Als am 20. Juni 1914 das größte Schiff der Welt in Hamburg im Beisein des Kaisers auf den Namen "Bismarck" getauft wird, hat die Geschichte der Hapag ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die 1847 als Hamburg-Amerika-Packet-Aktiengesellschaft gegründete Reederei hat - national wie international - alle Konkurrenten hinter sich gelassen, ein kometenhafter Aufstieg, der sich einem Mann verdankt: Albert Ballin. Eberhard Straub, "ein Kenner und Könner, ein brillanter Schreiber" (Bayerischer Rundfunk), erzählt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Reeders, der die deutschen Seemachtsträume verkörperte wie sonst nur der Kaiser. Ballins Hapag wurde gleichsam zum zivilen Gegenstück des kaiserlichen Flottenprogramms; was Wilhelm II. militärisch an Weltgeltung zur See erreichen wollte (und fatal verfehlte), das gelang Ballin durch kluge Geschäftspolitik und visionäres Unternehmertum. Ballin ließ Doppelschrauben-Schnelldampfer bauen, als die Technik noch neu und umstritten war; er machte die bis dato eher ungemütliche Seereise zum noblen Vergnügen, indem er Luxusliner entwarf, die an Komfort und Eleganz schwimmenden Palästen glichen. Durch Übernahme und Ausbau anderer Linien war die ehemalige Hamburg-Amerika-Linie schließlich auf allen Weltmeeren vertreten und Ballin, der Sohn eines kleinen jüdischen Tuchhändlers und Reiseagenten, zu "des Kaisers Reeder" geworden. Straub entfaltet mit der Biografie Ballins zugleich die Unternehmensgeschichte der Hapag. Er erzählt von verzweifelten Auswanderern und vornehmen Touristen, von hamburgischen Patriziern wie Carl Laeisz, Konkurrenten wie Adolph Woermann und den Godeffroys, von internationaler Verflechtung und nationalen Animositäten. Es ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie erst das Kaiserreich hervorbringen konnte. Als es zusammenbricht, sieht auch Ballin keine Zukunft mehr. Am 8. November 1918 nimmt er eine Überdosis Beruhigungsmittel.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2001Monarchist, Günstling, Reeder
Eine Biographie des erfolgreichen Hapag-Chefs Albert Ballin
Eberhard Straub: Albert Ballin. Der Reeder des Kaisers. Siedler Verlag, Berlin 2001, 272 Seiten, 39,90 DM.
Die Erfolgsgeschichte der Hamburger Reederei Hapag ist zugleich die ihres vormaligen Chefs Albert Ballin. Der junge Hamburger aus bescheidensten Verhältnissen, dreizehntes und letztes Kind eines jüdischen Tuchmachers und Reiseagenten, trat 1886 als Passageleiter in Dienst der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag). 1899 war er Generaldirektor. Durch das Geschäft mit der Auswanderung und seine Erfindung des Luxustourismus machte Ballin die Hapag zur damals größten Reederei der Welt - und den Nordatlantik zu ihrer ureigenen Domäne. Er selbst avancierte zum Günstling des Kaisers. Zeitweise war er als Minister und sogar als Reichskanzler im Gespräch.
Der Historiker Eberhard Straub erzählt von den Etappen dieser Karriere. Seinen Helden nennt er im Untertitel den "Reeder des Kaisers". Tatsächlich verkörperte Albert Ballin die deutschen Seemachtsträume wie sonst nur der Kaiser; er stilisierte seine Hapag zum zivilen Gegenstück des kaiserlichen Flottenprogramms. Was Wilhelm II. militärisch vergebens an Weltgeltung auf See zu erreichen suchte, gelang Ballin durch vorausschauende Geschäftspolitik. Fast eine Generation lang prägte er die Geschicke der Hapag und zugleich den internationalen Schiffsverkehr.
Ballin, überzeugter Monarchist und kompromißloser Gegner von Gewerkschaften und Sozialdemokraten, war ein visionärer Tatmensch, wie ihn nur eine Ära des wirtschaftlichen Aufbruchs hervorbringt: Er ließ Doppelschrauben-Schnelldampfer bauen, als diese Technik noch neu und umstritten war. Er gab Ozeanriesen in Auftrag, die allein im Zwischendeck bis zu zweieinhalbtausend Personen befördern konnten. Und wo Konkurrenten seine Fahrtrouten störten, kaufte er die Linien einfach auf. Nach 15 Jahren mit Ballin an der Spitze besaß die Hapag 194 Schiffe, beförderte fast eine halbe Million Passagiere jährlich und beschäftigte 20 000 Arbeitskräfte. Als im Juni 1914 das größte Schiff der Welt im Beisein des Kaisers auf den Namen "Bismarck" getauft wurde, erreichte die Firmengeschichte ihren Höhepunkt und der Mann auf dem Chefsessel den Gipfel seiner Karriere.
Ballins Luxusliner machten vormals unwirtliche Seereisen zum Vergnügen für Reiche und zum Prestigeposten für die Reederei. Das große Geld brachte allerdings nicht diese Branche - sondern vielmehr das Massengeschäft mit der Auswanderung: Durch Ballins aggressive Preispolitik wurde die Hapag zur Nummer eins unter den Auswandereragenturen. Für die Wartezeit der Emigranten ließ der Reeder am Hamburger Hafen ein ganzes Dorf mit Geschäften, Kirchen, einer Synagoge und einem Krankenhaus errichten. Dort wurden die Auswanderungswilligen untergebracht.
Ballins Aufstieg in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik des Kaiserreichs gilt als Musterbeispiel dafür, was jüdische Geschäftsleute am Ende dieser Epoche erreichen konnten. Für Straub ist der Hamburger Schiffsmagnat der Beweis, daß nicht die Taufe, sondern auch ein nachhaltig demonstrierter Nationalismus Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft verschaffte. Als das Kaiserreich zusammenbrach, sah Ballin keine Zukunft mehr. Unter dem Schock der Novemberrevolution nahm er 1918 eine tödliche Dosis Beruhigungsmittel.
Ballins Person bleibt in Straubs Buch etwas blaß. Der Autor klagt über magere Quellen. Er vermutet, sie wurden vom ersten Biographen bei der Hapag bewußt ausgedünnt. Ballins geschäftliche Umtriebe indes werden in Straubs Biographie umfassend deutlich. Auch die Optik des Buches ist gelungen: Zeitgenössische Schwarzweißfotos und Graphiken laufen durch den Text und machen den Band zusammen mit bunten Seekarten zu einer hübschen Hamburgensie. Da stört es nur wenig, wenn zum Beispiel der "Rote Adler" als "höchster preußischer Orden" bezeichnet wird, obwohl das der "Schwarze Adler" war. Offenbar kennt der Autor die Anekdote vom Ordensempfänger im Kaiserreich nicht, der den roten Vogel nach seiner Ehrung enttäuscht und wütend in die Ecke warf mit den Worten: "Bleib liegen, bis du schwarz wirst!"
ULLA FÖLSING
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Biographie des erfolgreichen Hapag-Chefs Albert Ballin
Eberhard Straub: Albert Ballin. Der Reeder des Kaisers. Siedler Verlag, Berlin 2001, 272 Seiten, 39,90 DM.
Die Erfolgsgeschichte der Hamburger Reederei Hapag ist zugleich die ihres vormaligen Chefs Albert Ballin. Der junge Hamburger aus bescheidensten Verhältnissen, dreizehntes und letztes Kind eines jüdischen Tuchmachers und Reiseagenten, trat 1886 als Passageleiter in Dienst der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag). 1899 war er Generaldirektor. Durch das Geschäft mit der Auswanderung und seine Erfindung des Luxustourismus machte Ballin die Hapag zur damals größten Reederei der Welt - und den Nordatlantik zu ihrer ureigenen Domäne. Er selbst avancierte zum Günstling des Kaisers. Zeitweise war er als Minister und sogar als Reichskanzler im Gespräch.
Der Historiker Eberhard Straub erzählt von den Etappen dieser Karriere. Seinen Helden nennt er im Untertitel den "Reeder des Kaisers". Tatsächlich verkörperte Albert Ballin die deutschen Seemachtsträume wie sonst nur der Kaiser; er stilisierte seine Hapag zum zivilen Gegenstück des kaiserlichen Flottenprogramms. Was Wilhelm II. militärisch vergebens an Weltgeltung auf See zu erreichen suchte, gelang Ballin durch vorausschauende Geschäftspolitik. Fast eine Generation lang prägte er die Geschicke der Hapag und zugleich den internationalen Schiffsverkehr.
Ballin, überzeugter Monarchist und kompromißloser Gegner von Gewerkschaften und Sozialdemokraten, war ein visionärer Tatmensch, wie ihn nur eine Ära des wirtschaftlichen Aufbruchs hervorbringt: Er ließ Doppelschrauben-Schnelldampfer bauen, als diese Technik noch neu und umstritten war. Er gab Ozeanriesen in Auftrag, die allein im Zwischendeck bis zu zweieinhalbtausend Personen befördern konnten. Und wo Konkurrenten seine Fahrtrouten störten, kaufte er die Linien einfach auf. Nach 15 Jahren mit Ballin an der Spitze besaß die Hapag 194 Schiffe, beförderte fast eine halbe Million Passagiere jährlich und beschäftigte 20 000 Arbeitskräfte. Als im Juni 1914 das größte Schiff der Welt im Beisein des Kaisers auf den Namen "Bismarck" getauft wurde, erreichte die Firmengeschichte ihren Höhepunkt und der Mann auf dem Chefsessel den Gipfel seiner Karriere.
Ballins Luxusliner machten vormals unwirtliche Seereisen zum Vergnügen für Reiche und zum Prestigeposten für die Reederei. Das große Geld brachte allerdings nicht diese Branche - sondern vielmehr das Massengeschäft mit der Auswanderung: Durch Ballins aggressive Preispolitik wurde die Hapag zur Nummer eins unter den Auswandereragenturen. Für die Wartezeit der Emigranten ließ der Reeder am Hamburger Hafen ein ganzes Dorf mit Geschäften, Kirchen, einer Synagoge und einem Krankenhaus errichten. Dort wurden die Auswanderungswilligen untergebracht.
Ballins Aufstieg in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik des Kaiserreichs gilt als Musterbeispiel dafür, was jüdische Geschäftsleute am Ende dieser Epoche erreichen konnten. Für Straub ist der Hamburger Schiffsmagnat der Beweis, daß nicht die Taufe, sondern auch ein nachhaltig demonstrierter Nationalismus Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft verschaffte. Als das Kaiserreich zusammenbrach, sah Ballin keine Zukunft mehr. Unter dem Schock der Novemberrevolution nahm er 1918 eine tödliche Dosis Beruhigungsmittel.
Ballins Person bleibt in Straubs Buch etwas blaß. Der Autor klagt über magere Quellen. Er vermutet, sie wurden vom ersten Biographen bei der Hapag bewußt ausgedünnt. Ballins geschäftliche Umtriebe indes werden in Straubs Biographie umfassend deutlich. Auch die Optik des Buches ist gelungen: Zeitgenössische Schwarzweißfotos und Graphiken laufen durch den Text und machen den Band zusammen mit bunten Seekarten zu einer hübschen Hamburgensie. Da stört es nur wenig, wenn zum Beispiel der "Rote Adler" als "höchster preußischer Orden" bezeichnet wird, obwohl das der "Schwarze Adler" war. Offenbar kennt der Autor die Anekdote vom Ordensempfänger im Kaiserreich nicht, der den roten Vogel nach seiner Ehrung enttäuscht und wütend in die Ecke warf mit den Worten: "Bleib liegen, bis du schwarz wirst!"
ULLA FÖLSING
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Klaus Wiborg findet an dieser Biografie Ballins, der bis 1918 Generaldirektors der Reederei Hapag war, kein gutes Haar. Seine Kritik beginnt damit, dass ein Ballin-Biograf zumindest hätte herauszufinden müssen, wofür die Abkürzung Hapag steht, und endet bei dem Vorwurf allzu vieler sachlicher Fehler und Übergehung wichtiger historischer Fakten in dem Buch. Besonders das Bemühen des Autors, Ballins unerhörten wirtschaftlichen Erfolg mit "Glück" zu begründen, findet der Rezensent absolut verfehlt. Hier "verhaspelt" sich der Autor. Sprachliche Missgriffe wie beispielsweise "Humanware" für Auswanderer, helfen auch nicht gerade, das Urteil des Rezensenten positiv zu beeinflussen, und so bleibt es durch und durch vernichtend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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