Der Bär Alfred und der Hund Samuel, zwei alte zerschlissene Stofftiere, fristen ein trauriges Dasein in einem muffigen Pappkarton. Immer wieder denken sie an die Zeit zurück, als sie die Lieblingsgefährten Paul-Georgs waren, und eines Tages machen sie sich auf, um ihn zu suchen. Sie marschieren auf der Chaussee nach Süden, überqueren wilde Bäche, trotzen bösen Hunden und gefräßigen Vögeln. Paul-Georg finden sie zwar nicht, aber dafür Lisa. Bei der fühlen sie sich geborgen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.1996Rückkehr der Kuscheltiere
Sehnsucht nach Papa Heuss
Viele Jahre später muß es sein, da erwachen eines Morgens zwei Stofftiere in ihrem Pappkarton zu neuem Leben. Alfred der Bär und Samuel der Hund sind nicht mehr von dieser Welt, sie sind noch mit Sägespänen vollgestopft und riechen nach altem Stoff. Sie kennen noch die warme, tiefe Stimme von Papa Heuss aus dem Radio, Überbleibsel des letzten Umzugs, zurückgelassen für die nächsten Kinder, die vielleicht einmal, vielleicht niemals in dieses Haus einziehen werden. Der Umzug war mehr ein Aufbruch, das fühlt der Bär immer noch, kann sich aber nicht genau erinnern. Das viele Denken strengt ihn an, nach so viel Schlaf.
Nach und nach tauchen in ihnen die Bilder wieder auf, die Gerüche, die Geräusche aus ihrem Leben von einst. Daraus komponieren sie sich ihre Reise, auf der Suche nach Paul-Georg, dem Jungen, der sie einst geliebt hat. Traumverloren durchwandern sie ihre Erinnerungen; ein zähes gedankliches Dickicht trennt sie von der Zeit, die so lange her ist. Aber manchmal denken sie an gute Sachen, um es gemütlich zu haben.
Ragnar Hovland, in Norwegen ein bekannter Autor, erzählt hier eine bewegend unspektakuläre Geschichte. Die beiden kommen an einen Bach, sie sehen die Vögel nach Süden ziehen, sie erkennen die graue Scheune wieder, wo eine Katze ihnen freundlich Nachtquartier gibt, sie finden die Chaussee, auf der Paul-Georg fortgegangen sein muß. Sie erzählen sich ihre Träume, sie phantasieren sich wohltuende Bilder herbei, rund um Paul-Georg, rund um Papa Heuss. Dann gibt es Zwischenfälle: Samuel wird von einem großen Vogel aufgegriffen - doch zum Glück bald wieder fallengelassen. Alfred den Bären erfaßt ein gefährlicher Hund. Aber Wunden heilen. Dann prasselt ein fürchterlicher Regen herab; auf der Chaussee - weit sind sie noch nicht gekommen - steht das Wasser. Samuel hat Sehnsucht nach dem alten Pappkarton.
Am Schluß - tropfnaß im Wald - findet sie ein gewisser Manfred. Zerrissen, wie sie sind, trägt er die altmodischen Kuscheltiere für Tochter Lisa nach Haus. Sie wird die beiden mit ins Bett nehmen, damit sie sich erholen können. Jetzt fängt ein anderes Leben für sie an, auf dem Sofa, warm und trocken, während es draußen schneit. Und sie träumen - von früher, von Paul-Georg und Papa Heuss . . .
Das Buch von Alfred dem Bären und Samuel dem Hund ist ein langsames Buch. Gedankenpausen und Träume haben ihren Platz, Jahreszeiten und Himmelsrichtungen markieren die stille Handlung, Stimmungen vermitteln sich nah. Es ist eine Langsamkeit, aus der Traurigkeit spricht. Die beiden beseelten Stofftiere sind nicht nur allein auf der Welt, es gibt auch zwischen ihnen eine schmerzliche Entfernung. Die Suche nach Paul-Georg, nach dem, was einmal Wärme und Heimat war, endet an einem fremden Ort. Es bleiben nur die Träume an früher, an Paul-Georg und den abstrakten Papa Heuss.
Damit wird dies ein philosophisches Buch. Es stellt Fragen nach dem Sein in der Welt, wie sie Kinder, für die Stofftiere noch Bedeutung haben, sie so vielleicht gar nicht haben. Ob wohl viele Kinder die Faszination dieses Buches ermessen können? In Norwegen ist es unbebildert erschienen. Die Illustrationen der deutschen Ausgabe sind von Peter Schössow, der hier wie auch in seinen anderen Arbeiten (Baby Dronte; Ich Kater Robinson) den Erzählstoff mit kühlen, intellektuellen Zeichnungen ergänzt. Auch so bleibt es ein Kinderbuch, mit dem sich manches Kind schwertun wird. KATRIN STENDER
Ragnar Hovland: "Alfred der Bär und Samuel der Hund steigen aus dem Pappkarton". Ill. von Peter Schössow. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Hanser Verlag, München 1996. 112 S., geb., 29,80 DM. Ab 8 J. und zum Vorlesen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sehnsucht nach Papa Heuss
Viele Jahre später muß es sein, da erwachen eines Morgens zwei Stofftiere in ihrem Pappkarton zu neuem Leben. Alfred der Bär und Samuel der Hund sind nicht mehr von dieser Welt, sie sind noch mit Sägespänen vollgestopft und riechen nach altem Stoff. Sie kennen noch die warme, tiefe Stimme von Papa Heuss aus dem Radio, Überbleibsel des letzten Umzugs, zurückgelassen für die nächsten Kinder, die vielleicht einmal, vielleicht niemals in dieses Haus einziehen werden. Der Umzug war mehr ein Aufbruch, das fühlt der Bär immer noch, kann sich aber nicht genau erinnern. Das viele Denken strengt ihn an, nach so viel Schlaf.
Nach und nach tauchen in ihnen die Bilder wieder auf, die Gerüche, die Geräusche aus ihrem Leben von einst. Daraus komponieren sie sich ihre Reise, auf der Suche nach Paul-Georg, dem Jungen, der sie einst geliebt hat. Traumverloren durchwandern sie ihre Erinnerungen; ein zähes gedankliches Dickicht trennt sie von der Zeit, die so lange her ist. Aber manchmal denken sie an gute Sachen, um es gemütlich zu haben.
Ragnar Hovland, in Norwegen ein bekannter Autor, erzählt hier eine bewegend unspektakuläre Geschichte. Die beiden kommen an einen Bach, sie sehen die Vögel nach Süden ziehen, sie erkennen die graue Scheune wieder, wo eine Katze ihnen freundlich Nachtquartier gibt, sie finden die Chaussee, auf der Paul-Georg fortgegangen sein muß. Sie erzählen sich ihre Träume, sie phantasieren sich wohltuende Bilder herbei, rund um Paul-Georg, rund um Papa Heuss. Dann gibt es Zwischenfälle: Samuel wird von einem großen Vogel aufgegriffen - doch zum Glück bald wieder fallengelassen. Alfred den Bären erfaßt ein gefährlicher Hund. Aber Wunden heilen. Dann prasselt ein fürchterlicher Regen herab; auf der Chaussee - weit sind sie noch nicht gekommen - steht das Wasser. Samuel hat Sehnsucht nach dem alten Pappkarton.
Am Schluß - tropfnaß im Wald - findet sie ein gewisser Manfred. Zerrissen, wie sie sind, trägt er die altmodischen Kuscheltiere für Tochter Lisa nach Haus. Sie wird die beiden mit ins Bett nehmen, damit sie sich erholen können. Jetzt fängt ein anderes Leben für sie an, auf dem Sofa, warm und trocken, während es draußen schneit. Und sie träumen - von früher, von Paul-Georg und Papa Heuss . . .
Das Buch von Alfred dem Bären und Samuel dem Hund ist ein langsames Buch. Gedankenpausen und Träume haben ihren Platz, Jahreszeiten und Himmelsrichtungen markieren die stille Handlung, Stimmungen vermitteln sich nah. Es ist eine Langsamkeit, aus der Traurigkeit spricht. Die beiden beseelten Stofftiere sind nicht nur allein auf der Welt, es gibt auch zwischen ihnen eine schmerzliche Entfernung. Die Suche nach Paul-Georg, nach dem, was einmal Wärme und Heimat war, endet an einem fremden Ort. Es bleiben nur die Träume an früher, an Paul-Georg und den abstrakten Papa Heuss.
Damit wird dies ein philosophisches Buch. Es stellt Fragen nach dem Sein in der Welt, wie sie Kinder, für die Stofftiere noch Bedeutung haben, sie so vielleicht gar nicht haben. Ob wohl viele Kinder die Faszination dieses Buches ermessen können? In Norwegen ist es unbebildert erschienen. Die Illustrationen der deutschen Ausgabe sind von Peter Schössow, der hier wie auch in seinen anderen Arbeiten (Baby Dronte; Ich Kater Robinson) den Erzählstoff mit kühlen, intellektuellen Zeichnungen ergänzt. Auch so bleibt es ein Kinderbuch, mit dem sich manches Kind schwertun wird. KATRIN STENDER
Ragnar Hovland: "Alfred der Bär und Samuel der Hund steigen aus dem Pappkarton". Ill. von Peter Schössow. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Hanser Verlag, München 1996. 112 S., geb., 29,80 DM. Ab 8 J. und zum Vorlesen.
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