Martin Beyer erzählt von der obsessiven Beziehung des Dichters Georg Trakl zu seiner Schwester Grete und beschreibt die schöpferische Raserei und Leidenschaft junger Künstler in all ihrer Zeitlosigkeit.
Sehnsucht, Besessenheit, Dekadenz - Berlin, Wien, Salzburg - Martin Beyer lässt die Boheme des 20. Jahrhunderts lebendig werden. Er erzählt von einer großen Tragödie der Literaturgeschichte und lässt ein Leben zwischen Verzweiflung und Lust literarisch auferstehen.
Den jungen Dichter Georg Trakl und dessen Schwester, die Pianistin Grete, verbindet eine Zuneigung, die nicht bloß platonisch ist. Doch Grete schwärmt zugleich für Georgs schüchternen Dichterfreund Erhard Buschbeck. Während der Salzburger Kaufmannsfamilie der Niedergang droht, begeben sich die drei auf die Suche nach künstlerischer Erfüllung. Und obwohl sich ihre Wege trennen, bleiben sie einander innig verbunden.
Sehnsucht, Besessenheit, Dekadenz - Berlin, Wien, Salzburg - Martin Beyer lässt die Boheme des 20. Jahrhunderts lebendig werden. Er erzählt von einer großen Tragödie der Literaturgeschichte und lässt ein Leben zwischen Verzweiflung und Lust literarisch auferstehen.
Den jungen Dichter Georg Trakl und dessen Schwester, die Pianistin Grete, verbindet eine Zuneigung, die nicht bloß platonisch ist. Doch Grete schwärmt zugleich für Georgs schüchternen Dichterfreund Erhard Buschbeck. Während der Salzburger Kaufmannsfamilie der Niedergang droht, begeben sich die drei auf die Suche nach künstlerischer Erfüllung. Und obwohl sich ihre Wege trennen, bleiben sie einander innig verbunden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2009Der Teufel tanzt aus mir
Da rollen die Rotweinflaschen, und opiumgetränkte Zigaretten werden gereicht: Martin Beyers Roman über die Geschwister Trakl.
Dieser Roman erzählt von historischen Personen, er beruht zu einem Teil auf wahren Begebenheiten und authentischen Dokumenten. Was den anderen Teil angeht, so folgt dieser Roman der Maxime: Literatur darf (fast) alles." Diese Worte stellt der 1976 geborene Martin Beyer seinem Roman "Alle Wasser laufen ins Meer" voraus. Zwar streift er so das Problem, dem alle (Künstler-)Biographien unterworfen sind: In welchem Verhältnis stehen Quellenmaterial und seine Linearisierung in der Nacherzählung? Der Vorspann macht aber in seinem selbstlegitimatorischen Gestus vor allem misstrauisch. Warum sollte Literatur nicht (fast) alles dürfen?
Im Zentrum von "Alle Wasser laufen ins Meer" steht das Geschwisterpaar Georg und Grete Trakl. Die Faszination von Trakls Gedichten ist ungebrochen, und auch das Leben des Autors bietet einigen Anlass zur Auseinandersetzung und Spekulation. Alkohol- und Drogenexzesse, seltsame Phobien und die enge Beziehung zur jüngsten Schwester können Trakl schnell als eine Art Jahrhundertwendepräfiguration des exzessiven Rockstars erscheinen lassen und die Phantasie derer befeuern, die sich mit ihm beschäftigen.
Martin Beyer, der mit dem Ensemble "Silbenmusik" die Gedichte Trakls auch als Sprechgesänge vorträgt, erliegt der widersprüchlichen, komplexen Faszination von Werk und Leben im doppelten Wortsinn. Dass sein Roman, der in einer Reihe von literarischen Trakl-Bearbeitungen wie Franz Fühmanns Essay "Vor Feuerschlünden" (1982) oder Gertrud Spats "Das Leben der Maria T." (2003) steht, misslungen ist, liegt nicht an mangelnder Recherche oder unzureichender Werkkenntnis. Das Problem des Textes, der drei Perioden aus dem Leben Trakls herausgreift und diese mit fingierten Briefen der Schwester Grete einleitet, besteht vielmehr darin, dass er geradezu andächtig an seinen Quellen klebt und darüber die Distanz zum Material verliert und Widersprüchliches einebnet. Beyer lässt bis in die feinsten Verästelungen des Textes Originalzitate in die Figurenrede einfließen - wenn etwa der namentlich ungenannt bleibende Gustav Mahler die Randbemerkung "Der Teufel tanzt es mit mir!" aus seiner Zehnten Symphonie ins Geschehen hineingrölt - und füllt dieses auf Authentizität bedachte Material immer da mit Imagination auf, wo im Dokumentarischen Lücken sind.
Das Imaginierte kommt dabei selten über Klischees hinaus, so dass die Figuren sich wie Marionetten in einer Zwickmühle aus schablonenhafter Faktentreue und schwülem Dekadenz-Kitsch bewegen. Da rollen die Rotweinflaschen, wenn sich die Geschwister auf den Dachboden des Elternhauses zurückziehen, da ergeht sich Trakl lustvoll in der Beobachtung verfangener Insekten in Spinnennetzen, da rangeln Georg und Grete um opiumgetränkte Zigaretten, die jene Betäubung verschaffen, die Trakl so "dringend nötig" hat, bevor er wieder in der Sprache seiner Verse redet. Das Verhältnis zwischen Grete und Trakls Freund Buschbeck setzt durch die Dreieckskonstellation einen zusätzlichen Pikanterietupfer. An keiner Stelle wird dabei der Mythos Trakl kritisch befragt oder neu interpretiert, sondern adjektivreich und reichlich naiv reproduziert.
Um die Brüchigkeit des Traklschen Lebens im Spannungsfeld zu seiner vielschichtigen Dichtung nachzuvollziehen, sind nicht nur die genannten freieren literarischen Bearbeitungen geeigneter. Selbst die in die Jahre gekommene rororo-Monographie von Otto Basil (1965) oder die aktuellere Trakl-Biographie von Hans Weichselbaum (1994), die eben nicht Literatur sein wollen, ermöglichen einen angemesseneren Zugang. Beyers klischeehafte Romanversion, die zudem den Verdacht aushalten muss, dass sich hier ein noch unbekannter Autor an die Fersen eines so berühmten hängen will, richtet da eher Schaden an.
BEATE TRÖGER
Martin Beyer: "Alle Wasser laufen ins Meer". Roman. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2009. 240 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Da rollen die Rotweinflaschen, und opiumgetränkte Zigaretten werden gereicht: Martin Beyers Roman über die Geschwister Trakl.
Dieser Roman erzählt von historischen Personen, er beruht zu einem Teil auf wahren Begebenheiten und authentischen Dokumenten. Was den anderen Teil angeht, so folgt dieser Roman der Maxime: Literatur darf (fast) alles." Diese Worte stellt der 1976 geborene Martin Beyer seinem Roman "Alle Wasser laufen ins Meer" voraus. Zwar streift er so das Problem, dem alle (Künstler-)Biographien unterworfen sind: In welchem Verhältnis stehen Quellenmaterial und seine Linearisierung in der Nacherzählung? Der Vorspann macht aber in seinem selbstlegitimatorischen Gestus vor allem misstrauisch. Warum sollte Literatur nicht (fast) alles dürfen?
Im Zentrum von "Alle Wasser laufen ins Meer" steht das Geschwisterpaar Georg und Grete Trakl. Die Faszination von Trakls Gedichten ist ungebrochen, und auch das Leben des Autors bietet einigen Anlass zur Auseinandersetzung und Spekulation. Alkohol- und Drogenexzesse, seltsame Phobien und die enge Beziehung zur jüngsten Schwester können Trakl schnell als eine Art Jahrhundertwendepräfiguration des exzessiven Rockstars erscheinen lassen und die Phantasie derer befeuern, die sich mit ihm beschäftigen.
Martin Beyer, der mit dem Ensemble "Silbenmusik" die Gedichte Trakls auch als Sprechgesänge vorträgt, erliegt der widersprüchlichen, komplexen Faszination von Werk und Leben im doppelten Wortsinn. Dass sein Roman, der in einer Reihe von literarischen Trakl-Bearbeitungen wie Franz Fühmanns Essay "Vor Feuerschlünden" (1982) oder Gertrud Spats "Das Leben der Maria T." (2003) steht, misslungen ist, liegt nicht an mangelnder Recherche oder unzureichender Werkkenntnis. Das Problem des Textes, der drei Perioden aus dem Leben Trakls herausgreift und diese mit fingierten Briefen der Schwester Grete einleitet, besteht vielmehr darin, dass er geradezu andächtig an seinen Quellen klebt und darüber die Distanz zum Material verliert und Widersprüchliches einebnet. Beyer lässt bis in die feinsten Verästelungen des Textes Originalzitate in die Figurenrede einfließen - wenn etwa der namentlich ungenannt bleibende Gustav Mahler die Randbemerkung "Der Teufel tanzt es mit mir!" aus seiner Zehnten Symphonie ins Geschehen hineingrölt - und füllt dieses auf Authentizität bedachte Material immer da mit Imagination auf, wo im Dokumentarischen Lücken sind.
Das Imaginierte kommt dabei selten über Klischees hinaus, so dass die Figuren sich wie Marionetten in einer Zwickmühle aus schablonenhafter Faktentreue und schwülem Dekadenz-Kitsch bewegen. Da rollen die Rotweinflaschen, wenn sich die Geschwister auf den Dachboden des Elternhauses zurückziehen, da ergeht sich Trakl lustvoll in der Beobachtung verfangener Insekten in Spinnennetzen, da rangeln Georg und Grete um opiumgetränkte Zigaretten, die jene Betäubung verschaffen, die Trakl so "dringend nötig" hat, bevor er wieder in der Sprache seiner Verse redet. Das Verhältnis zwischen Grete und Trakls Freund Buschbeck setzt durch die Dreieckskonstellation einen zusätzlichen Pikanterietupfer. An keiner Stelle wird dabei der Mythos Trakl kritisch befragt oder neu interpretiert, sondern adjektivreich und reichlich naiv reproduziert.
Um die Brüchigkeit des Traklschen Lebens im Spannungsfeld zu seiner vielschichtigen Dichtung nachzuvollziehen, sind nicht nur die genannten freieren literarischen Bearbeitungen geeigneter. Selbst die in die Jahre gekommene rororo-Monographie von Otto Basil (1965) oder die aktuellere Trakl-Biographie von Hans Weichselbaum (1994), die eben nicht Literatur sein wollen, ermöglichen einen angemesseneren Zugang. Beyers klischeehafte Romanversion, die zudem den Verdacht aushalten muss, dass sich hier ein noch unbekannter Autor an die Fersen eines so berühmten hängen will, richtet da eher Schaden an.
BEATE TRÖGER
Martin Beyer: "Alle Wasser laufen ins Meer". Roman. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2009. 240 S., geb., 18,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kristina Maidt-Zinke ist zwar der Meinung, dass Literatur alles darf - nur können muss sie eben auch etwas. Das ist hier offenbar nicht der Fall. Die Rezensentin beklagt sich über ein Romandebüt, das den Salzburger Dichter Georg Trakl hagiografisch vergewaltigt. Was die Überlieferung zu Trakls Biografie nicht hergibt, wird von Martin Beyer spekulativ, blauäugig, klischeebeladen und laut Maidt-Zinke die Grenze der Peinlichkeit überschreitend, erdacht. Die Mühsal des Dichters, die Salzburger Boheme, der vermeintliche Inzest mit der Schwester - für die Rezensentin gerät es hier zum banalen Schauspiel mit Pappkameraden. Ein bedenkliches Spiel mit historischem Personal, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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