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Zwei Gedichtbände haben Raphael Urweider zu einer der wichtigsten lyrischen Stimmen der jüngeren Generation gemacht, "Voller Überraschungen und origineller Ideen, durchsetzt von Witz und Geist, geprägt von einer ganz eigenen, ebenso verstörenden wie berückenden Poesie" (Neue Zürcher Zeitung). Seine neue Sammlung führt vor, wie Jahreszeitenlyrik heute klingen kann, und besingt im Zyklus "Selbstversuch" die Eigenheiten diverser Alkoholika. Im Zentrum aber steht ein kunstvoll verspielter Reigen aus 26 Liebesgedichten - ein ABC der Angebeteten von Antonia bis Zoë.

Produktbeschreibung
Zwei Gedichtbände haben Raphael Urweider zu einer der wichtigsten lyrischen Stimmen der jüngeren Generation gemacht, "Voller Überraschungen und origineller Ideen, durchsetzt von Witz und Geist, geprägt von einer ganz eigenen, ebenso verstörenden wie berückenden Poesie" (Neue Zürcher Zeitung). Seine neue Sammlung führt vor, wie Jahreszeitenlyrik heute klingen kann, und besingt im Zyklus "Selbstversuch" die Eigenheiten diverser Alkoholika. Im Zentrum aber steht ein kunstvoll verspielter Reigen aus 26 Liebesgedichten - ein ABC der Angebeteten von Antonia bis Zoë.
Autorenporträt
Raphael Urweider, geboren 1974 in Bern. 2000 Veröffentlichung eines Gedichtbandes.Auszeichungen 1999 mit dem Leonce-und-Lena-Preis, 2000 mit dem Buch des Jahres der Schweizerischen Schillerstiftung, 2001 mit dem Bremer Literaturförderpreis, 2002 mit dem New-York-Stipendium des Kranichsteiner Literaturpreises und im gleichen Jahr mit dem 3sat-Preis des Klagenfurter Bachmann-Wettbewerbs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2008

Von wegen: Wein, Weib und Gesang

Raphael Urweider besingt trunken die Dichterexistenz: liederliche, liebevolle Gedichte irgendwo zwischen Hofmannswaldau und Schwitters. Katerstimmung kommt dabei aber nicht auf.

Von Alexander Müller

Namen sind in der Dichtung alles andere als Schall und Rauch. Marcel Beyer zitierte in seiner Münchner Rede zur Poesie im Lyrik-Kabinett einst einen Vers Ossip Mandelstams - "Dreimal selig, wer einen Namen einführt ins Lied!" - um anschließend die Assoziationskraft von Namen zu belegen. Lutz Seiler wiederum erzählt in seiner Kurzprosa "Die Anrufung" davon, wie ein Junge durch das Rufen nach seinen Spielgefährtinnen die eigene Stimme und die Schönheit einer Lautfolge entdeckt.

Der Schweizer Lyriker Raphael Urweider, 1974 in Bern geboren, wo er inzwischen als künstlerischer Leiter am Schlachthaus Theater tätig ist, widmet seinen neuen Gedichtband ganz der poetischen Namenskunde. "Alle deine Namen. Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit" versammelt drei Zyklen, in deren Zentrum "ein reigen" steht, ein hintersinniges Alphabet der Hingebung. Ihm geht es dabei nicht um schlichte Liebesbezeugungen an das weibliche Geschlecht von A bis Z, von Antonia bis Zoe. Er spürt vielmehr dem Klang von sechsundzwanzig Namen nach, der zugleich seine Gedichte strukturiert; individuelle Persönlichkeiten kommen dabei absichtlich nicht zum Vorschein, auch wenn etliche Assoziationen, etwa durch biblische oder in der Literaturgeschichte bekannte Gestalten, geweckt werden. Pikanterweise wollte Urweider, der mit den Publikationen "Lichter in Menlo Park" (2000) und "Das Gegenteil von Fleisch" (2003) reüssierte, seine Namensliste ursprünglich komplett dem katholischen Heiligenkalender ablauschen. Er hat sich jedoch für eine weltlichere Variante entschieden, die im Spiel mit dem Beschwörungsritual, der vergnüglichen wie aussichtlosen Emphase ihre Vorläufer ebenso im barock-frivolen und galanten "An Albanie" von Christian Hofmann von Hofmannswaldau findet, in dem die Begehrte stets Anfang und Ende einer Strophe bildet, wie im Laut- und Merzgedicht "An Anna Blume" von Kurt Schwitters.

Ähnlich wie jene lässt sich auch der Leonce-und-Lena-Preisträger den Rhythmus seiner ironischen, aber keineswegs oberflächlich-gewitzten Liebeslyrik vom Namen der Geliebten diktieren. Er experimentiert dabei mit diversen Bedeutungsebenen, mit Phonetik, Semantik und Etymologie, dazu mit den Konventionen und Motiven der klassischen Amores, wobei er stets eine dezente Musikalität erzeugt. Daher schwingt in den Versen an Caecilia neben der wörtlichen Übersetzung als "die Blinde" ("caecilia du schließt nur die augen") ebenso deren Funktion als Patronin der Musiker und Dichter mit. Ruth hingegen ist, nach dem Hebräischen "Freundin" oder "Schönheit", das Wunschbild, an das ihr rotes Haar erinnert, das langsam die Wohnung des einsam zurückgebliebenen Ichs "erobert"; was als Reminiszenz an ein mögliches Tête-à-tête der Vergangenheit beginnt, mündet in die Hoffnung auf ein zukünftiges Wiedersehen.

So oszillieren die Verse des paradox selbstverliebten Liebesreigens raffiniert zwischen Vergeblichkeit, Sehnsucht und Glück, zwischen der Uneigentlichkeit der Sprache und ihrer imaginativen Kraft der konkreten Veranschaulichung. In der Hoffnung auf den synästhetischen Zauber des Wortes reizen sie gar alle Sinne und bereiten auf die Rauscherlebnisse des dritten Zyklus' vor: "deine küsse paula schmecken nach / metall nach salz nach bier und doch / frischer als dieses sie löschen den durst / nach dir nach küssen was kein bier vermag." Im lustvollen "selbstversuch" allerdings müssen hochprozentige Alkoholika probiert werden, und abermals wird deren Wirkung allein durch ihre Benennung vorweggenommen. Spirituosen wie Obstler, Grappa oder Tequila, die sich nur in homöopathischen Dosierungen ihrer Inhaltsstoffe unterscheiden, werden besungen, dass einem Hören und Sehen vergeht. Während das die Kontrolle verlierende lyrische Ich unterschiedliche Stadien der Trunkenheit wahrnimmt, verschwimmen die Definitionen dessen, wer hier eigentlich mit schwerer Zunge zu wem spricht.

Den Auftakt dieses schmalen, von einer unaufdringlichen Metaphorik geprägten Bändchens bildet "acht jahreszeiten", in dem jene Leitmotive des kunstvoll durchkomponierten Werks bereits anklingen, die zugleich die Funktion des Poeten selbst reflektieren. Sein Werkzeug muss er zunächst kennenlernen, um die Welt später lakonisch beim Namen nennen zu können oder sie schöpferisch umzubenennen: "ich habe die bäume nicht / erfunden aber ihre namen / gelernt einigen deinen / gegeben". Darüber hinaus schließt sich an dieser Stelle ein thematischer Kreis: "Alle deine Namen" lässt sich nämlich als subtile Parodie auf die Klischees der Dichterexistenz lesen - nicht ganz Wein, Weib und Gesang, aber Natur, Promiskuität und Schnaps: artifizielle und doch zugängliche Jahreszeiten- und Liebesgedichte sowie Trinklieder, die in jeder Beziehung Lust auf mehr machen, vor Konsequenzen und Trugschlüssen aber mal augenzwinkernd, mal hinterlistig warnen.

- Raphael Urweider: "Alle deine Namen".

Gedichte von der Liebe und der Liederlichkeit. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 55 S., geb., 12,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Tobias Lehmkuhl hat seine Freude an den Gedichten, die der Lyriker Raphael Urweider hier zusammengestellt hat - auch wenn der Untertitel unter anderem Gedichte von der "Liederlichkeit" verspricht. Dies sieht Lehmkuhl nicht eingelöst, denn Urweiders Lyrik fehlt jede Art von "Gemeinheit". Sie sind einfach nur unglaublich "unbeschwert". Außerdem sind sie "assoziativ" und "stark rhythmisiert" und lassen vieles in der Schwebe - zum Beispiel auch die Frage, ob es sich bei den 26 Liebesgedichten, die sich quer durchs Alphabet verschiedene Frauen vornehmen, "um eine Huldigung an die Liebe handelt" oder nicht vielmehr "um eine Liebeserklärung an die Literatur".

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