Neue Gedichte der hoch dekorierten Lyrikerin: Anna-Seghers-Preis (1987), Leonce-und-Lena-Preis (1991) Gerrit-Engelke-Preis (1999).
Mythologie und Märchen: Wenn Kerstin Hensel Motive aus diesen überlieferten Erzählungen benutzt, dann findet sie zu Formulierungen von einer erstaunlichen explosiven Kraft. Aus alten Geschichten, Zaubersprüchen, Legenden und heute gebräuchlichen Redewendungen komponiert Hensel Gedichte, die lustvoll den verschatteten Blick für das Böse pflegen und die doch eine eigene und höchst abgründige Schönheit besitzen.
Mythologie und Märchen: Wenn Kerstin Hensel Motive aus diesen überlieferten Erzählungen benutzt, dann findet sie zu Formulierungen von einer erstaunlichen explosiven Kraft. Aus alten Geschichten, Zaubersprüchen, Legenden und heute gebräuchlichen Redewendungen komponiert Hensel Gedichte, die lustvoll den verschatteten Blick für das Böse pflegen und die doch eine eigene und höchst abgründige Schönheit besitzen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2008Verkästes Land
Die 1961 in Sachsen geborene Kerstin Hensel hat als Mädchen das blaue Halstuch der jungen Pioniere getragen, aber die "Wende" ohne Schock überstanden. Fremd ist ihr, wie der neue Gedichtband "Alle Wetter" wieder zeigt, der wehmütige Blick in die DDR-Vergangenheit - "Ostalgie" überlässt sie den "alten Kadern", die "im Gallert Erinnerung" liegen. Poetisch umschrieben ist ihre skeptische, illusionsfreie Haltung im Titel des zweiten Kapitels: "Nach Sachsen kehre ich nicht heim". Sie lässt sich nicht vom "Zunder der Zeitungen" entzünden, nicht einfangen vom Netz, das aus der "Hochburg der Technik" nach ihr ausgeworfen wird, nicht vom kreißenden "Frohsinn", der "strammstrapsig" die Straßen und die Programme der Sender "durchrollt". Wahrnehmbar ist ihre Skepsis schon im Versrhythmus, in den sie Hemmschwellen einlegt, in Bildern skurriler Verfremdung wie "das Land verkäst", "Horrorskop", "Tagestodesschau", auf dem Rhein "Dampfer voll kaspernder Lust", "Die hohe Poesie winkt aus dem Zwinger", Kunst soll heute "den Modder . . . betanzen", "die Schellenbäume düngen/ Und klingen/ Soll immer ein Mjuhsickel". Anspielungen auf Heines "Loreley" und "Die Wallfahrt nach Kevlaar" ernüchtern den Blick auf die zeremonielle Rheinfahrt des Papstes "mit seinen roten Schuhen" beim Besuch in Köln. Ins kulturkritische Panorama stehlen sich aber auch Märchenmotive und Kinderliedverse, so im Gedicht "Butzemann". Der naive Reim hat Platz neben Versen mit vollem poetischen Register wie etwa in einem der großartigsten deutschen New-York-Gedichte und in den Texten des Zyklus "Elf Spiele", wo Glücksspiele zu Gleichnissen des Lebens werden. Eine Reihe wichtiger Lyrik-Preise hat Kerstin Hensel erhalten. Mit wie viel Recht, bestätigt einmal mehr dieser Band. (Kerstin Hensel: "Alle Wetter". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 120 S., br., 7,- [Euro].) WHi
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die 1961 in Sachsen geborene Kerstin Hensel hat als Mädchen das blaue Halstuch der jungen Pioniere getragen, aber die "Wende" ohne Schock überstanden. Fremd ist ihr, wie der neue Gedichtband "Alle Wetter" wieder zeigt, der wehmütige Blick in die DDR-Vergangenheit - "Ostalgie" überlässt sie den "alten Kadern", die "im Gallert Erinnerung" liegen. Poetisch umschrieben ist ihre skeptische, illusionsfreie Haltung im Titel des zweiten Kapitels: "Nach Sachsen kehre ich nicht heim". Sie lässt sich nicht vom "Zunder der Zeitungen" entzünden, nicht einfangen vom Netz, das aus der "Hochburg der Technik" nach ihr ausgeworfen wird, nicht vom kreißenden "Frohsinn", der "strammstrapsig" die Straßen und die Programme der Sender "durchrollt". Wahrnehmbar ist ihre Skepsis schon im Versrhythmus, in den sie Hemmschwellen einlegt, in Bildern skurriler Verfremdung wie "das Land verkäst", "Horrorskop", "Tagestodesschau", auf dem Rhein "Dampfer voll kaspernder Lust", "Die hohe Poesie winkt aus dem Zwinger", Kunst soll heute "den Modder . . . betanzen", "die Schellenbäume düngen/ Und klingen/ Soll immer ein Mjuhsickel". Anspielungen auf Heines "Loreley" und "Die Wallfahrt nach Kevlaar" ernüchtern den Blick auf die zeremonielle Rheinfahrt des Papstes "mit seinen roten Schuhen" beim Besuch in Köln. Ins kulturkritische Panorama stehlen sich aber auch Märchenmotive und Kinderliedverse, so im Gedicht "Butzemann". Der naive Reim hat Platz neben Versen mit vollem poetischen Register wie etwa in einem der großartigsten deutschen New-York-Gedichte und in den Texten des Zyklus "Elf Spiele", wo Glücksspiele zu Gleichnissen des Lebens werden. Eine Reihe wichtiger Lyrik-Preise hat Kerstin Hensel erhalten. Mit wie viel Recht, bestätigt einmal mehr dieser Band. (Kerstin Hensel: "Alle Wetter". Gedichte. Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 120 S., br., 7,- [Euro].) WHi
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2008Im Schwanenseh
Kerstin Hensel dichtet drauflos
„Alle Wetter” heißt der neue Gedichtband von Kerstin Hensel, und tatsächlich: ob Regen, Schnee, ob Sonnenschein, die geborene Karl-Marx-Städterin bedichtet alle Witterungsverhältnisse. Nur eines fehlt in diesem Buch: jener Moment, in dem man eben gerne „Alle Wetter” rufen würde. Erstaunliches findet sich hier nämlich nicht. Stattdessen Gedichte, die man der Rubrik „Das Leichte Fach” subsumieren könnte. Wer meint, nichts mit Gedichten anfangen zu können, der wird bei den Produkten der 1961 geborenen Hensel erfreut sein, dass er doch etwas versteht, selbst wenn die Autorin mal nicht reimt, sondern, zum Beispiel, wie Frank O’Hara durch Manhattan flaniert und ihre Erlebnisse mit hakeligem Zeilenbruch zu überhöhen versucht: „ich bin / ein Tourist der Sonderklasse mit Glotze. / Im dreißigsten Stock / Des senkrecht gestellten Steins im Feld mit zwei Augen”.
Auch Hensels Neigung zum Kalauer wird bei manchem womöglich auf Anklang stoßen, ein Gedicht aber allen Ernstes „Schwanenseh” zu nennen schmerzt den sensiblen Betrachter denn doch. Für solcherlei Witzischkeit gibt es schließlich Hape Kerkeling. Richtig dumm wird es dann, wenn es dem bösen Kapital an den Kragen geht: „Die jungen Mimen / Halten ihre Verträge ins Licht / Die Abfindung der Abfindung / Mit dem Theater der Welt// Müde Handwerker / Finden sich ein / Aus den Logen der Manager / Hagelt’s Applaus”. Aber was heißt hier schon Manager! Denkt man an die armen Afrikaner, sind wir fetten Deutschen doch alle Ausbeuterschweine, „schwitzen den Beifall aus”, während „schwarze Gazellen” zu unserer Gaudi Marathon laufen. Schämen sollten wir uns was. Und zur Strafe diese Gedichte lesen.TOBIAS LEHMKUHL
KERSTIN HENSEL: Alle Wetter. Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 120 Seiten, 7 Euro.
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Kerstin Hensel dichtet drauflos
„Alle Wetter” heißt der neue Gedichtband von Kerstin Hensel, und tatsächlich: ob Regen, Schnee, ob Sonnenschein, die geborene Karl-Marx-Städterin bedichtet alle Witterungsverhältnisse. Nur eines fehlt in diesem Buch: jener Moment, in dem man eben gerne „Alle Wetter” rufen würde. Erstaunliches findet sich hier nämlich nicht. Stattdessen Gedichte, die man der Rubrik „Das Leichte Fach” subsumieren könnte. Wer meint, nichts mit Gedichten anfangen zu können, der wird bei den Produkten der 1961 geborenen Hensel erfreut sein, dass er doch etwas versteht, selbst wenn die Autorin mal nicht reimt, sondern, zum Beispiel, wie Frank O’Hara durch Manhattan flaniert und ihre Erlebnisse mit hakeligem Zeilenbruch zu überhöhen versucht: „ich bin / ein Tourist der Sonderklasse mit Glotze. / Im dreißigsten Stock / Des senkrecht gestellten Steins im Feld mit zwei Augen”.
Auch Hensels Neigung zum Kalauer wird bei manchem womöglich auf Anklang stoßen, ein Gedicht aber allen Ernstes „Schwanenseh” zu nennen schmerzt den sensiblen Betrachter denn doch. Für solcherlei Witzischkeit gibt es schließlich Hape Kerkeling. Richtig dumm wird es dann, wenn es dem bösen Kapital an den Kragen geht: „Die jungen Mimen / Halten ihre Verträge ins Licht / Die Abfindung der Abfindung / Mit dem Theater der Welt// Müde Handwerker / Finden sich ein / Aus den Logen der Manager / Hagelt’s Applaus”. Aber was heißt hier schon Manager! Denkt man an die armen Afrikaner, sind wir fetten Deutschen doch alle Ausbeuterschweine, „schwitzen den Beifall aus”, während „schwarze Gazellen” zu unserer Gaudi Marathon laufen. Schämen sollten wir uns was. Und zur Strafe diese Gedichte lesen.TOBIAS LEHMKUHL
KERSTIN HENSEL: Alle Wetter. Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 120 Seiten, 7 Euro.
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"Eine Reihe wichtiger Lyrik-Preise hat Kerstin Hensel erhalten. Mit wie viel Recht, bestätigt einmal mehr dieser Band." Süddeutsche Zeitung