Wer liebt, findet sich mit Erfahrungen, Affekten und Passionen konfrontiert, die über das mit den Begriffen der Sprache Sagbare hinausgehen. Nicht selten sprechen Liebende wortreich darüber, nicht über das sprechen zu können, wovon sie sprechen wollen. In der Literatur sind seit jeher notwendig paradoxe Versuche unternommen worden, das Unaussprechliche der Liebe in Worte zu fassen. Der Liebesdiskurs bedient sich dabei einer Strategie, die das Wesensmerkmal von Literatur überhaupt ist: Er verwendet Tropen und Figuren, um sich zu artikulieren - Anders-Rede, Allegorie. So ist der privilegierte Ort der Liebe die Literatur. Die Literatur ist in der Lage, im Zeichen der Liebe allegorisch auf die Kluft zwischen Sprache und Mensch, liebendem und geliebtem Wesen, Frau und Mann hinzuweisen. Dabei wird sie zugleich Medium der kodifizierten Regeln des gesellschaftlichen Ganzen. Allegorien des Liebens verwandeln sich in Liebes-Allegorien und damit in Allegorien des Zusammenlebens. Dieser Bandbeleuchtet das Spannungsfeld von Liebe und Literatur in chronologischer Perspektive: von antiken, spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literaturen ausgehend, über die Literaturen um 1800 und um 1900, um schließlich bei Theater, Film und Literatur der Gegenwart anzugelangen. Somit stellt er das Spannungsfeld von Literarizität und Liebe als Konstante in der Produktion und Reflexion von Literatur und Kultur vor und leistet damit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Literaturgeschichtsschreibung, sondern trifft zugleich auch Aussagen über die Literatur und das, was sie ausmacht.