Alison Jackson hat die Queen auf der Toilette fotografiert, George Bush und Tony Blair beim gemeinsamen Saunagang, Osama Bin Laden beim Backgammon und Monica Lewinsky beim Anzünden von Bill Clintons Zigarre. Oder etwa nicht? Die Ähnlichkeit ist stets verblüffend - doch all ihre Models sind natürlich Doppelgänger. Alison Jacksons Bilder demonstrieren, dass man glaubt, was man sieht - mag die Wahrheit auch eine ganz andere Geschichte sein und sich hinter den geschlossenen Türen ganz anders abgespielt haben ..."Ich versuche, eine psychologische Verbindung herzustellen zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir glauben"", sagt Alison Jackson. Ihre Werke haben für zahlreiche Kontroversen gesorgt; nicht zuletzt, weil sie sich häufig in einer Grauzone zwischen Parodie und Realität bewegen und der Privatsphäre öffentlicher Personen gefährlich nahe kommen. Für diese Ausgabe hat Alison Jackson Doppelgänger von Brad Pitt und Angelina Jolie fotografiert - ebenso von Saddam Hussein, GeorgeBush, Dick Cheney, Arnold Schwarzenegger, Donald Trump, J Lo, Eminem, Britney Spears, Jude Law, Nicole Kidman, Tom Cruise und vielen anderen. Seien Sie gespannt!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2007Echter als echt
Die Fotos von Alison Jackson sind keine Paparazzi-Bilder, die Menschen auf diesen Fotos keine Prominenten. Und trotzdem zeigen sie die Wahrheit
Der Ruhm (oder wie man heute lieber sagt, weil es nicht ganz so ernst und bedeutend klingt: die Prominenz) hat mit der Kunst kaum etwas und mit eigenem Verdienst noch weniger zu tun und am allerwenigsten mit dem tausendmal wiederholten und tausendmal dementierten Satz Andy Warhols, wonach jeder Mensch es schaffen könne, für eine Viertelstunde berühmt zu sein.
Berühmt wird man nicht durch seine Taten und nicht durch seine Unterlassungen, berühmt wird und bleibt man, wenn man das System "Ruhm" verstanden hat - ein System, dessen Regeln man am besten versteht in dem Moment, da sie nicht mehr funktionieren: Der eine oder andere mag sich noch erinnern an eine gewisse Britney Spears, eine hübsche junge Frau aus den amerikanischen Südstaaten, die angeblich vor ein paar Jahren eine Menge Platten verkaufte und die, angenehm frisiert und gut geschminkt und gekleidet, auf der Bühne stand und ihren Fans gut gefiel. Die Fans wollten mehr von ihr sehen, die sogenannten Paparazzi entsicherten ihre Tele-Objektive, und bald waren die entsprechenden Websites und Zeitungen voll von Bildern, auf welchen jene Britney Spears, ein bisschen dicker, schlechter geschminkt und nachlässig gekleidet, sich selbst überhaupt nicht mehr ähnlich sah. Das Publikum verlor schnell das Interesse an ihr - und das System offenbarte, wie es funktioniert. Man muss, wenn man berühmt bleiben will, unbedingt immer und in jeder Lage, sich selber ähnlich sein - und insofern ist die allseits geschmähte Paris Hilton natürlich sehr zu Recht berühmt dafür, berühmt zu sein: Sie sieht, wie alle Fotos beweisen, noch morgens um vier oder auch in einer Gefängniszelle genau wie Paris Hilton aus.
Insofern ist die Kamera tatsächlich ein Apparat, mit welchem man die Masken von den Gesichtern reißen kann - nur dass, wenn das gelingt, das schöne Spiel vorüber ist. Viel besser ist es, wenn die Maske passt, ein Paparazzi-Foto ist gelungen, wenn der Mensch, der da fotografiert wird, auch in scheinbar unbeobachteten Momenten wie Nicole Kidman, Brad Pitt oder George Bush aussieht, was naturgemäß eine große Herausforderung ist - für beide, die Fotografen und die Brad Pitts.
Truman Capote hat einmal erzählt, wie er Marilyn Monroe auf einer Beerdigung getroffen habe; es sei ihr nicht besonders gut gegangen, sie habe ihre Augen hinter einer Sonnenbrille und ihr Haar unter einem Kopftuch versteckt, und nur Capote habe sehen dürfen, was Marilyn vor allen anderen verbergen wollte: einen dunklen Streifen links und rechts des Scheitels. "Ich dachte, du seist eine echte Blondine", habe Capote gesagt. "Bin ich auch. Aber kein Mensch kann so echt sein", war die Antwort.
Doch, hätte, wäre sie dabei gewesen, wohl Alison Jackson geantwortet, die englische Fotografin und Videokünstlerin, die berühmt dafür ist, dass sie Menschen wie George Bush und Bill Gates, Jack Nicholson, Brad Pitt oder auch Mick Jagger schon an Orten und in Situationen fotografiert hat, zu denen allen anderen Fotografen der Zutritt verwehrt bleibt: Mick Jagger beim Bügeln, Bush in der Sauna mit Tony Blair, Gates mit einem iPod von Apple.
Alison Jackson arbeitet mit Leuten, die auf Englisch "Lookalikes" heißen und auf Deutsch Doppelgänger, und ausnahmsweise ist hier das deutsche Wort das bessere, weil es geheimnisvoller, rätselhafter, wichtiger klingt. Diese Doppelgänger nämlich sehen den echten Berühmtheiten nicht einfach ähnlich; sie sind, in den Inszenierungen von Alison Jackson, genau das, was Marilyn Monroe an sich selbst vermisste: Sie sind echter als echt, sie scheinen, wie die Doppelgänger der romantischen Tradition, das Wesen, das Joliehafte oder Kidmaneske, besser zu verkörpern - und wenn Alison Jackson eine Szene arrangiert, in welcher Brad Pitt die Beine seiner Frau Angelina rasiert; oder wenn Bill Gates an einem Apple-Computer sitzt, dann ist das weder Parodie noch Entlarvung. Es ist vielmehr eine Verzauberung. Und es demonstriert ganz nebenbei, dass fotografische Bilder die Welt eher in der Möglichkeits- als in der Wirklichkeitsform zeigen.
Existiert Nicole Kidman?
CLAUDIUS SEIDL
"Alison Jackson", Taschen-Verlag, 264 Seiten, 29,99 Euro. Erscheint am 18. August 2007.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Fotos von Alison Jackson sind keine Paparazzi-Bilder, die Menschen auf diesen Fotos keine Prominenten. Und trotzdem zeigen sie die Wahrheit
Der Ruhm (oder wie man heute lieber sagt, weil es nicht ganz so ernst und bedeutend klingt: die Prominenz) hat mit der Kunst kaum etwas und mit eigenem Verdienst noch weniger zu tun und am allerwenigsten mit dem tausendmal wiederholten und tausendmal dementierten Satz Andy Warhols, wonach jeder Mensch es schaffen könne, für eine Viertelstunde berühmt zu sein.
Berühmt wird man nicht durch seine Taten und nicht durch seine Unterlassungen, berühmt wird und bleibt man, wenn man das System "Ruhm" verstanden hat - ein System, dessen Regeln man am besten versteht in dem Moment, da sie nicht mehr funktionieren: Der eine oder andere mag sich noch erinnern an eine gewisse Britney Spears, eine hübsche junge Frau aus den amerikanischen Südstaaten, die angeblich vor ein paar Jahren eine Menge Platten verkaufte und die, angenehm frisiert und gut geschminkt und gekleidet, auf der Bühne stand und ihren Fans gut gefiel. Die Fans wollten mehr von ihr sehen, die sogenannten Paparazzi entsicherten ihre Tele-Objektive, und bald waren die entsprechenden Websites und Zeitungen voll von Bildern, auf welchen jene Britney Spears, ein bisschen dicker, schlechter geschminkt und nachlässig gekleidet, sich selbst überhaupt nicht mehr ähnlich sah. Das Publikum verlor schnell das Interesse an ihr - und das System offenbarte, wie es funktioniert. Man muss, wenn man berühmt bleiben will, unbedingt immer und in jeder Lage, sich selber ähnlich sein - und insofern ist die allseits geschmähte Paris Hilton natürlich sehr zu Recht berühmt dafür, berühmt zu sein: Sie sieht, wie alle Fotos beweisen, noch morgens um vier oder auch in einer Gefängniszelle genau wie Paris Hilton aus.
Insofern ist die Kamera tatsächlich ein Apparat, mit welchem man die Masken von den Gesichtern reißen kann - nur dass, wenn das gelingt, das schöne Spiel vorüber ist. Viel besser ist es, wenn die Maske passt, ein Paparazzi-Foto ist gelungen, wenn der Mensch, der da fotografiert wird, auch in scheinbar unbeobachteten Momenten wie Nicole Kidman, Brad Pitt oder George Bush aussieht, was naturgemäß eine große Herausforderung ist - für beide, die Fotografen und die Brad Pitts.
Truman Capote hat einmal erzählt, wie er Marilyn Monroe auf einer Beerdigung getroffen habe; es sei ihr nicht besonders gut gegangen, sie habe ihre Augen hinter einer Sonnenbrille und ihr Haar unter einem Kopftuch versteckt, und nur Capote habe sehen dürfen, was Marilyn vor allen anderen verbergen wollte: einen dunklen Streifen links und rechts des Scheitels. "Ich dachte, du seist eine echte Blondine", habe Capote gesagt. "Bin ich auch. Aber kein Mensch kann so echt sein", war die Antwort.
Doch, hätte, wäre sie dabei gewesen, wohl Alison Jackson geantwortet, die englische Fotografin und Videokünstlerin, die berühmt dafür ist, dass sie Menschen wie George Bush und Bill Gates, Jack Nicholson, Brad Pitt oder auch Mick Jagger schon an Orten und in Situationen fotografiert hat, zu denen allen anderen Fotografen der Zutritt verwehrt bleibt: Mick Jagger beim Bügeln, Bush in der Sauna mit Tony Blair, Gates mit einem iPod von Apple.
Alison Jackson arbeitet mit Leuten, die auf Englisch "Lookalikes" heißen und auf Deutsch Doppelgänger, und ausnahmsweise ist hier das deutsche Wort das bessere, weil es geheimnisvoller, rätselhafter, wichtiger klingt. Diese Doppelgänger nämlich sehen den echten Berühmtheiten nicht einfach ähnlich; sie sind, in den Inszenierungen von Alison Jackson, genau das, was Marilyn Monroe an sich selbst vermisste: Sie sind echter als echt, sie scheinen, wie die Doppelgänger der romantischen Tradition, das Wesen, das Joliehafte oder Kidmaneske, besser zu verkörpern - und wenn Alison Jackson eine Szene arrangiert, in welcher Brad Pitt die Beine seiner Frau Angelina rasiert; oder wenn Bill Gates an einem Apple-Computer sitzt, dann ist das weder Parodie noch Entlarvung. Es ist vielmehr eine Verzauberung. Und es demonstriert ganz nebenbei, dass fotografische Bilder die Welt eher in der Möglichkeits- als in der Wirklichkeitsform zeigen.
Existiert Nicole Kidman?
CLAUDIUS SEIDL
"Alison Jackson", Taschen-Verlag, 264 Seiten, 29,99 Euro. Erscheint am 18. August 2007.
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