Die bewegende Geschichte eines muslimischen Mädchens in Deutschland:
"Es gibt so viele Frauen, die wie ich keine Freiheiten haben. Das muss sich ändern!"
Aliyah
Aliyah ist 23 und seit Jahren auf der Flucht. Unter falschem Namen versteckt sie sich in fremden Städten vor ihrer kurdischen Familie. Sie wollte das Doppelleben, die Heimlichtuerei um die verbotene Liebe zu ihrem Freund nicht mehr hinnehmen. Sie ist bereit, für ihre Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen und hat akribisch den Ausbruch in ein neues Leben vorbereitet. Doch ihr neues Leben ist gefährdet und trotz ihres Mutes ist Aliyahs Zukunft nun ungewiss - vielleicht für immer.
Aliyah ist eine von vielen jungen muslimischen Frauen in Deutschland, denen die engagierte Journalistin Güner Yasemin Balci eindrucksvoll eine Stimme gibt. Eine bewegende Reportage über den Preis der Freiheit und ein leidenschaftliches Plädoyer für das Recht auf Selbstbestimmung.
"Es gibt so viele Frauen, die wie ich keine Freiheiten haben. Das muss sich ändern!"
Aliyah
Aliyah ist 23 und seit Jahren auf der Flucht. Unter falschem Namen versteckt sie sich in fremden Städten vor ihrer kurdischen Familie. Sie wollte das Doppelleben, die Heimlichtuerei um die verbotene Liebe zu ihrem Freund nicht mehr hinnehmen. Sie ist bereit, für ihre Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen und hat akribisch den Ausbruch in ein neues Leben vorbereitet. Doch ihr neues Leben ist gefährdet und trotz ihres Mutes ist Aliyahs Zukunft nun ungewiss - vielleicht für immer.
Aliyah ist eine von vielen jungen muslimischen Frauen in Deutschland, denen die engagierte Journalistin Güner Yasemin Balci eindrucksvoll eine Stimme gibt. Eine bewegende Reportage über den Preis der Freiheit und ein leidenschaftliches Plädoyer für das Recht auf Selbstbestimmung.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die hier rezensierende Fernsehmoderatorin und Krimiautorin Hülya Özkan-Bellut ist der Autorin dankbar, dass sie in ihrem Buch die Probleme junger muslimischer Migranten zwischen Anpassungsdruck und Tradition verhandelt. Dem Buch wünscht sie viele Leser, solche, wie Aliyah, einer jungen Kurdin, deren Geschichte Güner Yasemin Balci hier erzählt, eine Gejagte auf der Flucht vor Zwangsheirat und Ehrenmord. Laut Özkan-Bellut schafft es die Autorin, die Beklemmung spürbar zu machen und zugleich den Teufelskreis zwischen Tradition, Religion und Integration präzise aufzuzeigen und zu kritisieren. Was sie liest, ruft bei der Rezensentin einerseits Fassungslosigkeit hervor, andererseits entgeht ihr nicht das Problem des Buches, seine Anlage zwischen Fiktion und Dokumentation sowie Balcis mitunter allzu emotionale und pädagogisch gefärbte Argumentation. Eine wichtige Diskussion stößt die Autorin laut Özkan-Bellut aber in jedem Fall an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014Jungfräulichkeit als Allgemeingut
Von Machos, Tugendwächtern und einer Parallelgesellschaft: Güner Yasemin Balci prangert das sexistische Frauenbild an, das von vielen konservativen Muslimen gepflegt wird.
Von Hülya Özkan-Bellut
Es ist keine Geschichte, die ich mir ausgedacht habe, sie ist hier passiert, mitten unter uns, in Deutschland", schreibt die Autorin, gleich zu Beginn ihres Buches. Es handelt von Aliyah und anderen jungen Frauen und ihren konservativ- muslimischen Familien, von einem Milieu, in dem das Individuum wenig zählt, der Clan jeden Bereich des Lebens kontrolliert und ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Eigentlich gibt es kein Entrinnen aus dieser Umklammerung, denn wer ausbricht, beschmutzt die Ehre der Familie.
Nur wer viel Mut aufbringt, kann alles hinter sich lassen, so wie Aliyah, die beschließt, vor ihrem kurdischen Clan zu flüchten, und zwar mit ihrem Freund Dimi, einem jungen Griechen. Fortan ist sie die Gejagte, in ständiger Angst, sie könnte einem "Ehrenmord" zum Opfer fallen oder "zwangsverheiratet" werden. Das scheint in diesen Kreisen wie eine archaische Gesetzmäßigkeit: Junge Frauen werden, bevor sie ihren eigenen Traditionen abschwören, sprich: "zu deutsch" werden, schnell verheiratet, vorzugsweise an den Cousin. Dabei sind sie in Deutschland geboren und aufgewachsen, doch das will nichts heißen.
In Güner Yasemin Balcis neuestem Buch spürt man förmlich die beklemmende Atmosphäre dieser "geschlossenen Gesellschaft". Schon im Vorwort, das den Inhalt des Buches vorwegnimmt, beschreibt die Autorin ein düsteres Bild: "Frauen gelten als Besitz der Familie, ihre Jungfräulichkeit ist Allgemeingut, das jeder bewachen darf, es steht für die Ehre einer Sippe. Es ist vor allem dieses konservativ-muslimische Frauenbild, das Frauen den Männern unterordnet und ihren Körper dermaßen sexualisiert, dass nur noch züchtige Kleidung, ein keusches Kopftuch, ein stark eingeschränkter Bewegungsradius, ein gesenkter Blick und ständige Kontrolle sie angeblich davor bewahren können, an der nächsten Ecke vom erstbesten Mann flachgelegt zu werden - es ist ein zerstörerisches, krankes Frauenbild." Balci will diesen Teufelskreis von Tradition und Religion, der die Integration behindert, nicht hinnehmen, und geht hart ins Gericht mit all jenen, die sich abgrenzen, sich nicht an die deutschen Lebensregeln halten.
Die Geschichten der jungen Migranten hat sie hautnah miterlebt, die meisten sind ernüchternd. Von diesen authentischen Momenten in Berlins sozialen Brennpunkten lebt das Buch. In Neukölln hat Balci ihre Kindheit und Jugend verbracht und dort in diversen Jugendeinrichtungen gearbeitet. Das Viertel hat sich zwar inzwischen zum hippen Szenekiez gemausert, doch die Autorin kennt auch seine Schattenseiten. Sie beobachtet scharf, erzählt mit Präzision und bitterer Ironie: Von Machos und Tugendwächtern, von Töchtern, die den ständigen Verkupplungsversuchen der Mütter und Tanten ausgesetzt sind. Davon, wie der Druck im Viertel die jungen Männer zu brutalen Schlägern werden lässt, und von hilflosen Eltern, die aus Angst, ihre Ehre zu verlieren, zu unberechenbaren Monstern werden. Vielen Migrantinnen mögen diese Geschichten in der einen oder anderen Schattierung bekannt vorkommen. Es sind Schilderungen, die auch eine lähmende Fassungslosigkeit hervorrufen. Allerdings entsteht dadurch kein echtes Mitgefühl für die Hauptperson Aliyah, da sich ihr Schicksal relativiert. Die Autorin konzentriert sich viel zu wenig auf sie und pendelt stattdessen zwischen fiktionaler und dokumentarischer Ebene, in der auch viele andere Protagonisten vorkommen mit ähnlichen, nicht minder dramatischen Geschichten.
Weitaus wichtiger ist ihr die Analyse. Sie wertet und kritisiert, manchmal zu radikal, im Übereifer ihrer Argumentation zu emotional. So gleicht das Buch an einigen Stellen einer Streitschrift, in der die Erziehungswissenschaftlerin Balci die Anklage zum pädagogischen Ansatz erhebt. Nur einige wenige kommen dabei gut weg. Die meisten, die "muslimischen Verbandsvertreter und selbstgefälligen Migrantenvereine", die Politik und auch die Medien versuchten die Probleme totzuschweigen. Sie warnt vor zu viel Rücksichtnahme: "Je mehr man die Einwanderer unter "Naturschutz" stellt, desto mehr bestärkt man ihr Festhalten an überholten Werten ihrer Herkunftskultur und damit ihre Abneigung gegen eine freie Gesellschaft". Daher gestaltet sich die Flucht von Aliyah vor ihrer rigorosen Sippe als schwierig, weil Polizei und Behörden entweder unkoordiniert handeln, oder Bedenken haben sich in die Angelegenheiten muslimischer Familien einzumischen, seien sie noch so menschenverachtend. So bleibt der Autorin am Ende nichts anderes übrig, als ihren Schützling mit Hilfe von einigen Freunden und Bekannten selbst in Sicherheit zu bringen.
Es ist eine vielschichtige Diskussion, die Balci da anstößt, und schon dafür lohnt sich die Lektüre: Soll sich der Staat in die Religionsfreiheit, in das Erziehungsrecht der muslimischen Eltern einmischen? Oder nur dann, wenn der Rechtsstaat missachtet, wenn klar gegen deutsche Gesetze verstoßen wird? Für Balci ist die Sache klar: Der Staat steht in jedem Fall unter Handlungsdruck. Mit dieser Forderung und weil sie den Finger in die Wunde legt, eckt sie nicht nur bei der türkisch-kurdischen Community an, die Balci vorwirft, wie schon Thilo Sarrazin, Vorurteile gegen muslimische Migranten zu schüren. Doch im Gegensatz zu Sarrazin hat man bei Balci, die ein Teil dieser Migrantengesellschaft ist, das deutlich bessere Gefühl, dass sie weiß, wovon sie spricht.
Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung sind für viele junge Deutsche das normalste von der Welt. Junge Migranten müssen sich das alles in einem langwierigen Prozess der Emanzipation erkämpfen. Güner Yasemin Balci gibt ihnen eine Stimme. Es wäre schon viel erreicht, wenn auch sie dieses Buch lesen und sich darin wiederfinden würden.
Güner Yasemin Balci: "Aliyahs Flucht" oder Die gefährliche Reise in ein neues Leben.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 256 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von Machos, Tugendwächtern und einer Parallelgesellschaft: Güner Yasemin Balci prangert das sexistische Frauenbild an, das von vielen konservativen Muslimen gepflegt wird.
Von Hülya Özkan-Bellut
Es ist keine Geschichte, die ich mir ausgedacht habe, sie ist hier passiert, mitten unter uns, in Deutschland", schreibt die Autorin, gleich zu Beginn ihres Buches. Es handelt von Aliyah und anderen jungen Frauen und ihren konservativ- muslimischen Familien, von einem Milieu, in dem das Individuum wenig zählt, der Clan jeden Bereich des Lebens kontrolliert und ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Eigentlich gibt es kein Entrinnen aus dieser Umklammerung, denn wer ausbricht, beschmutzt die Ehre der Familie.
Nur wer viel Mut aufbringt, kann alles hinter sich lassen, so wie Aliyah, die beschließt, vor ihrem kurdischen Clan zu flüchten, und zwar mit ihrem Freund Dimi, einem jungen Griechen. Fortan ist sie die Gejagte, in ständiger Angst, sie könnte einem "Ehrenmord" zum Opfer fallen oder "zwangsverheiratet" werden. Das scheint in diesen Kreisen wie eine archaische Gesetzmäßigkeit: Junge Frauen werden, bevor sie ihren eigenen Traditionen abschwören, sprich: "zu deutsch" werden, schnell verheiratet, vorzugsweise an den Cousin. Dabei sind sie in Deutschland geboren und aufgewachsen, doch das will nichts heißen.
In Güner Yasemin Balcis neuestem Buch spürt man förmlich die beklemmende Atmosphäre dieser "geschlossenen Gesellschaft". Schon im Vorwort, das den Inhalt des Buches vorwegnimmt, beschreibt die Autorin ein düsteres Bild: "Frauen gelten als Besitz der Familie, ihre Jungfräulichkeit ist Allgemeingut, das jeder bewachen darf, es steht für die Ehre einer Sippe. Es ist vor allem dieses konservativ-muslimische Frauenbild, das Frauen den Männern unterordnet und ihren Körper dermaßen sexualisiert, dass nur noch züchtige Kleidung, ein keusches Kopftuch, ein stark eingeschränkter Bewegungsradius, ein gesenkter Blick und ständige Kontrolle sie angeblich davor bewahren können, an der nächsten Ecke vom erstbesten Mann flachgelegt zu werden - es ist ein zerstörerisches, krankes Frauenbild." Balci will diesen Teufelskreis von Tradition und Religion, der die Integration behindert, nicht hinnehmen, und geht hart ins Gericht mit all jenen, die sich abgrenzen, sich nicht an die deutschen Lebensregeln halten.
Die Geschichten der jungen Migranten hat sie hautnah miterlebt, die meisten sind ernüchternd. Von diesen authentischen Momenten in Berlins sozialen Brennpunkten lebt das Buch. In Neukölln hat Balci ihre Kindheit und Jugend verbracht und dort in diversen Jugendeinrichtungen gearbeitet. Das Viertel hat sich zwar inzwischen zum hippen Szenekiez gemausert, doch die Autorin kennt auch seine Schattenseiten. Sie beobachtet scharf, erzählt mit Präzision und bitterer Ironie: Von Machos und Tugendwächtern, von Töchtern, die den ständigen Verkupplungsversuchen der Mütter und Tanten ausgesetzt sind. Davon, wie der Druck im Viertel die jungen Männer zu brutalen Schlägern werden lässt, und von hilflosen Eltern, die aus Angst, ihre Ehre zu verlieren, zu unberechenbaren Monstern werden. Vielen Migrantinnen mögen diese Geschichten in der einen oder anderen Schattierung bekannt vorkommen. Es sind Schilderungen, die auch eine lähmende Fassungslosigkeit hervorrufen. Allerdings entsteht dadurch kein echtes Mitgefühl für die Hauptperson Aliyah, da sich ihr Schicksal relativiert. Die Autorin konzentriert sich viel zu wenig auf sie und pendelt stattdessen zwischen fiktionaler und dokumentarischer Ebene, in der auch viele andere Protagonisten vorkommen mit ähnlichen, nicht minder dramatischen Geschichten.
Weitaus wichtiger ist ihr die Analyse. Sie wertet und kritisiert, manchmal zu radikal, im Übereifer ihrer Argumentation zu emotional. So gleicht das Buch an einigen Stellen einer Streitschrift, in der die Erziehungswissenschaftlerin Balci die Anklage zum pädagogischen Ansatz erhebt. Nur einige wenige kommen dabei gut weg. Die meisten, die "muslimischen Verbandsvertreter und selbstgefälligen Migrantenvereine", die Politik und auch die Medien versuchten die Probleme totzuschweigen. Sie warnt vor zu viel Rücksichtnahme: "Je mehr man die Einwanderer unter "Naturschutz" stellt, desto mehr bestärkt man ihr Festhalten an überholten Werten ihrer Herkunftskultur und damit ihre Abneigung gegen eine freie Gesellschaft". Daher gestaltet sich die Flucht von Aliyah vor ihrer rigorosen Sippe als schwierig, weil Polizei und Behörden entweder unkoordiniert handeln, oder Bedenken haben sich in die Angelegenheiten muslimischer Familien einzumischen, seien sie noch so menschenverachtend. So bleibt der Autorin am Ende nichts anderes übrig, als ihren Schützling mit Hilfe von einigen Freunden und Bekannten selbst in Sicherheit zu bringen.
Es ist eine vielschichtige Diskussion, die Balci da anstößt, und schon dafür lohnt sich die Lektüre: Soll sich der Staat in die Religionsfreiheit, in das Erziehungsrecht der muslimischen Eltern einmischen? Oder nur dann, wenn der Rechtsstaat missachtet, wenn klar gegen deutsche Gesetze verstoßen wird? Für Balci ist die Sache klar: Der Staat steht in jedem Fall unter Handlungsdruck. Mit dieser Forderung und weil sie den Finger in die Wunde legt, eckt sie nicht nur bei der türkisch-kurdischen Community an, die Balci vorwirft, wie schon Thilo Sarrazin, Vorurteile gegen muslimische Migranten zu schüren. Doch im Gegensatz zu Sarrazin hat man bei Balci, die ein Teil dieser Migrantengesellschaft ist, das deutlich bessere Gefühl, dass sie weiß, wovon sie spricht.
Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung sind für viele junge Deutsche das normalste von der Welt. Junge Migranten müssen sich das alles in einem langwierigen Prozess der Emanzipation erkämpfen. Güner Yasemin Balci gibt ihnen eine Stimme. Es wäre schon viel erreicht, wenn auch sie dieses Buch lesen und sich darin wiederfinden würden.
Güner Yasemin Balci: "Aliyahs Flucht" oder Die gefährliche Reise in ein neues Leben.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014. 256 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schonungslos und kritisch gegen Klischees von links und rechts Marc Reichwein Die Welt - Literarische Welt 20041213
Mit 'Aliyahs Flucht' hat Güner Yasemin Balci ein engagiertes, politisch brisantes und mutiges Buch geschrieben Ralph Gerstenberg Deutschlandfunk - Andruck 20141208