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"Kein Tier, kein Heiliger und kein Gott kann mir helfen, meiner Eltern Last zu tragen." Diese Geschichte handelt von Menschen, die aus Deutschland in die USA flüchten, und ist zugleich die ur-amerikanische Immigranten-Saga als Folie für tiefgründige Reflektionen zu Individuum, Familie und Geschichte. Mit Ironie, rückhaltlosem Realismus und nie versiegendem Humor erzählt Michael C. Blumenthal, wie seine leiblichen Eltern ihn nach der Geburt in die Obhut von zwei Holocaust-Flüchtlingen geben, und wie er deswegen mit vollkommen falschen Vorstellungen über sich und seine Herkunft aufwächst. Der…mehr

Produktbeschreibung
"Kein Tier, kein Heiliger und kein Gott kann mir helfen, meiner Eltern Last zu tragen."
Diese Geschichte handelt von Menschen, die aus Deutschland in die USA flüchten, und ist zugleich die ur-amerikanische Immigranten-Saga als Folie für tiefgründige Reflektionen zu Individuum, Familie und Geschichte.
Mit Ironie, rückhaltlosem Realismus und nie versiegendem Humor erzählt Michael C. Blumenthal, wie seine leiblichen Eltern ihn nach der Geburt in die Obhut von zwei Holocaust-Flüchtlingen geben, und wie er deswegen mit vollkommen falschen Vorstellungen über sich und seine Herkunft aufwächst. Der Tod der vermeintlichen Mutter, die sprichwörtliche böse Stiefmutter, der befangene, selbstquälerische Vater, all das sind Elemente von Blumenthals einsamer Reise.
Erst der Tod seiner "Eltern" führt zur Annahme des eigenen Lebens und zu einer ergreifenden Beschreibung der Liebe zu seinem eigenen Sohn.
"Die Wahrheit ist, ich hatte von allem zwei: zwei Väter, zwei Mütter, zwei Geschwister, zwei Arten des Mannseins, zwei Zuhause. Ich wollte aber nur eins von jedem."
Autorenporträt
Michael C. Blumenthal veröffentlichte Gedichte, Romane und Essays. Seine Werke sind vielfach preisgekrönt. Blumenthal ist Absolvent der Cornell Universität mit einem Abschluss in Rechtswissenschaften. Er praktizierte als Rechtsanwalt und war Professor für Kreatives Schreiben an der Harvard Universität. Er übersetzt aus dem Deutschen, Französischen und Ungarischen ins Englische. Seit 2008 ist er a.o. Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von West Virginia.

Marion Tauschwitz, geboren 1953, studierte Germanistik und Anglistik in Heidelberg. Während der letzten fünf Lebensjahre Hilde Domins war sie ihre engste Mitarbeiterin, Freundin und Vertraute. Sie lebt als Dozentin für Deutsch und Englisch in Heidelberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2012

Ein Leben mit schlechten Karten wird aufgemischt
Die Groteske einer jüdischen Kindheit und glücklichen Liebe in Amerika: Michael C. Blumenthals Autobiographie und Gedichte

Womit haben sich die Autobiographen beim Rückblick auf das zwanzigste Jahrhundert eigentlich herumzuschlagen? Mit den Kriegen, sicher, die das Leben mitbestimmten - und mit ihren Vätern, die ihnen weder die Kriege hatten ersparen noch Obhut bieten können. Hinzu kommt der Freud'sche Urkomplex vom allmächtigen Vater, der in Kafkas "Urteil" und dem "Brief an den Vater" in wirkmächtige autobiographische Urerzählungen des zwanzigsten Jahrhunderts verwandelt wird, die sich für Söhne dem Holocaust entronnener Väter noch einmal auf ganz neue Weise bewahrheiten sollten.

Davon erzählt die Autobiographie des 1949 im amerikanischen Bundesstaat New Jersey geborenen Dichters Michael C. Blumenthal, 2003 in Amerika erschienen, nun auf Deutsch unter dem Titel "Alle meine Mütter und Väter": Blumenthals Eltern, der Deportation entkommen, versuchen wie das Gros der mit ihnen aus Europa Geflüchteten, zeitlebens den Scherbenhaufen ihrer einstigen deutsch-jüdischen Identität zu retten und respektable Amerikaner zu sein. Für den Sohn stellt das Klammern an die deutsche Vergangenheit (die er nicht kennen kann), während man zugleich dem amerikanischen Traum hinterherhechelt, einen zutiefst schizophrenen Zustand dar. Beim Rückblick auf die zweifelhaften Super-8-Erinnerungen des Vaters stellt der Junge fest: "Die Personen sind fast immer abgeschnitten, zerstückelt durch die schlechte Kameraführung, mit hektischen Schwenks von einem Ort zum andern und einer Szene zur nächsten. Alles scheint zusammengewürfelt und willkürlich. Menschen tauchen eine Sekunde lang auf und dann nie wieder."

In der emotional verworrenen Familiensituation will es kaum mehr erstaunen, dass die Eltern, bei denen Michael aufwächst, gar nicht seine richtigen, sondern "nur" Onkel und Tante sind - die richtigen wiederum werden ihm als Onkel und Tante, Bruder und Schwester als Cousin und Cousine ausgegeben. Dass und wieso es dazu kam, darüber hat der Leser mit dem Heranwachsenden bald Aufklärung; was aber ein Leben in dieser Konstellation zu führen bedeutet, das begleitet die Lektüre des ganzen Buchs, ist Spannungsbogen dieser Autobiographie, die atemlos wie ein Roman der Dramaturgie eines "Lebens mit schlechten Karten" folgt: "Manchmal wird mir das alles einfach zu viel - meine vertauschten Familien, meine tote Mutter, meine verjagte Großmutter, meine lieblose Stiefmutter, mein emotional verkrüppelter Vater, und selbst mein echt jiddischer, im Borscht Belt antrainierter Humor kann mich nicht mehr retten."

Der Erzähler verzweifelt an diesem Übervater bis zu dem Moment, in dem ihm wider Willen klar wird, was "ästhetische Distanz" bedeutet: Dem schon jenseits der Vierzig sein Leben als Professor für kreatives Schreiben in Harvard Bestreitenden platzt wieder einmal der Kragen, als seinem halsstarrigen Vater zur Geburt des Enkels nichts anderes einfällt als durch die halbe City nach koscherem Fleisch zu jagen - und die französisch-katholische Schwiegertochter lautstark zu verfluchen. Der Bericht von dieser traumatischen Erfahrung löst bei einem Schriftstellerkollegen nur Heiterkeit aus: Da entdeckt der Betroffene auch das Komische an seiner Lebenstragödie, das zumindest dann zum Vorschein kommt, wenn er die schiefe Vater-Sohn-Beziehung im Schreiben objektiviert. In diesem Licht gewinnen Blumenthals Erinnerungen durchaus Züge einer Woody-Allen-Farce, der es gelingt, die Abgründe menschlicher Beziehungen in der Katharsis des Lachens zu überwinden. So anlässlich eines misslungenen Hundegeschenks an die 85 Jahre alten Eltern: "Mein Vater reagiert auf den Neuankömmling, indem er seine Mundharmonika hervorholt und ein kurzes ,Du, Du, liegst mir am Herzen' spielt; dann aber jagt er das arme Tier beim Versuch, ihm einen Kuss zu geben, um das Ferienhäuschen herum . . . jeder hat mir versichert, dass dieser Hund der perfekte Gefährte für zwei alte, kranke, neurotische deutsche Juden ist."

Blumenthals Erinnerungen stehen exemplarisch für die den Emigranten in der Alten Welt zugefügten Beschädigungen, welche an die nächste Generation vererbt werden, ohne dass die sie in ihrer Neuen Welt noch begreifen könnte. Für Emanzipation sorgen, über das Schreiben und die Psychoanalyse hinaus, schließlich Kino, Rock 'n' Roll und Sex als überindividuelle Erfahrungen einer typisch westlichen Nachkriegssozialisation. Doch ist es weniger der ungehemmte Sex, der den Sohn vom impotenten, die Hände der reichen Kundinnen seiner Pelzhandlung liebesgierig küssenden ,Vater' unterscheidet, sondern vielmehr die spät gefundene glückliche Liebe, in der sich beide Generationen diametral voneinander unterscheiden. Auch die Welt des Sohnes ist alles andere als harmonisch; im Bewusstsein der Widersprüche und Missverständnisse eines amerikanisch-europäischen Paares aber wird sie als tragikomische Absurdität gemeinsam ertragbar: "Ich wäre gerne Rockstar oder Konzertpianist geworden - oder vielleicht sogar Betreiber eines illegalen Sexclubs -, wenn ich mich freier gefühlt hätte, dem Ruf meines lyrischen und amoralischen Herzens zu folgen. Sie wäre Nonne in einem Karmeliterinnenkloster oder Gärtnerin geworden."

Der nobelpreisgekrönte Harvard-Freund Seamus Heaney sieht in Blumenthal eine der großen lyrischen Stimmen der Generation. Blumenthals Autobiographie enthält hin und wieder Zitate seiner eigenen Dichtung; um diese jedoch kennenzulernen in ihrem formalen, sinnlichen und lautmusikalischen Reichtum, ist unbedingt zur hervorragend gestalteten, zweisprachigen Auswahl "Engel, Vögel, Lieder" zu greifen. Dass von Blumenthals Sprache eine starke poetische Beschwörungskraft ausgeht, offenbaren die Passagen, in denen eine mittlerweile vom Staub der Zeit hinweggewehte Einwandererwelt noch einmal ins Bewusstsein rückt: "Verschwunden sind die koscheren Schlachter und der Daitch-Milchladen; verschwunden ist Hobbyland, wo wir gegenüber der Synagoge (heimlich) immer Spielzeug gekauft haben; verschwunden ist der kleine Fischmarkt, wo ich mit meiner Mutter immer einkaufen ging und die glänzenden Schuppenreihen von Kabeljaus, Heilbutts und Flundern bestaunte; verschwunden ist das fremdsprachige Heights-Kino, wo ich bei meinem ersten Ausflug in die Welt des Films mit meinem Vater und Helen den ,Hauptmann von Köpenick' auf Deutsch sah."

JAN VOLKER RÖHNERT.

Michael C. Blumenthal: "Alle meine Mütter und Väter". Erinnerungen.

Deutsch von K. Diestel, I. Hunt und M. Tauschwitz. Verlag André Thiele, Mainz 2011. 245 S., br., 18,90 [Euro].

Michael C. Blumenthal: "Engel, Vögel, Lieder". Gedichte.

Aus dem Englischen von Irmgard Hunt. Verlag André Thiele, Mainz 2011. 115 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jan Volker Röhnert spürt in dieser bereits 2003 im Original erschienenen Autobiografie des als Sohn jüdischer Auswanderer in New Jersey geborenen Schriftstellers Michael C. Blumenthal immer wieder das poetische Talent des Autors. Zum Weiterlesen empfiehlt er schon mal die zweisprachige Ausgabe "Engel, Vögel, Lieder". Vorerst aber vergnügt er sich mit diesem Text, der ihn nicht nur einmal an Woody Allen und dessen Versuche erinnert, menschliche Tragödien durch das Lachen zu überwinden. Emotional verworren erscheint ihm diese Lebensgeschichte, da der Autor mit "falschen" Eltern, Geschwistern und Tanten aufwächst, schizophren der Zustand des Autors zwischen deutsch-jüdischer Vergangenheit und amerikanischem Traum. Wie sich dieses vielfach gestörte Leben entwickelt, bildet laut Röhnert den Spannungsbogen des romanesken Buches.

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