Die Romane Wilhelm Raabes bilden ein kunstvolles Geflecht aus Zitaten und Anspielungen. Disparates, Ungefügtes ordnet sich im Selbstbezug poetischer Reflexionen. Nicht die Erzählung, sondern die Art und Weise der Darstellung, das Erzählen selbst ist der Gegenstand seiner Texte. Die literarischen Reminiszenzen zeugen, bislang unerkannt, von einer immanenten Poetik, und mehr noch: sie verraten den Ahnen eines eigentümlichen, dichterischen Verfahrens. Jean Pauls Schriften, häufig zitiert, sind Raabe Modell und Anstoß zur anthropologischen Erkundung des unbekannten Inneren, sie akzentuieren die Auflösung des autonomen Ich und setzen der im 19. Jahrhundert dominanten, auf Harmonie und Schönheit bedachten Ästhetik der Weimarer Klassik eine fiktive Welt des Fragmentarischen, des Häßlichen entgegen. Die Szenarien und Figuren Jean Pauls bezeichnen die Gesetze dichterischer Produktion, sind immer schon Allegorien des Erzählens. Raabe bekennt sich damit zu einer Tradition des offenen, aus Bruchstücken geformten Kunstwerks - zur Montage - und löst sich aus der Epoche des bürgerlichen Realismus. Seine Romane begründen, wie diejenigen Jean Pauls, die literarische Moderne.