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Der begehrteste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, geht in diesem Jahr an den Schriftsteller Gilles Leroy für "Alabama Song" - einen Roman über das ausschweifende Leben von Zelda Fitzgerald, der Ehefrau des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald

Produktbeschreibung
Der begehrteste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, geht in diesem Jahr an den Schriftsteller Gilles Leroy für "Alabama Song" - einen Roman über das ausschweifende Leben von Zelda Fitzgerald, der Ehefrau des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2008

Krieger aus Kristall

In seinem Roman "Alabama Song" erzählt Gilles Leroy die Liebes- und Leidensgeschichte von Zelda und F. Scott Fitzgerald aus der Sicht der Ehefrau.

Von Thomas Scholz

Modrig riecht es im amerikanischen Süden, während in Europa der Erste Weltkrieg tobt. Erdrückend und träge steht die Luft über der Stadt und dem Anwesen des Obersten Richters. Selbst die Kapriolen seiner Tochter können die aristokratische Würde der alteingesessenen Familie nicht erschüttern. Als "Southern Belle" hat sie Narrenfreiheit und kostet diese auch aus, indem sie beinahe systematisch die ungeschriebenen Gesetze ihres Standes bricht. Sie trinkt, raucht, fährt Motorrad, rafft die Röcke beim Tanzen viel zu hoch und sorgt dafür, dass ihr unzüchtiges Liebesleben noch von ihrem Ruf in den Schatten gestellt wird. Trotzdem sind die Heiratsanträge für den bezaubernden Lockenkopf reichlich, aber sie willigt ausgerechnet in den Antrag eines Yankees ein.

So wird Zelda Sayre die Frau von F. Scott Fitzgerald. Gemeinsam erfinden sie den Beruf des Berühmtseins, er dandyhaft und maßgeschneidert, sie extrovertiert und schrill, beide meistens betrunken. Der Starautor Amerikas und seine Südstaatenschönheit bieten der Welt, was auch heute noch die Titelseiten der Boulevardblätter füllt. Doch was sie einander zu bieten haben, das bleibt in dem Roman "Alabama Song" von Gilles Leroy so wunderbar schwer zu bestimmen, als steckte man selbst in dieser zerstörerischen Beziehung. Sicher ist nur, dass es keine Liebe ist, denn sie hätte unter dem Druck dieses bizarren Miteinanders früh zerbrechen müssen - an den Drogenexzessen, am Hass gegen den Ehemann, der seine talentierte Ehefrau unterdrückt, ihre Ideen stiehlt und sich damit schmückt; daran, dass sie ihre Liebe bei einem anderen findet, so echt und bedingungslos, wie es Zeldas verschrobene Psyche zulässt; an der gewaltsamen Trennung vom Liebhaber, dem Entzug der Tochter, der Zwangseinweisung in die Psychiatrie, den Elektroschocks und der von Fitzgerald veranlassten Lobotomie. Sie flüchtet in die Malerei, in den Tanz, in die platonische Liebe zur alternden Ballettmeisterin; doch nie flüchtet sie vollends vor ihm, der ihr Leben kontrolliert und ihr noch im Krankenhaus die Schreibmaschine vorenthält, damit sie sein versiegendes Talent nicht durch ihre Leistung bloßstellt.

Und so, wie sich Hass, Verbundenheit und Abhängigkeit im zuletzt kranken Geist der Tochter des Richters vermengen, mischt auch Gilles Leroy die Phasen ihres Lebens nach Belieben, lässt auf den Ball im Jahr 1918 die Therapiesitzung 1941 und darauf den Ehestreit aus 1925 folgen, reflektiert im Dialog mit dem Psychiater, nur um umgehend im inneren Monolog revidiert zu werden. Das Bild einer widersprüchlichen, äußerst komplexen Persönlichkeit baut er so fast mühelos auf, um es dann zu fragmentieren und schlussendlich mit seiner systematischen Zersetzung zu beginnen, der erst Zeldas frühzeitiger Tod ein Ende bereitet.

Wenn sie auf diesem Weg konstatiert, Männer seien wie "Krieger aus Kristall", und in einer Art Selbstdiagnose erkennt, dass das "böse Mädchen in mir ermüdet", dann tritt hier die anmutige Offenheit der Sprache Leroys zutage, welche die unkonventionelle Sichtweise der zerrütteten Schönheit aus Alabama noch intensiver macht. Aus dieser Eindrücklichkeit heraus verlassen wir Zelda nicht etwa im letzten Moment ihres Lebens, sondern auf einem elektrischen Tisch, des nächsten therapeutischen Stromschlags harrend. Doch Gilles Leroy, der für diesen Roman im letzten Jahr den Goncourt-Preis erhielt, lässt uns nicht in der Hilflosigkeit dieses Augenblicks zurück, sondern schließt mit zwei Kapiteln, die nicht mehr dem eigentlichen Roman angehören. Hier kommt der französische Autor selbst zu Wort, schildert die eigene emotionale Anteilnahme an Zeldas Leben während seiner Recherche und dividiert zu guter Letzt Fiktionales und Geschichtliches auseinander. Ein Schritt, durch den man selbst mit einem sanften Bedauern dem faszinierenden Mahlstrom der Fitzgeralds entkommen kann.

- Gilles Leroy "Alabama Song". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Xenia Osthelder. Verlag Kein & Aber, Zürich 2008. 236 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2008

Die Erfindung des Berühmtseins
Erlebnishunger und Zerstörungssucht: Gilles Leroys Roman über das verpuffte Talent der Zelda Fitzgerald
   Von biographischen Romanen gibt es fast so viele Arten wie Biographien überhaupt. Allein aus Frankreich sind in den letzten paar Jahren mehrere herübergekommen. Stéphane Audeguy skizzierte mit seinem „Leben des François Rousseau, von ihm selbst erzählt” über den Philosophen-Bruder ein Gegenbild des achtzehnten Jahrhunderts. Jean Échenoz zeichnete in seinem „Ravel” mikroskopisch das Zerreißen einer subjektiven Identität nach. Chantal Thomas entwarf in ihren Büchern über Marie Antoinette historische Albumblätter. Der hier vorliegende Roman von Gilles Leroy folgt dagegen der Leuchtspur einer brillanten Frau aus dem Scheinwerferlicht in die Nacht: Zelda Fitzgerald, die exzentrische Frau des Starschriftstellers F. Scott Fitzgerald, die die Freiheit ihres glamourösen Nonkonformismus mit amouröser Enttäuschung und mit der noch größeren Freiheit des Wahnsinns bezahlte.
   Die Grundbehauptung, dass Zelda, die 1900 geborene Richterstochter aus Montgomery, Alabama, nicht einfach die schöne, verrückte, ruinöse Muse ihres Mannes gewesen, sondern mit ihrem eigenen Talent als Schriftstellerin, Tänzerin, Malerin von diesem klein gehalten worden sei, wird hier nicht zur Zentralthese mit Ausrufezeichen festzementiert. Das ist wohl das Schönste an diesem Buch, das im letzten Herbst in Frankreich überraschend den Goncourt-Preis gewann. Wir nähern uns der Frau vielmehr auf subtile Weise über ein fünfteiliges Kapitelkleeblatt vor- und zurückspringender Aufzeichnungen ihrer selbst aus dem Geheimfach ihrer Schublade.
Das Fleisch der Tagebücher
Dass die Achtzehnjährige in der kleinen Stadt des Südens, wo die jungen Soldaten vor der Entsendung 1918 nach Europa ihre Abschiedsfeste feiern, nicht einfach eines der netten Partygirls ist, wird schnell klar. Dafür ist sie zu eigenwillig, zu intelligent, zu boshaft. Auf Uniformen fällt sie nicht herein, diesen einundzwanzigjährigen Leutnant Fitzgerald erkennt sie aber gleich als einen für sie: Seine Abreise nach Europa würde sie zu verhindern wissen. Der sodann verkündete Waffenstillstand ist nur die helfende Hand des Schicksals für ein gemeinsames Aufglühen und Verglühen in der Einsamkeit.
   „Wir haben das Berühmtsein erfunden – vor allem das Geschäft damit”, notiert Zelda später in der Klinik bei der Erinnerung an die Hochzeit mit Bourbonfahne und mehr oder weniger weißem Brautkleid. Die beiden seien die Verkörperung der Zwanzigerjahre gewesen, gab eine Bekannte der Presse zu Protokoll: exzessiv in allem, genusssüchtig, wirtschaftsuntüchtig, lebenslängliche Hotel- und Villen-Nomaden zwischen New York, Paris, der Côte d’Azur, Alabama. Zelda hatte Liebhaber, vor allem den französischen Flieger mit der „katzenhaften Schönheit”, ihre große Leidenschaft, doch brauchte sie Scott, seine Karriere, seinen Reichtum. „Du bist mein kleiner Hausclown”, sagt dieser zu ihr. „Ich wollte nur ein einziges Kind von ihm, und das war er selbst”, sagt sie von ihm. Das Entscheidende zwischen ihnen spielte sich nicht im Bett ab, sondern dort, wo der Schreibstift geführt wird. „Meine Tagebücher machte er zu seinem angeheirateten Fleische und bediente sich ihrer schamlos”, stellt Zelda fest und protestiert: „Mein Leben gehört mir und ich schreibe darüber”. Er sieht das nicht so: „Du klaust mir meinen Stoff” – schließlich verdiene er das dicke Geld, mit dem er die Hotel- und ihre horrenden Klinikkosten bezahlt. Dass er sie plündert, unterdrückt, anspuckt, hinsichtlich der gemeinsamen Tochter entmündigt und dass er 1940 schließlich noch vor ihr stirbt, nimmt sie ihm übel, doch hassen kann sie ihn nicht. Sie liebt ihn zu sehr, auf ganz einfache und zugleich perverse Art.
   Fiktiv ist dieser Liebesroman insofern, als Leroy aus dem biographisch vorliegenden Material, das er in einer Nachbemerkung redlich benennt, sein eigenes Bild der Spannung zwischen Erlebnishunger und Zerstörungssucht zeichnet. Egoismus, Selbstaufgabe, Verlangen, Aversion gehören in der leidenschaftlichen Liebe bekanntlich zusammen. In diesem Buch flimmern sie dank der zeitlich verschobenen Aufzeichnungsform so exakt durcheinander, dass immer schon das eine hinter dem anderen spricht. Der fünfzigjährige Autor Leroy hat mit diesem immerhin schon zwölften Roman erstmals eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Reale Persönlichkeiten wie Picasso, Cocteau, Radiguet, Ravel hält er geschickt ganz am Rand, den Surrealisten René Crevel hat er ins Geschehen hineinkomponiert. Hemingway lässt er unter anderem Namen als eitlen Fettwanst auftreten, den Zelda zusammen mit ihrem Mann im Hotelzimmer überrascht.
   Neben verknappenden Formulierungen – „Sie haben nicht geheiratet, junge Frau, Sie haben eine Reklamevertrag unterschrieben” – beherrscht Leroy vor allem die Situationsschilderung, in der Widersprüchliches verschmilzt. Wenn das Paar Fitzgerald samt Freunden nach der Montparnasse-Runde im Bar des Lutetia hängen bleibt und gegen Morgengrauen im Auto des Schahs von Persien – warum eigentlich? vergessen – nach Hause fährt, nicht ohne an einem Pfeiler der Louvre-Durchfahrt Kotflügel und Fahrertür zu demolieren, geht alles in grandiose Kläglichkeit auf. Kaum zu Hause, ziehen die beiden, über den Teppich torkelnd, mit den schlimmsten Beschimpfungen übereinander her. Er wirft ihr lallend vor, sie habe mit all seinen Freunden geschlafen, „damit sie mich zum Teu…Teuschen ficken, zum Teufel schicken”, will auf sie einschlagen, rudert aber mit den Fäusten nur im Leeren, verheddert sich im Teppich, prallt mit dem Kopf gegen das Tischbein. Der Teppich? – „aus Persien, auch der”.
Verzweifeltes Darüberstehen
   Damit sind wir aber auch an den Grenzen dieses Buchs. Da es keine These zu belegen sucht, hängt sein Gelingen davon ab, wie lebendig die Figur der Zelda erscheint. Sie wirkt lebensnah in ihren spitzen, intelligenten, bösen Bemerkungen, lässt uns trotz ihres Leidens jedoch als Figur seltsam kalt. Etwas Konstruiertes schlägt durch in diesem Roman, ein Papiergeruch des Angelesenen, nicht nur wegen der inszenierten Tagebuchform. Selbst in den Verzweiflungsmomenten ihres Anstaltdaseins steht die Frau stets über der Situation, wie eine Boje, die gar nicht sinken kann. Ihre Hand scheint von dem ihr permanent ins Schreibheft blickenden Autor ferngesteuert zu sein. Sich verlieren kann diese Frau nicht. Das macht ihre Gegenwart leicht hypothetisch.
   Doch ist ein solches Übermaß an Virtuosität ein erträgliches Übel. Entsprechendes gilt von der Übersetzung Xenia Osthelders. Ihr Text wirkt kompakt, elastisch, erfindungsreich und absolut stilsicher, ohne jede am Original klebende Sprachsträhne. Das verleiht der deutschen Fassung einen etwas raueren, umgangssprachlichen Tonfall, in dem jeder rhetorische Nebenklang augenblicklich verhallt. Der junge Zürcher Verlag hat mit diesem Titel einen Treffer gelandet. JOSEPH HANIMANN
GILLES LEROY: Alabama Song. Roman. Aus dem Französischen von Xenia Osthelder. Verlag Kein & Aber, Zürich 2008. 236 Seiten, 19,90 Euro.
„Du bist mein kleiner Hausclown”, sagte der amerikanische Schriftsteller F. Scott Fitzgerald zu seiner Frau Zelda Fitzgerald. Hier sind sie während der Hochzeitsreise 1920 in ihrem Auto, Marke „Marmon”, vor dem „Old Wakeman Cottage” zu bewundern. Foto: United Press
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