"Schön ist Nadja Küchenmeisters Sprache und wie ganz neu. Sie verschmelzt die Gefühle und die Gegenstände zu einer großen, sanften Melodie" - so öffnete Ulrich Greiner in der Frankfurter Anthologie weit die Tür in die literarische Zukunft von Nadja Küchenmeister, die nun mit Alle Lichter ihren ersten wohlkomponierten Gedichtband vorlegt.Alle Lichter zeigt die Kunst von Nadja Küchenmeister, die wunderbare Landschaftlichkeit ihrer Lyrik, eine stets aufs Genaueste austarierte Grenze zwischen Poesie und Erzählen. Entstanden ist ein Buch sehr moderner Gedichte, die niemals ihr Herkommen aus der großen Tradition lyrischen Sprechens und Schreibens verleugnen, ein Buch ganz von heute, das auf das Kommende weist."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2010Engel mit Walkman
Wenn man nur ganz am Leben wäre für Sekunden: Nadja Küchenmeisters charmantes lyrisches Debüt
Von Harald Hartung
Es gibt sie noch: die Familie mit Haus und Garten, mit Zimmern, darin "der saum der gardine am boden schleift". Es gibt die Landschaft mit Provinzbahn und der "menschengruppe vor der dorfkapelle". Es gibt das träumerische Ich, das sich melancholisch fragt: "wird denn auch dieser tag / einmal zu ende gehen?" Die da träumt - es ist eine junge Frau - hat ein dünnes Heft in der Jackentasche, "die seiten lose". Es könnte ein Heft mit Gedichten sein, fremden oder eigenen, selbstgeschriebenen. Es könnten Gedichte von Nadja Küchenmeister sein, mit dem Titel "Alle Lichter". So nämlich heißt das erste Buch der 1981 in Berlin geborenen Autorin.
Nadja Küchenmeister hat das übliche Stück Biographie aufzuweisen. Umso mehr ist man auf das verwiesen, was ihre Gedichte bieten. Man könnte dafür altmodische Begriffe vorschlagen wie Interieur und Genremalerei. Altmodisch und ebendeshalb bemerkenswert ist auch eine Lebensstimmung, die man längst vergangen glaubte: "verblasste bilder, dünne briefumschläge, so ist / die kaffeetafel jahrelang im gange." Aber es ist doch eine Restwelt, die zum Tode bestimmt ist. Die Dinge, die liebevoll ausgebreitet werden, "das glas mit mandarinenhälften, das tischtuch mit der weihnachtsstickerei" - ergeben ein Vanitasstillleben. Sie verweisen darauf, dass im Nebenzimmer gestorben wird. Erstaunlich, mit welch liebevoller Feinmalerei die Autorin vorgeht. Erstaunlicher noch, wie sie sich selbst von dieser Fin-de-siècle-Stimmung - angezogen fühlt. Sie kultiviert ein leicht anämisches Ich. Man möchte an den jungen Rilke denken bei Zeilen wie: "Die blässe deiner haut kennt keine grenzen" oder "Wenn man nur ganz am leben wäre für sekunden".
Dabei kann Küchenmeister durchaus handfest sein. Eines ihrer besten Stücke zeichnet mit Empathie eine proletarische Figur ("oberarm mies tätowiert"). Die stehende Redensart des Mannes lautet: "die sachen haunwa aba bald mal wech." Natürlich macht sie diesen Spruch nicht zum eigenen Leitspruch. Sie hält es mit der Nuance. Aber sie weiß auch, dass ihre Idyllik noch keine größere Perspektive hat. Deshalb wohl versetzt sie manche Gedichte mit Zitateinsprengseln, etwa von Rilke oder Eliot. Das wirkt prätentiös, doch es zeigt Ehrgeiz.
Nadja Küchenmeister arbeitet mit altmodischen Motiven, doch ihr Bewusstsein ist durchaus gegenwärtig. Zwischen Rilkes Engel und dem Walkman in der Hand sucht das Ich seine Position. Es kennt die Trauer und kokettiert wohl auch damit: "So blickt dich deine ungeformte / schwermut an. Das weizenblonde deiner haare / die schluppen und der ringelpulli." Modisches Understatement? Aber es wirkt frisch und naiv. Es hat Charme, wenn Nadja Küchenmeister "alle Lichter" ansteckt.
Nadja Küchenmeister: "Alle Lichter". Gedichte. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2010. 101 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn man nur ganz am Leben wäre für Sekunden: Nadja Küchenmeisters charmantes lyrisches Debüt
Von Harald Hartung
Es gibt sie noch: die Familie mit Haus und Garten, mit Zimmern, darin "der saum der gardine am boden schleift". Es gibt die Landschaft mit Provinzbahn und der "menschengruppe vor der dorfkapelle". Es gibt das träumerische Ich, das sich melancholisch fragt: "wird denn auch dieser tag / einmal zu ende gehen?" Die da träumt - es ist eine junge Frau - hat ein dünnes Heft in der Jackentasche, "die seiten lose". Es könnte ein Heft mit Gedichten sein, fremden oder eigenen, selbstgeschriebenen. Es könnten Gedichte von Nadja Küchenmeister sein, mit dem Titel "Alle Lichter". So nämlich heißt das erste Buch der 1981 in Berlin geborenen Autorin.
Nadja Küchenmeister hat das übliche Stück Biographie aufzuweisen. Umso mehr ist man auf das verwiesen, was ihre Gedichte bieten. Man könnte dafür altmodische Begriffe vorschlagen wie Interieur und Genremalerei. Altmodisch und ebendeshalb bemerkenswert ist auch eine Lebensstimmung, die man längst vergangen glaubte: "verblasste bilder, dünne briefumschläge, so ist / die kaffeetafel jahrelang im gange." Aber es ist doch eine Restwelt, die zum Tode bestimmt ist. Die Dinge, die liebevoll ausgebreitet werden, "das glas mit mandarinenhälften, das tischtuch mit der weihnachtsstickerei" - ergeben ein Vanitasstillleben. Sie verweisen darauf, dass im Nebenzimmer gestorben wird. Erstaunlich, mit welch liebevoller Feinmalerei die Autorin vorgeht. Erstaunlicher noch, wie sie sich selbst von dieser Fin-de-siècle-Stimmung - angezogen fühlt. Sie kultiviert ein leicht anämisches Ich. Man möchte an den jungen Rilke denken bei Zeilen wie: "Die blässe deiner haut kennt keine grenzen" oder "Wenn man nur ganz am leben wäre für sekunden".
Dabei kann Küchenmeister durchaus handfest sein. Eines ihrer besten Stücke zeichnet mit Empathie eine proletarische Figur ("oberarm mies tätowiert"). Die stehende Redensart des Mannes lautet: "die sachen haunwa aba bald mal wech." Natürlich macht sie diesen Spruch nicht zum eigenen Leitspruch. Sie hält es mit der Nuance. Aber sie weiß auch, dass ihre Idyllik noch keine größere Perspektive hat. Deshalb wohl versetzt sie manche Gedichte mit Zitateinsprengseln, etwa von Rilke oder Eliot. Das wirkt prätentiös, doch es zeigt Ehrgeiz.
Nadja Küchenmeister arbeitet mit altmodischen Motiven, doch ihr Bewusstsein ist durchaus gegenwärtig. Zwischen Rilkes Engel und dem Walkman in der Hand sucht das Ich seine Position. Es kennt die Trauer und kokettiert wohl auch damit: "So blickt dich deine ungeformte / schwermut an. Das weizenblonde deiner haare / die schluppen und der ringelpulli." Modisches Understatement? Aber es wirkt frisch und naiv. Es hat Charme, wenn Nadja Küchenmeister "alle Lichter" ansteckt.
Nadja Küchenmeister: "Alle Lichter". Gedichte. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2010. 101 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auf gutem Wege, kann man wohl resümieren, sieht Rezensent Harald Hartung die 1981 geborene Lyrikdebütantin Nadja Küchenmeister. Am meisten überrascht ihn an den Gedichten der Vergangenheitston, der ihn daraus anweht. Die "kaffeetafel jahrelang im gange" scheint ihm doch nicht wie ganz aus unserer Gegenwartswelt. Viel Welt findet Hartung ohnehin nicht im Gegenstandsbereich der Dichterin, stattdessen aber genau gearbeitete "Interieurs". An den immer weit nach oben greifenden Zitaten (T.S. Eliot, Rilke) lobt der Rezensent den sichtlichen Ehrgeiz der Autorin, trotzdem scheint es ihm etwas "prätentiös". Zu loben bleibt ihm aber allemal der "Charme" der Gedichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Seit Ingeborg Bachmann hat niemand mehr ein Du, sich selbst oder den Leser so intensiv fragend angeredet.«Dorothea von Törne, Die Welt/Literarische Welt»Wie eine Beschwörung verlorener oder doch gefährdeter poetischer Ausdrucksformen und damit auch eines geistigen Lebensraums.«Hans-Herbert Räkel, Süddeutsche Zeitung»Berührend sind die Liebesgedichte.«Martin Zingg, Neue Zürcher Zeitung»Ihre Gedichte lassen aufhorchen. Sie sind sanft und doch wagemutig, exakt und doch verträumt, und sie spielen souverän mit traditionellen Formen.«Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»Man möchte an den jungen Rilke denken.«Harald Hartung, Frankfurter Allgemeine Zeitung»Küchenmeisters Gedichte beschwören Landschaften voll klingender Wörter herauf.«Freies Wort»Küchenmeister versteht es, sich an den Schmerzrändern zwischen Erinnerung und Jetzt einzunisten.«Carola Wiemers, DeutschlandRadio Kultur»Selten gelingt mit einem Debüt ein großer Wurf, der sich ins Gedächtnis der Leser einschreibt. Alle Lichter hat das Zeug dazu.«Märkische Allgemeine»Sie findet zu einer Sprache, die mit Empfindungen, mit genau, wie fotografisch beobachteten Details einen poetischen Raum schafft.«Frankfurter Rundschau»Bei ihr finden wir die vielleicht berührendsten Liebesgedichte der Saison.«Buchjournal»Großartiges Debüt.«WDR»Eine Chronophobikerin, die die je verhuschende Zeit qua Sprache fixiert.«Jan Küveler, Welt Kompakt»Mühelos leichte, sanft schöne Verse über die Liebe, über Azaleen oder die Ringe des Saturn - Nadja Küchenmeisters Gedichtband ist ein weithin leuchtendes Debüt.«Matthias Ehlers, WDR 5»Ein Band voller traumleichter, realitätsschwerer Gedichte, ein glänzendes Debüt.«Neue Westfälische»Nadja Küchenmeisters Verse setzen sich gleich im Ohr des Lesers fest.«Nico Bleutge, Das Gedicht»Nichts wiegt zu schwer oder zu leicht, das lyrische Sprechen ist zwischen Narration und Poesie austariert (...). Das wirkt beruhigend und verstörend zugleich.«Kreuzer