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Viele kennen seinen Namen, aber nur wenige wissen, wer er gewesen ist. Heute taucht Alfred Lichtwark (1852-1914) meistens im Zusammenhang mit der Hamburger Kunsthalle auf, deren erster Direktor er war. Für viele seiner Zeitgenossen war er aber wesentlich mehr: ein gern gelesener Autor, ein begehrter Vortragsredner, ein Mitglied vieler Jurys, kurzum: eine Instanz des öffentlichen Lebens.Lichtwark unterstützte Talente und manchmal gängelte er sie auch. Das führte ebenso zu Konflikten wie sein Bemühen, das Hamburger Bürgertum für die neue Kunst zu gewinnen.Er liebte die Hansestadt, der Ausbau der…mehr

Produktbeschreibung
Viele kennen seinen Namen, aber nur wenige wissen, wer er gewesen ist. Heute taucht Alfred Lichtwark (1852-1914) meistens im Zusammenhang mit der Hamburger Kunsthalle auf, deren erster Direktor er war. Für viele seiner Zeitgenossen war er aber wesentlich mehr: ein gern gelesener Autor, ein begehrter Vortragsredner, ein Mitglied vieler Jurys, kurzum: eine Instanz des öffentlichen Lebens.Lichtwark unterstützte Talente und manchmal gängelte er sie auch. Das führte ebenso zu Konflikten wie sein Bemühen, das Hamburger Bürgertum für die neue Kunst zu gewinnen.Er liebte die Hansestadt, der Ausbau der Hamburger Kunsthalle zu einem führenden Museum war sein größtes Verdienst. Vieles von dem, was er anregte, geplant oder auch verhindert hat, wirkt bis heute nach, auch wenn sich die meisten dessen nicht bewusst sind.Rudolf Großkopff erzählt kompetent und anschaulich vom Leben und Wirken Lichtwarks ein Muss für alle Kunst- und Kulturinteressierten.
Autorenporträt
Rudolf Großkopff, geboren 1935 in Münster, ist promovierter Historiker und Journalist. Nach seiner jahrelangen Tätigkeit als Korrespondent unter anderem für die Welt, Frankfurter Rundschau und den Tagesspiegel arbeitete er ab 1986 beim Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt. Zahlreiche Buchveröffentlichungen. Rudolf Großkopff lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2003

Leerer Teller, dicke Backe
Elbmäzene: Kunst und Politik in vier Hamburger Köpfen

Der Maler Wilhelm Tischbein, der ins Ausland ging und als Direktor der Kunstakademie in Neapel arbeitete, konnte schon im achtzehnten Jahrhundert über das Los der Kunst in der Freien und Hansestadt Hamburg ein Wort mitreden. In seinen Aufzeichnungen "Aus meinem Leben" bemerkt er, daß in der Stadt zwar ein lebhafter Kunstverkehr herrsche, es aber schon sonderbar sei, "daß sich kein Künstler in Hamburg mit Anstand ernähren und erhalten" könne.

Aber dann geht es doch. Aus dem Dilemma zwischen dem Geist vor dem leeren Teller und den dicken Backen des Geldes bildet sich eine ganz besondere Kunst heraus: wie man Geldgeber findet. Drei der vier Hamburger Köpfe, deren kurze, reichbebilderte Lebensgeschichte die Hamburger "Zeit"-Stiftung in einer stolzen Reihe über Persönlichkeiten der Stadt herausgegeben hat, sind auf Geld aus anderen Taschen angewiesen, damit funktioniert, was sie sich vorstellen: Justus Brinckmann sammelt um neunzehnhundert Geld und Gaben für das Museum für Kunst und Gewerbe. Seinem Vorbild folgt noch heute der Direktor des Museums, Wilhelm Hornborstel. Er steht und arbeitet mit Erfolg in dieser Linie. Alfred Lichtwark wird als früher Direktor der Kunsthalle immer wieder über seine Geldsorgen klagen, die ihn plagen, während er aus der Kunsthalle eines der führenden deutschen Museen macht: "Es ist ein Jammer, wie wenig Verständnis hier herrscht für die ökonomische Funktion der Kunst. Und doch ist das der Punkt, von dem aus unsere uncultivierten Politiker in das Verständnis der Kunst eingeführt werden müssen, wohlgemerkt, ihrer Wirkung und Bedeutung, nicht ihres Wesen." Der Umbau der Nebenspielstätte des Thalia Theaters in der Kunsthalle zu einem weitläufigen Raum für Ausstellungen, der vor Monaten beschlossen worden ist, wird mit den Mitteln einer privaten Stiftung finanziert. Die Schauspielerin und Intendantin der Hamburger Kammerspiele, Ida Ehre, die sich als Jüdin vor den Nationalsozialisten hatte verstecken müssen, bedrängt Max Brauer, der vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten geflohen war und nach dem Krieg zum Ersten Bürgermeister Hamburgs gewählt wurde, daß die Stadt die Immobilie der Kammerspiele kaufen und ihr zur Verfügung stellen soll. Und heute - verdankt sich der Umbau des ehrwürdigen Hauses in einen fernöstlich angehauchten Kunsttempel einem privaten Mäzen.

Einhundert Jahre nach Tischbeins Fußnote zu Hamburg marschiert der junge Alfred Lichtwark, der 1886 zum Direktor der Hamburger Kunsthalle ernannt wird, in das Museum für Kunst und Gewerbe. Er hört sich dort Vorträge an, die Direktor Justus Brinckmann hält. In einigen Jahren wird auch Lichtwark zu Vorträgen in die Kunsthalle einladen. An dieser Tradition der öffentlichen Rede über Kunst für die Bürger halten beide Häuser bis heute fest. Brinckmann wird 1843 geboren und ist nur neun Jahre älter als Lichtwark. Er wächst in Hamburg in wohlhabenden, Lichtwark dort in bedrückenden Verhältnissen auf. Beide machen Karriere. Brinckmann wird das Museum für Kunst und Gewerbe aufbauen und für andere Museen ein Beispiel geben. Lichtwark wird den frischen Impressionismus in die Kunsthalle holen und Künstler fördern, denen Aufgaben zu stellen und Aufträge zu vermitteln er nicht müde wird, darunter vor allem für Max Liebermann.

Versteckte Winkel finden sich in ihrem Privatleben, über das sich ihre Biographen, die sich ganz der öffentlichen kulturellen Leistung der beiden verpflichtet sehen, nur noch dezent äußern. Der arbeitsame und reiselustige Lichtwark lebt ohne Ehefrau und ohne Kinder an der Seite seiner Mutter. Der umtriebige Sammler und geschickte Einkäufer Brinckmann heiratet nicht nur einmal und hat mit seiner ersten Frau drei Kinder. Nach deren Tod nimmt er sich deren Schwester zur Ehefrau und hat mit ihr vier Kinder. Sein Verhältnis zur zweiten Familie trübt sich, als herauskommt, daß er insgeheim noch eine Familie gegründet hat: Er hat mit der Malerin Henriette Hahn eine Tochter in die Welt gesetzt. Nachdem diese Liebschaft aufgeflogen ist, weil er einen Brief an seine Frau mit einem Brief an seine Geliebte verwechselt hat, werden von den beiden, die bald heiraten, noch drei weitere Kinder gemacht. Ein reicher Segen für einen Mann der Jahrhundertwende: ein Museum, drei Frauen, elf Kinder.

Brinckmann und Lichtwark sind nicht nur Direktoren, die mit Bürgern und Politikern verhandeln können. Sie verstehen sich als Erzieher des Volkes, Bildner des deutschen Geschmacks. Aber nicht nur der Bürger soll zur Bildung und zu Ansehen kommen. Die Mutter von Max Brauer, der in Ottensen in der Nähe von Altona, das damals noch nicht zu Hamburg gehörte, im Jahr 1887 als Arbeiterkind geboren wird, schärft ihrem Jungen die Maxime der Arbeiterbewegung ein: Acht Stunden Arbeit - acht Stunden Schlaf - acht Stunden Bildung. Der junge Brauer greift zum Buch, tritt früh in die Sozialdemokratische Partei ein und verehrt innig den Dichter Gerhart Hauptmann. Ida Ehre wird Gerhart Hauptmanns Drama "Der Biberpelz" im Jahr 1953 an den Kammerspielen zeigen. Grethe Weiser spielt die Mutter Wolff. In den Kammerspielen, die sich in den Jahren nach dem Krieg ein großes Ansehen auch mit zeitgenössischen Stücken, darunter Brecht, Sartre und Frisch, erspielten, war sechs Jahr zuvor Wolfgang Borcherts trauriges Drama "Draußen vor der Tür" zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt worden. Ida Ehre ist siebenundvierzig Jahre alt, als sie die Hörspielfassung kennenlernt. Sie überredet den todkranken Borchert, ein Theaterstück daraus zu machen. Mit dem fertigen Werk geht sie zum Verleger Ernst Rowohlt. Das ist der Anfang des Rowohlt-Theaterverlages.

Justus Brinckmann stirbt an Herzschwäche am 8. Februar 1915 im Alter von 72 Jahren. Alfred Lichtwark wird im Juli 1913 am Magen operiert. Doch das hilft ihm auch nicht mehr auf die Beine. Er stirbt am 13. Januar 1914 an Krebs, nur 62 Jahre alt. Ida Ehre stirbt am 16. Februar 1989 im hohen Alter von 89 Jahren. Und Max Brauer stirbt ebenfalls im Winter, am 2. Februar 1973, immerhin 85 Jahre alt.

Wir vermissen in der Biographie über Justus Brinckmann, die aus der Feder des Künstlerischen Leiters des Bucerius Kunst Forums, Heinz Spielmann, stammt, eine doch immer hilfreiche Tabelle mit den wichtigsten Lebensdaten - und vermissen sie auch in der Biographie über Ida Ehre. Wer sich für die Politik in Hamburg unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg interessiert, wird die Biographie über Max Brauer nicht als zu lang empfinden. Die Darstellung von Leben und Werk Ida Ehres hätte gewonnen, wenn die Autorin noch mehr über das Theaterleben in Deutschland erzählt hätte. Bei Heinz Spielmann überzeugt die Darstellung von Theorie und Praxis des Kunstgewerbes in Hamburg um die Jahrhundertwende. Und in der Biographie über Alfred Lichtwark könnte man auf zwei Schnörkel verzichten: auf eine Seite, auf der Soll und Haben von Lichtwarks Werk und Wirkung nach Kaufmannsart einander gegenübergestellt werden, und auch auf ein nachgestelltes Interview mit dem Direktor über sein Kunstverständnis.

EBERHARD RATHGEB.

Rudolf Großkopff: "Alfred Lichtwark". 143 Seiten. Heinz Spielmann: "Justus Brinckmann". 115 Seiten. Axel Schildt: "Max Brauer". 127 Seiten. Anna Brenken: "Ida Ehre". 101 Seiten. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2002. Jeder Band mit zahlr. Abb., geb., je 14,90 [Euro].

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