Produktdetails
- Beck'sche Reihe
- Verlag: Beck
- Gewicht: 158g
- ISBN-13: 9783406392269
- Artikelnr.: 06055325
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.1995Trendy
NEUDEUTSCH. Man fühlt sich mitunter an die berühmte Arbeit Sternbergers, das "Wörterbuch des Unmenschen", erinnert, wenn man in dem kleinen Brevier blättert, das jetzt den modischen Umgangsjargon, vor allem in der Werbebranche, erläutert. Die "Sprachverhunzung", die für Thomas Mann ein Charakteristikum der Nationalsozialisten war, ist auch nach einem halben Jahrhundert noch voll im Gange. Zwar ist heutzutage kein Unrechtsregime mehr am Werk, sondern bloße Wichtigtuerei oder Profitgier, aber bei den Werbefeldzügen - die nicht umsonst diesen militanten Titel tragen - benutzt man eine Strategie, die den Konsumenten als manipulierbares Objekt betrachtet. Man formuliert eine ausgefeilte Message, die auf das Unterbewußtsein der Zielgruppen einwirken soll. Bereits im Ersten Weltkrieg kam es zu einer massiven Manipulation der deutschen Umgangssprache. Während sie heutzutage von amerikanischen Floskeln und Slogans überschwemmt ist, herrschte damals eine Vorliebe für allerlei französische Ausdrücke. Patriotisch gestimmten Oberlehrern waren sie als "welsche Fremdworte" seit jeher ein Dorn im Auge, und deshalb startete man gleich nach Kriegsbeginn, im August 1914, eine vehemente Eindeutschungskampagne. Das elegante Restaurant wurde kurzerhand abgeschafft, und der deutsche Spießbürger speiste fortan in der biederen Gaststätte.Sogar die Toilette war für stramme Studienräte tabu: Der Deutsche hatte gefälligst aufs Abort zu gehen oder, noch schlimmer, in die gräßlich wilhelminische Bedürfnisanstalt. Das ist gottlob alles lange her. Aber den leidigen Verdeutschungsfimmel gibt es, vor allem in Amtsstuben, immer noch. Natürlich ist das vorliegende Wörterbuch der gerade aktuellen Modefloskeln nicht mit Sternbergers Klassiker zu vergleichen, aber es enthält doch gescheite Kommentare zu der eigentümlich manieriert klingenden Terminologie. Man erhält einen guten Einblick in eine snobistische Talmiwelt, in der es gilt, stets voll im Trend zu sein. (Eike Schönfeld: alles easy. Ein Wörterbuch des Neudeutschen. Beck'sche Reihe 1126. Verlag C. H. Beck, München 1995. 175 Seiten, 14,80 Mark.) HENNING SCHLÜTER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
NEUDEUTSCH. Man fühlt sich mitunter an die berühmte Arbeit Sternbergers, das "Wörterbuch des Unmenschen", erinnert, wenn man in dem kleinen Brevier blättert, das jetzt den modischen Umgangsjargon, vor allem in der Werbebranche, erläutert. Die "Sprachverhunzung", die für Thomas Mann ein Charakteristikum der Nationalsozialisten war, ist auch nach einem halben Jahrhundert noch voll im Gange. Zwar ist heutzutage kein Unrechtsregime mehr am Werk, sondern bloße Wichtigtuerei oder Profitgier, aber bei den Werbefeldzügen - die nicht umsonst diesen militanten Titel tragen - benutzt man eine Strategie, die den Konsumenten als manipulierbares Objekt betrachtet. Man formuliert eine ausgefeilte Message, die auf das Unterbewußtsein der Zielgruppen einwirken soll. Bereits im Ersten Weltkrieg kam es zu einer massiven Manipulation der deutschen Umgangssprache. Während sie heutzutage von amerikanischen Floskeln und Slogans überschwemmt ist, herrschte damals eine Vorliebe für allerlei französische Ausdrücke. Patriotisch gestimmten Oberlehrern waren sie als "welsche Fremdworte" seit jeher ein Dorn im Auge, und deshalb startete man gleich nach Kriegsbeginn, im August 1914, eine vehemente Eindeutschungskampagne. Das elegante Restaurant wurde kurzerhand abgeschafft, und der deutsche Spießbürger speiste fortan in der biederen Gaststätte.Sogar die Toilette war für stramme Studienräte tabu: Der Deutsche hatte gefälligst aufs Abort zu gehen oder, noch schlimmer, in die gräßlich wilhelminische Bedürfnisanstalt. Das ist gottlob alles lange her. Aber den leidigen Verdeutschungsfimmel gibt es, vor allem in Amtsstuben, immer noch. Natürlich ist das vorliegende Wörterbuch der gerade aktuellen Modefloskeln nicht mit Sternbergers Klassiker zu vergleichen, aber es enthält doch gescheite Kommentare zu der eigentümlich manieriert klingenden Terminologie. Man erhält einen guten Einblick in eine snobistische Talmiwelt, in der es gilt, stets voll im Trend zu sein. (Eike Schönfeld: alles easy. Ein Wörterbuch des Neudeutschen. Beck'sche Reihe 1126. Verlag C. H. Beck, München 1995. 175 Seiten, 14,80 Mark.) HENNING SCHLÜTER
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