"Das vorliegende Album ist Trophäe, Ergebnis erstaunlicher Kopf- wie Körperjagd; gleichermaßen melancholische Jagd nach dem Sprach- und Geschichtskörper, den Scho dort aufzusuchen pflegt, wo seine Zerstückelung, die Besudelung, offenbar wird: Dianas Jagd nach den verdunkelten Spuren weiblicher Sexualität. Ich kenne keine(n) der augenblicklich interessanten Dichter und Dichterinnen, denen die (ressentimentlos-didaktikfreie: eben dichterische) Benennung des Geschlechterkampfes (hier trifft das Wort) in seinem verdrucksten Elend treffender gelingt ... Wandlung im offenbar Unwandelbaren, das ist Album. Das Titelwort leitet sich von ,albus', ,weiß', her: weißes (Foto-)Papier wird hier mit Schrift besetzt. Die geweißten Flecken der Geschichte, deren angeschmuddelte, unbegriffene Papiere bedeckt Sabine Scho mit den rasanten, luft- wie sprachaufklärenden Gliedern ihrer Zeichenketten. Bei aller, durchgehender, Härte finden sich schöne, atemberaubend schöne Fügungen in ihren Gedichten; die sich die Dichterin, wie es scheint, nach genauer Prüfung erst einzusetzen gestattet." Thomas Kling "... ein vielstimmiges, vielperspektivisches, hochkomplexes lyrisches Sprechen, das zeigt, was Lyrik zuallererst ist: ein schönes Spracherweiterungsprogramm. Auf diese Weise löst die Autorin die große alte Aufgabe der Dichtung, ein äußerst zufälliges in ein ganz einzigartiges Leben zu verwandeln." Aus der Jury-Begründung zum Leonce-und-Lena-Preis "Sabine Schos Poesiealbum tötet die Nostalgie im Kälteschock. ... Alltagssprache und Zitate, fremdsprachliche Wendungen und Fachjargon gelangen hier in eine poetische Sortiermaschine, die die Spreu vom Weizen trennt. Wer zeitgenössische Lyrik noch immer überwiegend für Selbstbespiegelung oder leer kreisende Sprachmusik hält, wird sich auch bei Sabine Scho eines Besseren belehren lassen können." Richard Kämmerlings, FAZ Leonce-und-Lena-Preis 2001 Ernst-Meister-Förderpreis 2001
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2008Verewigte Momente
Sabine Scho wurde von Thomas Kling "entdeckt", in einem Band, der diese Entdeckung im Titel pries und im Jahre 2001 im Europa Verlag erschien. Aufgrund wechselnder Besitzverhältnisse des Verlags war dieses bemerkenswerte Debüt allerdings nur kurze Zeit greifbar. Zudem stand über dem Namen der inzwischen in Berlin und São Paulo lebenden Autorin der des bekannteren Fürsprechers, dem unweigerlich ein entscheidender Einfluss zugeschrieben wurde, was die Originalität von Schos vielbezüglichen Poemen unfreiwillig in Frage stellte. Jetzt erscheint "Album" erneut, in einer in vielerlei Hinsicht verschönerten Edition, aber ohne Klings lesenswertes Vorwort. Darin hatte er Schos kunstvolle Komposition zu den "wichtigsten, nicht zuletzt durch die offene Geschlossenheit überzeugenden deutschen Gedichtbüchern der letzten Jahre" gezählt. Schos Gedichte faszinieren durch das behutsam geschaffene Spannungsverhältnis zu den nun ebenfalls auf schwarzem Papier abgedruckten Fotografien der fünfziger und sechziger Jahre. Nicht allein das Familienalbum wird beiläufig assoziiert, hinter dessen Konzeption sich eine eigentümliche Art der Erzählung verbirgt, auch das Genre des Künstleralbums, etwa eines Ilya Kabakov, schimmert unauffällig durch. Die Fotografien werden oft nur in Ausschnitten oder Vergrößerungen präsentiert, die den Bildhintergrund offenbaren, während der Text kommentiert, weiterspinnt und eigene sprachliche Wege einschlägt, um der Nostalgiefalle alter Fotografien zu entgehen: komplexe Momentaufnahmen, grobkörnig, die im historischen wie medialen Kontext reflektiert und im Jargon, im Zitat, in Fachtermini gespiegelt werden. Schos "Album" ist die Wiederentdeckung wert. (Sabine Scho: "Album". Gedichte. Kookbooks, Idstein 2008. 64 S., br., 15,90 [Euro].) axmü
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sabine Scho wurde von Thomas Kling "entdeckt", in einem Band, der diese Entdeckung im Titel pries und im Jahre 2001 im Europa Verlag erschien. Aufgrund wechselnder Besitzverhältnisse des Verlags war dieses bemerkenswerte Debüt allerdings nur kurze Zeit greifbar. Zudem stand über dem Namen der inzwischen in Berlin und São Paulo lebenden Autorin der des bekannteren Fürsprechers, dem unweigerlich ein entscheidender Einfluss zugeschrieben wurde, was die Originalität von Schos vielbezüglichen Poemen unfreiwillig in Frage stellte. Jetzt erscheint "Album" erneut, in einer in vielerlei Hinsicht verschönerten Edition, aber ohne Klings lesenswertes Vorwort. Darin hatte er Schos kunstvolle Komposition zu den "wichtigsten, nicht zuletzt durch die offene Geschlossenheit überzeugenden deutschen Gedichtbüchern der letzten Jahre" gezählt. Schos Gedichte faszinieren durch das behutsam geschaffene Spannungsverhältnis zu den nun ebenfalls auf schwarzem Papier abgedruckten Fotografien der fünfziger und sechziger Jahre. Nicht allein das Familienalbum wird beiläufig assoziiert, hinter dessen Konzeption sich eine eigentümliche Art der Erzählung verbirgt, auch das Genre des Künstleralbums, etwa eines Ilya Kabakov, schimmert unauffällig durch. Die Fotografien werden oft nur in Ausschnitten oder Vergrößerungen präsentiert, die den Bildhintergrund offenbaren, während der Text kommentiert, weiterspinnt und eigene sprachliche Wege einschlägt, um der Nostalgiefalle alter Fotografien zu entgehen: komplexe Momentaufnahmen, grobkörnig, die im historischen wie medialen Kontext reflektiert und im Jargon, im Zitat, in Fachtermini gespiegelt werden. Schos "Album" ist die Wiederentdeckung wert. (Sabine Scho: "Album". Gedichte. Kookbooks, Idstein 2008. 64 S., br., 15,90 [Euro].) axmü
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Tobias Lehmkuhl begrüßt Sabine Schos neu aufgelegten Gedichtband "Album". Anders als bei der Ausgabe des Hamburger Europa Verlags von 2001 hat ihn bei der vorliegenden die Aufmachung rundum begeistert. Gestalterisch ist das Buch für ihn der "einfallsreichste Gedichtband des Jahres". Auch Schos Gedichte haben ihn überzeugt. Er hebt die Eigenständigkeit dieser Lyrikerin hervor, die so "spröde und schräg" dichte wie sonst niemand heute. Die auf Fotografien aus der Wirtschaftwunderzeit der BRD basierenden Gedichte - "Montagen aus vermeintlichen Bildunterschriften, inszenierter O-Ton, lakonischer Kommentar oder Werbezitat" - wirken auf ihn, obwohl kaum je ein lyrisches Ich in ihnen auftaucht, nicht seelenlos, sondern scheinen ihm regelerecht zu "vibrieren".
© Perlentaucher Medien GmbH
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