Cees Nooteboom
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Allerseelen
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Arthur Daane, ein Niederländer in Berlin, streift mit der Filmkamera durch die verschneite Großstadt, auf der Suche nach Bildern für seinen Film. Aber dann lernt er die junge Elik kennen, eine Frau mit Geheimnissen, der er folgt - bis nach Madrid, bis zum Ende.
»Ein großer und ausgeruhter, ein europäischer und kosmopolitischer Roman.« Ulrich Greiner, Die Zeit
»Ein großer und ausgeruhter, ein europäischer und kosmopolitischer Roman.« Ulrich Greiner, Die Zeit
Cees Nooteboom wurde am 31. Juli 1933 in Den Haag geboren. 1955 erschien sein erster Roman Philip en de anderen, der drei Jahre später auch in Deutschland unter dem Titel Das Paradies ist nebenan veröffentlicht wurde (und 2003 in der Neuübersetzung von Helga van Beuningen unter dem Titel Philip und die anderen erneut eine große Lesergemeinde fand). Nooteboom berichtete 1956 als junger Autor über den Ungarn-Aufstand, 1963 über den SED-Parteitag, und fünf Jahre später über die Studentenunruhen in Paris (gesammelt in dem Band Paris, Mai 1968). Seine inzwischen in mehreren Bänden gesammelten Reiseberichte, die weniger Reportagen als vielmehr von genauer Beobachtung getragene, reflektierende Betrachtungen sind, festigten Nootebooms Ruf als Reiseschriftsteller. 1980 fand Nooteboom zurück zur fiktionalen Prosa und erzielte mit dem inzwischen auch verfilmten Roman Rituale (Rituelen) große Erfolge. Sein umfangreiches Werk, das in viele Sprachen übersetzt ist, umfasst Erzählungen, Berichte, Gedichte und vor allem große Romane wie Allerseelen (Allerzielen). Die elf Bände seiner Gesammelten Werke enthalten neben den bereits publizierten Büchern zahlreiche erstmals auf deutsch vorliegende Texte. Der Quarto-Band Romane und Erzählungen versammelt die gesamte fiktionale Prosa des Autors. Cees Nooteboom lebt in Amsterdam und auf Menorca. Helga van Beuningen, geboren 1945 in Obergünzburg, studierte Englische und Niederländische Sprache in Heidelberg, wo sie anschließend 15 Jahre lang Niederländisch lehrte. Seit 1984 lebt sie als freie Übersetzerin in Bad Segeberg.
Produktdetails
- suhrkamp taschenbuch 3163
- Verlag: Suhrkamp
- Originaltitel: Allerzielen
- Artikelnr. des Verlages: ST 3163
- 9. Aufl.
- Seitenzahl: 440
- Erscheinungstermin: 23. Oktober 2000
- Deutsch
- Abmessung: 175mm x 105mm x 33mm
- Gewicht: 276g
- ISBN-13: 9783518396636
- ISBN-10: 3518396633
- Artikelnr.: 08935017
Herstellerkennzeichnung
Suhrkamp Verlag
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Ein sinnierender Flaneur
Der Prophet gilt wenig im eigenen Land, dem Schriftsteller geht es zuweilen ebenso. Cees Nooteboom ist so einer, auf den dies zutrifft, die Rezeption seines erzählerischen Werkes ist in Deutschland intensiver als in seiner holländischen Heimat. Neben dem …
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Ein sinnierender Flaneur
Der Prophet gilt wenig im eigenen Land, dem Schriftsteller geht es zuweilen ebenso. Cees Nooteboom ist so einer, auf den dies zutrifft, die Rezeption seines erzählerischen Werkes ist in Deutschland intensiver als in seiner holländischen Heimat. Neben dem Feuilleton ist dies vermutlich dem Engagement Siegfried Unselds für seinen Autor zu danken, «Allerseelen» hatte den berühmten Verleger, wie er schrieb, beim Lesen an die großen Flaneure des zwanzigsten Jahrhunderts erinnert. Der Handlungsort Berlin kurz nach der Wiedervereinigung erklärt zudem die besondere Beachtung dieses 1999 veröffentlichten Romans in Deutschland, er gilt als der beste Berlin-Roman der jüngeren Zeit.
Arthur Daane, unverkennbar das Alter Ego des Autors, ist geradezu der Prototyp eines Flaneurs, ein 44jähriger niederländischer Filmemacher, der vor zehn Jahren bei einem Flugzeugunglück Frau und Kind verloren hat und inzwischen zum Einzelgänger geworden ist. Sein Beruf zwingt ihm eine unstetige Lebensweise auf, er ist viel auf Reisen und nirgendwo richtig zu Hause, es zieht ihn aber immer wieder nach Berlin, wo er gute Freunde hat. Da ist der deutsche Philosoph Arno Tieck, eine Romanfigur, die an Rüdiger Safranski erinnert, mit dem der Autor befreundet ist, ferner der holländische Bildhauer Victor und die russische Physikerin und Galeristin Zenobia, ein debattierfreudiges Dreigestirn, das sich regelmäßig in einem Pfälzer Weinlokal trifft. Seine älteste Freundin, die in Amsterdam lebende Erna, mit der er fast täglich telefoniert, stellt mit ihrer lebensklugen Art einen Anker für ihn dar, sie erdet ihn regelmäßig, wenn er mal wieder in höheren Sphären schwebt. Denn Arthur, der durch Berlin streift in den Wartezeiten zwischen seinen Filmprojekten, der nicht jeden Auftrag annimmt und nur soviel arbeitet, wie unbedingt sein muss, der Galerien, Ausstellungen, Museen, Bibliotheken besucht, regelmäßig in bestimmten Cafés und Restaurants anzutreffen ist, er betätigt sich auf seinen Streifzügen nicht nur physisch als Flaneur, er ist es auch psychisch. Permanent auf der Suche, ohne genau definieren zu können, was er denn sucht, hat er seine Kamera meistens dabei und filmt für seine private «Sammlung» speziell das, was kommerziell nicht verwertbar ist, unbedeutende Details und Fragmente zumeist, die er irgendwann zu einem großen Ganzen fügen will.
In einem Café trifft er auf eine junge Frau, die extrem verschlossen ist und seltsam abweisend bleibt auch dann, als sie sich näher kommen. Sie arbeitet verbissen an einer Dissertation über eine nahezu vergessene spanische Königin, diskutiert lebhaft mit seinen Freunden, verschwindet aber immer wieder ganz abrupt und ohne Abschied. Als Arthur nach einem mehrwöchigen Filmauftrag aus Japan zurückkommt, ist sie wieder verschwunden, mühsam spürt er sie im Nationalarchiv in Madrid auf. Sie sei schwanger geworden, habe abtreiben lassen, - beide trennen sich im Streit. Als Arthur nach einem Raubüberfall aus dem Krankenhaus entlassen wird und erfährt, sie sei nach Santiago abgereist, widersteht er dem Impuls, ihr nachzureisen.
Der Roman hat abgesehen von der kurzen eingelagerten Beziehungsgeschichte kaum Handlung, er stellt eine Kollage von Episoden, Reflexionen, Theorien über Geschichte, Nationen, Politik, städtische Kultur und vor allem über Kunst dar, von einem auktorialen Erzähler aus Arthurs Perspektive erzählt und von einem der Antike nachempfundenen «Chor» in kurzen Intermezzi kommentiert. Es ist der Kampf gegen das Vergessen, an «Allerseelen» als Gedenken an die Toten zelebriert, der Arthur umtreibt, ihn ausufernde philosophische Diskussionen führen lässt, der Chor aber resümiert am Ende: «Und wir? Ach wir …» Mit seiner Themenfülle und den vielen Bezügen und Querverweisen ist dieser ebenso kopflastige wie blutleere Roman eine Fundgrube für den philosophisch interessierten Leser, permanent zu einem Weiterdenken anregend, welches man kaum als kontemplativ bezeichnen kann.
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