Die Industrieschulbewegung ist mehr als eine pädagogische Kuriosität der Aufklärung. Erstmalig gelingt es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, allgemeinbildende und berufsbezogene Unterrichtsinhalte konzeptionell zu verbinden und bis zum Teil heute gültige Standards in ein sich langsam etablierendes Schulsystem einzuführen. Die so entstehenden Industrieschulen sind Ausprägung einer Ideen- und Wirkungsgeschichte, die ihren Weg, von den Niederlanden ausgehend, über England und Norddeutschland bis hin nach Österreich und Böhmen nimmt, um schließlich in einem ländlichen Kirchspiel eine erste lokale Konkretisierung im Herzogtum Westfalen zu erfahren. - Melchior Ludolf Herold, 1753 in Rüthen geboren, ist seit 1780 Pfarrer des Kirchspiels Hoinkhausen; seine Fähigkeiten und Interessen sind für einen Dorfgeistlichen dieser Zeit ungewöhnlich weit gespannt: theologische, philosophische und pädagogische Fragestellungen beschäftigen ihn genauso, wie ökonomische, juristische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Und nicht zuletzt sein Gesangbuch ist es, das in Gebrauch und Rezeption seine Gedanken und Intentionen über seinen Tod, 1810, hinaus, bis in unsere Zeit trägt. - Die vorliegende Dissertation versucht, die bisher im wissenschaftlichen Kontext weitgehend unbekannte Person Melchior Ludolf Herold biografisch sowie sein Umfeld sozialgeschichtlich zu erforschen. Über sein Industrieschulkonzept, das Hoinkhauser Modell, wird er als Vertreter der Aufklärungspädagogik ideen- und wirkungsgeschichtlich verortet und so in einen Forschungszusammenhang gestellt, der über eine mikrohistorische Betrachtung auf eine frühe Schulentwicklung auf europäischer Ebene verweist.