Effizienz und Professionalität im Marketing sind lediglich die Eintrittskarten für umkämpfte Märkte. Es genügt nicht, mit dem Schlagwort des Lean Marketing die Kosten zu senken und die Marketingbudgets zu restrukturieren. Rückzug oder 'More of the same' sind selten die richtigen Antworten. Entscheidend bleibt die Innovation in Leistung und Marketing. Dieses Buch will zu erfolgreichen Innovationen und Akzenten im Marketing anregen. Abbildung 0.1 zeigt das Vorgehen. - Ansatz der Suchfelder im Marketing: Welche Innovationen im Marketing sind relevant? In den letzten 10 Jahren entwickelte ich den Ansatz der Marketingsuchfelder laufend weiter und vertiefte ihn für spezifische Suchfelder und Unternehmenssituationen. In diesem Buch schildere ich den Ansatz von Marketingsystematik und Marketingsuchfeldern. Jedes der rund 40 Suchfelder, von Leistungssystemen, Ökomarketing, Kundenstamm-Marketing bis zu Marketing im Internet beschreibe ich systematisch mit Begriff, Strukturierung des Ansatzes, Eignung, Beispielen im Überblick und kritischen Erfolgsvariablen. - Empirische Forschung/Befragung von Führungskräften im Marketing und Gesamtergebnisse: Wie gewichten die Unternehmen die vorgeschlagenen Marketinginnovationen heute und in Zukunft? Diese Frage erforschte ich in Untersuchungen 1992 und 1996 bei rund 160 Führungskräften im Marketing verschiedener Branchen. Die Ergebnisse finden sich in diesem Buch. Es lassen sich auch Trends erkennen. Auch die Vergleiche zwischen erfolgreichen und erfolglosen Unternehmen, Unterschiede zwischen Branchen oder kleinen Anbietern und Konzernen spielen eine Rolle. - Vielfältige Erfolgsbeispiele der Praxis: Auszählungen und berechnete Durchschnitte geben einen Bezug für eigene Schwerpunkte der Führungskräfte im Marketing. Dieses Fachbuch lebt aber besonders durch erfolgreiche Praxisfälle und die kurzen Berichte der Führungskräfte. Sie enthalten jeweils Ausgangslage, Lösungen, Erfolge und kritische Aspekte der Realisierung, vor allem auch Facts. Diese Anwendungen sind eine attraktive Plattform für eigene -Lösungen der Leserin oder des Lesers. Im Gespräch mit Praktikern über die Zukunft des Marketing treffe ich mindestens zwei Gruppen an: 1.?Die Paradigmenwechsler: Die Impulsgeber der ersten Gruppe sind häufig Anhänger von Gerken, Horx und weiteren Zukunftsforschern. Chaos, Selbstorganisation, Komplexität, Ende des beeinflussenden Marketing, Inszenierung, Kult prägen die Diskus-sion um das Geschehen in Unternehmen und Märkten. Paradigmenwechsler empfinden, dass sie in den bisherigen Denkschemen des Marketingmix kaum mehr weiterkommen oder zunehmend irrelevante Phänomene erfassen. Sie relativieren die linearen Ansätze des strategischen und gestaltenden Marketing. Sie erachten manche empfohlenen Analysen, Marktforschungen und Investitionsrechnungen als Rituale für die Sicherheit des Management, die nicht in der Lage sind, sich in der Realität zu bewegen. Alle Mitglieder dieser Gruppe spüren, dass es so nicht geht. Sie können jedoch die neuen Impulse der Zukunftsforscher in ihren bestehenden Unternehmen und Teams nicht konkret aufgreifen. Erfasste Trends müssen anschlussfähig werden, heisst deshalb die häufige, aber kaum eingelöste Forderung. 1. Manche dieser Trends sind sehr subtil und nur schwach zu erahnen. Trotzdem gilt es, im Marketing aus eingespielten Denkstrukturen auszubrechen. 2.?Die Pragmatiker: Die Pragmatiker gehen zuerst davon aus, dass die nächste Erfolgsrechnung des Unternehmens stimmen muss. Zwar hofften viele von ihnen auf neue Impulse der Zukunftsforscher und besuchten entsprechende Vorträge. Sie sind jedoch enttäuscht von den dialektisch vorgetragenen, neuen Werten und Mechanismen, die sich selten als 'anschlussfähig' erwiesen. Bereits entwickeln sie Allergien gegen Hinweise zu Wertewandel, Multioptionsgesellschaft und neuen Kundentypologien, weil sie das meiste als Schall und Rauch beurteilen. Pragmatiker fordern 'Back to Basics', 'Dekomplizierung' des Marketing, Prioritäten, Implementierung statt nur Gespräche, Ideen und Konzepte. Zwar sind viele ihrer Lösungen und Ordnungen nur kurze Zeit gültig, diese Zwischenordnungen sind jedoch für den Erfolg der Unternehmen wichtig und verlangsamen manche unangenehmen Prozesse. 3. Der Pragmatiker entwickelt ein Sensorium gegen illusionäres Marketing und modische Lösungen. Diese Haltung ist wichtig, denn aufgebauschtes Scheinmarketing vernachlässigt oft eine ausgezeichnete Leistung für Kunden. 4. Generell bewege ich mich zwischen diesen beiden Gruppen. Ich bin überzeugt, dass Marketingsuchfelder es erlauben, innovative Lösungen ganzheitlich und visionär zu erkennen und bestehende Denkschemen zu durchbrechen. Gleichzeitig brauchen wir aber Marketingsysteme und -konzepte, um diese Innovationen zu strukturieren, zu vertiefen, zu kommunizieren. Marketingsuchfelder sind damit an die bestehenden Marketingsysteme anschlussfähig. Innovation nützte sich als Wort ab. Im Marketing präsentieren Fachzeitschriften und Autoren unermüdlich neue Lösungen, die sich dann als Schaumschlägerei erweisen. Manche Vorschläge werden laufend neu bezeichnet und verpackt, aber kaum vertieft. Häufig gelänge es Forschern und Unternehmen erst innovativ zu sein, wenn sie gründlicher als üblich vorgingen. Erstens finden sich in Büchern und Zeitschriften in den letzten 10 Jahren immer wieder die gleichen Themen, und zweitens werden Veröffentlichungen zunehmend unterhaltend verfasst und greifen Themen oft nur sehr kurz auf. Eine peppige und aktivierende Aufmachung scheint die langweiligen und wiederkehrenden Themen aufwerten zu müssen. Dieses Buch gibt einen Überblick über eine Vielzahl von innovativen Suchfeldern und von möglichen Akzenten im Marketing. Zwar vertieften wir die meisten Ansätze in gesonderten Forschungsprojekten, die vorliegende Publikation behandelt jedoch jedes Feld sehr kompakt. Ziel des Werkes ist es, eine Übersicht über die ergiebigen Ansätze im Marketing zu geben. Ich kritisiere die Oberflächlichkeit und bleibe dabei selbst oberflächlich. Besonders die Praxisfälle verdeutlichen jedoch auch den Tiefgang der neuen Ansätze. Noch etwas: Wann sind Fälle der Praxis erfolgreich? Lohnt es sich beispielsweise, die Lösungen von Unternehmen zu betrachten, die heute mit Einbussen in ihren Umsätzen und Erträgen kämpfen? Suchfelder im Marketing sind begrenzt und betreffen selten den gesamten Erfolg eines Unternehmens. Meine Erfahrung zeigt, dass manche Unternehmen neue Lösungen entwickelten und einsetzten und auch damit nicht besonders erfolgreich waren. Trotzdem können solche Innovationen als Muster dienen. Der Erfolg für die gewählte Lösung kann sich in einer anderen Konstellation rasch einstellen. Der Marketingstudent lernt mit diesem Buch die Vielfalt möglicher Lösungen im Marketing kennen und wird für neue Ansätze der Praxis sensibilisiert. Auch der Praktiker im Marketing gewinnt eine Übersicht. Auf ihrer Grundlage soll er aber wenige Felder wählen, die er vertiefen, anwenden und weiterentwickeln will. Die Übersicht soll bewusste Akzente und kein Schmetterlingsmarketing fördern, welches an jeder Idee nur etwas Nektar nascht. Das Buch lässt sich selektiv nutzen, wenn die Ansätze dem Leser bekannt sind. Im Forschungsinstitut für Absatz und Handel bewege ich mich in einem anregenden Forschungsteam. Manche ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befassten sich in ihren Projekten intensiv mit spezifischen Innovationen im Marketing und beeinflussten dieses Buch. Thomas Klumpp danke ich herzlich, dass er mich massgeblich bei dieser Veröffentlichung unterstützte. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Absatz und Handel der Universität St. Gallen (FAH-HSG) und wertete die empirische Untersuchung aus, überarbeitete Texte und koordinierte die Beiträge der Führungskräfte. Auch Joachim Mühlmeyer, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am FAH-HSG, übernahm manche Aufgaben. Marlene Brunner korrigierte verschiedene Fassungen, Peter Traxler überarbeitete als Redaktor von Thexis die Texte sprachlich, Norbert Völkle (Grafiker, St. Gallen) gestaltete Umschlag, Abbildung und Text. Christian Wulle, studentischer Mitarbeiter bei Thexis, war für den Satz verantwortlich und bereitete das gesamte Buch für den Druck vor. Nadja Barthel, verantwortlich für Thexis, war zuständig für die verlegerischen Aufgaben. Auch für diese wichtige Unterstützung durch die Mitarbeiter - danke ich. Die vielen Fallstudien zu angewandten Marketinginnovationen beleben dieses Buch. Ich danke den Unternehmen und Managern im Marketing für ihre Beteiligung. Generell entstanden übrigens viele Suchfelder nicht in der Forschung, sondern durch neue Lösungen aus der Praxis. Die beschriebenen Fälle verdeutlichen mir und hoffentlich ebenso dem Leser: Die besten Marketinginnovationen finden sich in der Praxis, und Marketing bleibt offensichtlich ein faszinierendes und spannendes Gebiet. Einige Unternehmen plazierten zusätzlich ein Inserat im Buch. Bestimmt erfüllt eine solche Anzeige wichtige Aufgaben der Kommunikation, vor allem danken wir aber für eine neue Form des Wissenschaftssponsoring. Die Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM) verlieh mir 1988 durch ihre Stiftung für Marketing und Unternehmensführung den Marketingpreis und unterstützte damit meine erste Forschungsarbeit zum konstruktiven Marketing und zu den Suchfeldern (Belz 1989a). Sie förderte anlässlich ihres Jubiläums meine Publikation 'Suchfelder im Marketing' (1991a) und unterstützte nun erneut die empirische Untersuchung finanziell. Die Gesellschaft für Marketing ist an diesem Buch beteiligt, und ich freue mich über eine kontinuierliche und wertvolle Zusammenarbeit, die auch manche Mitglieder der Gesellschaft persönlich einschliesst. Dem Verlag Ueberreuter (Wien) danke ich dafür, dass er sich offen und motiviert für das Buch engagierte und den Vertrieb via Buchhandlungen in Deutschland und Österreich organisierte. Mit dieser Veröffentlichung will ich anregen und erneuern. Nur der kleinere Teil liegt damit bei mir, ich bin auf die Arbeit der Führungskraft im Marketing angewiesen. Für kritische Rückmeldungen bin ich dankbar. St. Gallen, im November 1997 Prof. Dr. Christian Belz