Wundervoll erzählt
Sunday befindet sich in diesem Sommer vor drei Jahren in einer ausgeprägten Phase weißer Lebensmittel, die etliche Varianten umfasst, je nachdem, was sie gerade zu sich nehmen kann. Es gibt Tage, die nur trockene Nahrung erlauben und dann gibt es wieder solche, in denen sie
auch ein Ei in abwandelbarer Form – wie etwa Rührei oder Omelette - essen kann. Sie ist in vielerlei…mehrWundervoll erzählt
Sunday befindet sich in diesem Sommer vor drei Jahren in einer ausgeprägten Phase weißer Lebensmittel, die etliche Varianten umfasst, je nachdem, was sie gerade zu sich nehmen kann. Es gibt Tage, die nur trockene Nahrung erlauben und dann gibt es wieder solche, in denen sie auch ein Ei in abwandelbarer Form – wie etwa Rührei oder Omelette - essen kann. Sie ist in vielerlei Hinsicht anders als andere, ihr Autismus prägt ihr Leben und logischerweise auch das ihrer 16jährigen Tochter Dolly.
Viktoria Lloyd-Barlow zeichnet ein Bild einer autistischen Frau, die sich sehr bemüht, nicht unangenehm aufzufallen. Eine Benimmregel für Damen, um in Gesellschaft zu bestehen, liefert ihr dazu wertvolle Tipps. Sunday ist in dem Gartenbaubetrieb ihrer Ex-Schwiegereltern beschäftigt wie auch der gehörlose David, mit dem sie sich gut versteht. Ihr Leben ändert sich, als im Haus nebenan Vita und Rollo einziehen. Vita ist so anders, sie ist eine schillernde Persönlichkeit, sie ist forsch, sie ist charismatisch, dazu ohne jegliche Scheu, sie kommt im Schlafanzug, bittet um ein Glas Milch, setzt sich zu ihr – und bleibt. Einfach so, obwohl sie sich noch nicht kennen. Sunday ist fasziniert von ihr. Sie zerlegt die Worte, die sie aus Vitas Mund hört, betont die Silben, zieht sie in die Länge, wiederholt sie. „Vita spricht nicht, sie trilliert… wie ein kleiner Vogel.“ Sunday ist von Vitas Art sehr angetan, sie wird von ihr regelrecht umgarnt, umschmeichelt. Und bald schon zieht Vita Dolly an sich.
Ich staune, ich lese die ersten Seiten voller Neugier. Aus Sunday Sicht entwickelt sich die Geschichte um das Anderssein, um Freundschaft und Familie bis hin zur Übergriffigkeit, die jegliche Grenzen sprengt. Die Ich-Erzählerin ist sanftmütig, dazu scheint sie keinerlei Argwohn zu hegen, obwohl dies durchaus angebracht wäre. Ihre Welt ist geradlinig, Hinterlist erkennt und versteht sie nicht. Schon als Kind wird ihre Schwester ihr in jeglicher Hinsicht vorgezogen, diese Zurücksetzung zieht sich durch ihr Dasein und nun ist es diese Vita, die sich in ihr Leben drängt.
Es ist ein sehr berührender Roman, die Autorin bietet einen detaillierten Blick in Sundays Welt. Der schöne Schein gerät ins Wanken, Dolly entgleitet ihr, dunkle Kräfte sind am Werk. Die Story ist eher bitter, die Charaktere vielschichtig – von ehrlich und aufrichtig bis hin zu manipulativen und sehr eigennützigen, rücksichtslosen Personen. „All die kleinen Vogelherzen“ haben mich sehr berührt. Es ist trotz des ernsten Themas ein wunderbares Buch in einer wunderschönen Sprache, das bezaubert und auch nachdenklich macht. Ein Buch, das ich gerne gelesen habe und das ich sehr gerne weiterempfehle.