29,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Alfred Kerr ist uns in Erinnerung als der einflussreichste Theaterkritiker Deutschlands im 20. Jahrhundert. Er rühmte Henrik Ibsen als den Ahnherrn der Moderne, kämpfte für Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind, George Bernard Shaw, entdeckte Robert Musil, stritt gegen den Talmiruhm Hermann Sudermanns, kämpfte mit Bertolt Brecht, verspottete Karl Kraus und setzte gegen Thomas Manns endlose Sätze seine knappen, treffenden, die deutsche Sprache präzisierenden Sentenzen. Er war um 1910 verehrt von den jungen Dichtern, kämpfte in der Republik gegen Rückwärtserei und die Nazis.…mehr

Produktbeschreibung
Alfred Kerr ist uns in Erinnerung als der einflussreichste Theaterkritiker Deutschlands im 20. Jahrhundert. Er rühmte Henrik Ibsen als den Ahnherrn der Moderne, kämpfte für Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler, Frank Wedekind, George Bernard Shaw, entdeckte Robert Musil, stritt gegen den Talmiruhm Hermann Sudermanns, kämpfte mit Bertolt Brecht, verspottete Karl Kraus und setzte gegen Thomas Manns endlose Sätze seine knappen, treffenden, die deutsche Sprache präzisierenden Sentenzen. Er war um 1910 verehrt von den jungen Dichtern, kämpfte in der Republik gegen Rückwärtserei und die Nazis. Goebbels hasste ihn so sehr, dass Kerr sich 1933 ins Exil retten musste. Die Jahre in Paris und London waren ein Sturz in Not und Elend.
Deborah Vietor Engländer erschließt in dieser Biographie zum ersten Mal das ganze, zum Teil unbekannte Leben und Wirken Alfred Kerrs, nutzt unbekannte Quellen und rückt uns diesen Streiter, der aus Lessings Geist lebte und mit dem Sprachwitz Heinrich Heines schrieb, wieder nah. Sie zeigt, welche Höhe dieser lebensdurstige Mensch erreichte und wie jäh sein Absturz war. Kerrs Biographie spiegelt exemplarisch das Leben jener jungen jüdischen Generation, die um 1880 aufbrach, um an der deutschen Kultur endlich teilzunehmen. Alfred Kerr starb 1948 in Hamburg, am Beginn einer Vortragsreise, als wollte ihn das Schicksal zurückführen in das Land, für dessen geistige Freiheit er stritt und das er nie vergaß.
Seine von Günther Rühle in der Breslauer Zeitung der Jahrhundertwende entdeckten «Berliner Briefe» («Wo liegt Berlin?», erschienen 1997) führten zu Alfred Kerrs Neuentdeckung. Im Literarischen Quartett verkündete Marcel Reich-Ranicki damals: «Die Geschichte des deutschen Feuilletons muss nach diesem Buch neu geschrieben werden.»
Die exemplarische Geschichte eines großen Schriftstellers, dessen glänzende Karriere die Nazis gewaltsam beendeten.
Autorenporträt
Deborah Vietor-Engländer, geboren und aufgewachsen in London. Studium an der Universität London, Promotion bei Walter Jens in Tübingen. Langjährige Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität des Saarlandes und an der TU Darmstadt. Lebt im Rhein-Main-Gebiet. Autorin von 'Faust in der DDR', Frankfurt am Main 1987. Herausgeberin von zwei Bänden der Werkausgabe Alfred Kerrs im S. Fischer Verlag und einer Werkausgabe Hermann Sinsheimers, zahlreiche Publikationen zur Exilthematik. Zurzeit mit der Edition der Berliner Plauderbriefe Alfred Kerrs 1897-1922 beschäftigt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2017

"Mein ist die Sprache"
Kerr-Biographie bei der "Frankfurter Premiere"

Er war besessen von dem "Drang, Stellung zu nehmen". Alfred Kerr, neben Alfred Polgar der wohl wirkmächtigste deutschsprachige Theaterkritiker vor 1933, fühlte sich "gedrängt zu preisen oder zu rülpsen. Mein ist die Sprache", wusste er, nachdem ihn Altmeister Fontane mit einem Lobesbrief an den Herausgeber des Magazins für Literatur quasi zum Ritter geschlagen hatte. Umso verwunderlicher, dass erst jetzt, fast 70 Jahre nach dem Tod des Rezensenten, die erste umfassende Biographie über ihn erschienen ist. Die Literaturwissenschaftlerin Deborah Vietor-Engländer, die bei Walter Jens promoviert und an der TU Darmstadt gelehrt hat, stellte sie jetzt bei der ersten "Frankfurter Premiere" des Jahres in der Historischen Villa Metzler vor. Im Gespräch mit dem Literaturkritiker Martin Lüdke erwies sich die Autorin als profunde Kennerin der Berliner Theatergeschichte.

Deborah Vietor-Engländer ist in London aufgewachsen, wo ihre ältere Schwester Shulamit dank eines Kindertransports von 1939 die Schoa überlebt hatte. Als 1971 Judith Kerrs Buch "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl" in England erschien, machte Shulamit ihre Schwester auf die Verfasserin aufmerksam. Von der Tochter des emigrierten Kritikers erfuhr Deborah Vietor-Engländer, dass im Rhein-Main Gebiet zwei Menschen an einer Gesamtausgabe der Werke Alfred Kerrs arbeiteten. So lernte Deborah Vietor-Engländer den Theaterhistoriker, Kritiker und Kerr-Mitherausgeber Günther Rühle und dessen mittlerweile verstorbene Frau Margarete kennen. "Wir wurden zum Dreigespann", erinnert sie sich. Gemeinsam setzten sie die Arbeit an der achtbändigen Ausgabe für den S. Fischer Verlag fort.

Wie von selbst ergab sich daraus eine Kerr-Biographie. Insgesamt 15 Jahre hat Vietor-Engländer daran gearbeitet. Die rund 700 Seiten unter dem Titel "Alfred Kerr. Die Biographie" (Rowohlt Verlag) hat sie ihrer Schwester gewidmet. Kurze Einblicke gab sie jetzt in die Konkurrenzkämpfe der Kritiker und Autoren von dazumal. Kerr konnte mit Brechts Stücken - die "Dreigroschenoper" ausgenommen - nichts anfangen, und fand keinen Zugang zu dessen Theorie des epischen Theaters. Karl Kraus hasste Kerr und bescheinigte ihm dies auf 384 Seiten. Gerhart Hauptmann beschimpfte Kerr als "Schmeißfliege", obwohl dieser ihn als naturalistischen Autor auf der Bühne durchgesetzt hatte. Zuletzt verfluchte der Kritiker seinen undankbaren Zögling, der nur seinen Vorteil bei ihm gesucht hatte: "Hauptmann schmeichelt dem Raubgesindel. Sein Andenken soll verscharrt sein unter Disteln."

Aber Martin Lüdke wollte auch wissen, was den Meister der "Erlebniskritik" privat so umgetrieben hatte. Eine delikate Beziehung verband Kerr etwa mit Thomas Mann, von dessen Frau Katja er einst einen Korb bekommen hatte. "Kerr wollte mich heiraten", schrieb diese in einem Brief, was niemand je ernst nahm. Vietor-Engländer aber stieß auf einen Brief von Katjas Mutter: "Wie gefällt Ihnen Kerr als mein Schwiegersohn", heißt es da. Soviel zur akribischen Recherche der Verfasserin. Vielleicht hatte der Abgewiesene auch deshalb keine Freude an Thomas Manns Bandwurmsätzen. Jedenfalls hat er ein boshaftes Gedicht über seinen Rivalen verfasst, das in der Biographie ebenso nachzulesen ist wie die Verelendung des gefeierten und wohlhabenden Kritikers im englischen Exil. Deborah Vietor-Engländer ist übrigens schon beim nächsten Projekt: der Edition von Kerrs Berliner Briefen 1897 bis 1922.

CLAUDIA SCHÜLKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ausführlich und wohlwollend stellt Bernd Noack Deborah Vietor-Engländer und ihre Biografie des berühmt-berüchtigten Theaterkritikers Alfred Kerr vor, ohne das Buch zu bewerten. Er hat die Autorin getroffen und belässt es beim Erzählen hübsch böser Anekdoten. Deutlich macht er, dass die Autorin bei Kerr großen Wert auf die Unterscheidung der öffentlichen und der privaten Person legt. Denn als Kritiker sei Kerr vielleicht gnadenlos gewesen, wenn er Schauspiel- und Regiekarrieren beendete, seine Gegner beschimpfte oder in der unerbittlichen Fehde Karl Kraus als "aufgeblähten Jammerzwerg" titulierte; als Familienvater jedoch sei er absolut liebenswert und über jeden Zweifel erhaben gewesen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Alles, was ich über meinen Vater nie wusste. Brillant! Judith Kerr, Autorin des Bestsellers «Als Hitler das rosa Kaninchen stahl»