Produktdetails
  • edition suhrkamp 2235
  • Verlag: Suhrkamp
  • Seitenzahl: 123
  • Deutsch
  • Abmessung: 10mm x 108mm x 177mm
  • Gewicht: 113g
  • ISBN-13: 9783518122358
  • ISBN-10: 3518122355
  • Artikelnr.: 09946048
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Autorenporträt
Ute-Christine Krupp, geboren in Börsborn/Pfalz, aufgewachsen in der Nähe der deutsch-französischen Grenze. Sie studierte Philosophie und Wirtschaftswissenschaft.
Seit 2001 lebt sie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2001

Liebe schadet Ihrer Gesundheit
Ute-Christine Krupp kennt die Biologie von Männern und Mikroben

Die Welt ist ein Bakteriennährboden. Mit der nötigen Distanz wird schnell ersichtlich, daß Makrokosmos und Mikrokosmos in verschiedenen Maßstäben ein und dasselbe Gebilde formen: "eine unsichtbare Masse, sichtbar nur in vielfacher Vergrößerung, nur durchs Mikroskop, und während ich den Drehknopf noch bewege, werden sie zu zappelnden Wesen, mit denen keiner in Berührung kommen möchte". Was die Mikroben trotz ihrer Unterschiede verbindet, ist ihre Resistenz - in erster Linie gegen Antibiotika. Zu ihrer systematischen Klassifizierung werden neben morphologischen Merkmalen auch die Stoffwechselleistungen und Stoffwechselwege verwendet, schreibt Carolin dann in ihre Doktorarbeit.

In ähnlicher Weise sind die zappelnden Wesen, die Carolin im Experimentierfeld ihres äußeren Lebens begegnen und mal Mathis, mal Simon heißen oder Mike oder Felix oder Heinrich, so beschaffen, daß man mit ihnen nicht gerne in Berührung kommen möchte. In der Regel nippen sie an ihrem Bier, trinken langsam ihren Kaffee, kauen, und wenn sie sonst ihre Kinnlade bewegen, dann um vorzugsweise von sich selbst zu reden. Oder eben "davon". Zu ihrer systematischen Klassifizierung wird neben ihren Stoffwechselleistungen für jedes von ihnen ein Kapitel verwendet, durchnumeriert von eins bis fünf. Jedem ist ein Sinnesorgan zugeordnet, das Carolin von je einem ihrer erotischen Versuchsobjekte reizen läßt. Aufs Ganze gesehen, könnte sie so ein Mosaik erstellen - aus der Vielzahl der Männerfragmente ließe sich jeder beliebige Idealpartner zusammenpuzzeln. In der Liebe wie in der Forschung muß die Chemie stimmen, befindet Carolin und verlagert, nun Makrobiologin, ihre Experimentreihe auf männliche Lebewesen, die sie so häufig wechselt wie die Bakterienkulturen und die mit letzteren die Gemeinsamkeit besitzen, resistent zu sein gegen alles, was die reibungslose Ausübung des Stoffwechsels in Frage zu stellen droht. Leidenschaften könnte man diese fremdartigen Störfaktoren auch nennen und obgleich sie keinen von ihnen mehr ernstlich treffen: Alle reden davon.

Ob letztgenannte Tatsache auch für den gleichnamigen Roman von Ute-Christine Krupp zutrifft, ist hingegen fraglich, denn das Buch liefert in eigentümlicher Weise fast keinen Diskussionsstoff. Seine Figuren ebenso wie seine Schauplätze sind so beliebig wie die verschieden gefärbten Nährböden und können nach Analyse unter dem Vorbehalt der sterilen Entsorgung immer wieder durch neue ersetzt werden. Die Schritte von Mathis, dem Sprachstudenten, hin zu Felix, dem durchschnittlich talentierten Kurzfilmemacher, oder zu Mirjam, der Freundin in Japan, vollziehen sich so geschmeidig und unauffällig wie die zahlreichen Perspektivwechsel der Erzählung. In einem einzigen Satz gleiten wir zuweilen von einem Kontinent zum anderen dank der Segen mobiler und elektronischer Kommunikation. Köln, Tokio, Amsterdam, Venedig - bis auf die Tatsache, daß beim Schneuzen in der Öffentlichkeit kulturell bedingte Unterschiede bei der Auslösung von Ekelreflexen zu berücksichtigen sind, nehmen sich die Orte einander nicht viel und sind wie aus einem Fernreisekatalog zusammengeschnipselt.

Das alles entspricht vielleicht dem Lebensgefühl der offenbar langweiligsten aller Jahrhundertwenden und könnte zumindest den hybriden ästhetischen Reiz der Kumulierung verschiedener sinnentleerter Versatzstücke bieten. Hingegen beschränkt sich das Erzählbare in Krupps Roman auf die Variationen im durchdringenden Gähnen der globalisierten Monotonie. Paradoxerweise ist der Autorin zum Vorwurf zu machen, die Einheit von Inhalt und Form in geradezu idealtypischer Weise zu verwirklichen. Der Inventar ihrer Charaktere, Erzähltechniken und literarischen Gemeinplätze gleicht zu sehr den Mikrobenkulturen ihrer Protagonistin: Sie sind nicht mehr als austauschbare, mikroliterarische Studienobjekte. Ein sicherlich beabsichtigter Effekt klinischer Kälte, der als alleiniges Prinzip jedoch einen Roman nicht trägt und auch einen wohlwollenden Leser vor die Frage stellt, welches sein Interesse daran sein soll, dies im Selbstversuch zu testen.

FLORIAN BORCHMEYER

Ute-Christine Krupp: "Alle reden davon". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 121 S., br., 16,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein Miniaturroman, der Rezensentin "maid" recht gut gefällt. Die Heldin ist Biochemikerin und erforscht "sehr symbolisch", wie "maid" findet, den Stoffwechsel eines antibiotikaresistenten Bakteriums. Im Privatleben studiert sie den Paarungsdrang der sie umgebenden Menschen (einschließlich ihrer eigenen Person) und des damit verbundenen Täuschungspotentials dieses Liebesbazillus. Dabei bleibt die Heldin, wie "maid" berichtet, kühl und beobachtend, wie es sich für eine Wissenschaftlerin gehört; die fünf geschilderten Episoden lesen sich wie Versuchsprotokolle oder Drehbuch-Fragmente, meint "maid" und lobt, dass die Autorin konsequent auf Distanz zu ihren Figuren bleibt. Gefühle, Regungen werden notiert, ohne die Gegenreaktionen zu schildern: eine monologische Struktur, erläutert "maid", in der Sehnsüchte, Illusionen und Klischees produziert werden und dann ins Leere laufen. Das sei nett anzuschauen.

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