Tuvia Tenenbom, aufgewachsen als Sohn eines Rabbiners in Jerusalem, begibt sich auf Entdeckungsreise durch Deutschland: von Nord nach Süd, von Ost nach West, in die Stadt, aufs Land, in die Kirchen und in die Kneipen. Auf seiner Suche nach der deutschen Identität schreckt er vor keiner Begegnung zurück. Er interviewt Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo und Kai Diekmann, er ist zu Gast in einem rechtsradikalen Club, er begleitet linke Autonome auf Erste-Mai-Demonstrationen. Er beobachtet die Biertrinkernation im WM-Sommer 2010, er besucht Synagogen, die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald, den Weltkirchentag, die Passionsspiele in Oberammergau. Er spricht mit Studenten und Professoren, mit Bankern und Industriellen, mit Politikern und Künstlern, mit Bürgermeistern und Schrebergartenbesitzern, mit Obdachlosen und Junkies. Quer durch alle gesellschaftlichen Schichten stellt er immer wieder die gleichen, drängenden Fragen: Wie ist es um den Nationalstolz der Deutschen bestellt?Wie gehen sie mit der deutschen Vergangenheit, wie mit dem Antisemitismus um? Wie reflektiert und kritisch sind sie dabei? Tenenbom nimmt in seinem sarkastischen, provokanten Reisebericht kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, uns den Spiegel vorzuhalten. Auf unterhaltsame Weise führt er mit scharfer Beobachtungsgabe die deutschen Marotten vor und enthüllt dabei intelligent und komisch zugleich die Seele des Landes und seiner Bewohner. Es treten auf: Helmut Schmidt, Giovanni di Lorenzo, Jens Jessen, Horst Tomayer, André Schiffrin, Charles Schumann, Kai Diekmann, Holger Franke (»Rote Grütze«), Adolf Sauerland, Helge Schneider, Paul Bauwens Adenauer, Peter Scholl-Latour u.a..
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Sieglinde Geisel zweifelt ein wenig an den hehren Absichten von Tuvia Tenenbom, denn: "Wer ernsthaft gegen den Antisemitismus kämpft, hat keinen Grund, sich seine Antisemiten herbeizuschreiben", meint sie. Und genau das tut Tenenbom ihr zufolge, er verdreht Aussagen, suggeriert böswillig und zieht voreilige Schlüsse, so sehr, dass einige Interviewpartner des Autors rechtliche Schritte gegen ihre Darstellung in "Allein unter Deutschen" erwägen, wie die Rezensentin weiß. Dabei findet sie das Spiel, das Tenenbom treibt, stellenweise hoch amüsant, er treibt es ihr bloß zu weit, zum Beispiel wenn er einer Friedensaktivistin in den Mund lege, sie sei zwar für eine heile Welt, allerdings "vorausgesetzt, der Jude bleibt draußen". Der "Blick des tumben Außenseiters" eigne sich zwar für humorvolle Einlagen, für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit offenem oder latentem Antisemitismus in Deutschland taugt er kaum, so das Fazit der Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Mutig, lustig und oft himmelschreiend absurd.«
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL 26.11.2012
Wolfgang Höbel, DER SPIEGEL 26.11.2012