu erobern, um so etwas wie eine neue Kybernetik auf die Beine zu stellen, die alle gesellschaftlichen Systeme "für postkapitalistische Zwecke neu programmiert und umformatiert". Was aber nicht mit direkten Aktionen geht, sondern irgendwie anders; wohl doch mit Unterstützung des Weltgeists. Jedenfalls nicht mit einer bestimmten Organisation, sondern "mit einem Pluralismus aus Kräften, die fortwährend aufeinander reagieren und sich gegenseitig verstärken".

Den Mechanismus hat man wirklich vor sich! Wie anders sollte man auch "das Gebot des Plans mit der improvisierten Ordnung des Netzwerks" versöhnen? Obwohl man da schon einen Tipp hätte: Damit sind Parteizentralen die ganze Zeit beschäftigt. Ganz konkret dann immerhin noch: Die "traditionellen Medien" sind so weit wie möglich unter öffentliche Kontrolle zu bringen, "um die derzeit vorherrschende Darstellung der Zustände aufzubrechen". Ein bisschen Verschwörungstheorie muss schon sein.

Dieser lässig abgemischte Zusammenschnitt von Technofutur bis K-Gruppen-Überbleibseln, für dessen Verwirklichung noch ein paar "Formen der Klassenmacht" wiederherzustellen und vor allem auch "Kapitalströme ausfindig zu machen und umzulenken" sind (ein Spendenkonto ist nicht angeben, man denkt da einfach größer), wird uns als letzter Schrei linken Thrills präsentiert. Immerhin vom Merve Verlag, der auf dem Terrain radikal schicker Diskursware einen soliden Ruf hat. Das ist alles sehr aufregend, und wir wünschen viel Spaß beim Abfassen der Seminargeheimpapiere zur Umformatierung.

HELMUT MAYER

"#Akzeleration". Hrsg. von Armen Avanessian.

Merve Verlag, Berlin 2013. 94 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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