»Alles Gold« spielt die Welt einer Jugend in den 90ern durch. Murašov zoomt dabei Artur, Nejla, Kazim, Bobby und Dilek so nahe heran, als würden sie mit ihrer Hoffnung, ihren Problemen, ihren Beats, ihrer Liebe und Freundschaft direkt neben uns stehen.
»Alles Gold« ist Coming of Age, sweet dabei,
ein Jugendroman, die Altersempfehlung ist ab 12. Ja ich weiß, gähn, aber Murašov erzählt neben der…mehr»Alles Gold« spielt die Welt einer Jugend in den 90ern durch. Murašov zoomt dabei Artur, Nejla, Kazim, Bobby und Dilek so nahe heran, als würden sie mit ihrer Hoffnung, ihren Problemen, ihren Beats, ihrer Liebe und Freundschaft direkt neben uns stehen.
»Alles Gold« ist Coming of Age, sweet dabei, ein Jugendroman, die Altersempfehlung ist ab 12. Ja ich weiß, gähn, aber Murašov erzählt neben der immer gleichen Geschichte des Erwachsenwerdens in einer Perspektive von fünf Menschen, die Arzt- oder Lehrerkinder wohl als Underdogs bezeichnen würden (so steht es auch auf der Verlagsseite, fünf Underdogs...). Wir wissen alle, wie undurchlässig unser Bildungssystem ist, dazu die Chancen ungleich verteilt sind, auch wenn einige von ihnen den Aufstieg schaffen. Klar, die von Murašov thematisierte Welt ist schon lange in der deutschsprachigen Literatur angekommen, besonders die Aufstiegsgeschichten. Für meinen Geschmack sind sie immer noch zu sehr beeinflusst von Édouard Louis und Co.. Oft sind sie ernst, gefällig dem Blick eines biodeutschen Bildungsbürgertums folgend, das Leidensgeschichten erwartet, das Mitleiden und "neue Perspektiven" bekommt und das ist auch okay. Aber es fehlt, was Murašov mit »Alles Gold« schafft. »Alles Gold« erzählt ein lässiges, undramatisches Heranwachsen in Deutschland der 90er Jahre, mit dem Verve von Figuren, die Hiphop lieben und nebenbei migrantisch, arm und marginalisiert sind, aus der Welt von Gastarbeiterkindern, Spätaussiedlern, Geflüchteten, Stadtkindern mit Popkultur und Freundschaften quer zu alledem. Artur hat russische Eltern, der Papa hat die depressive Mutter zur gleichen Zeit hängen lassen, wie seine Freundin ihn, doch dann findet er die Beats und das Rappen mit Kazim, der an jeder Ecke kurdische Verwandte hat, der noch nicht bereit ist für die Ehe und keine Lust auf die Schwierigkeiten hat, die eine nicht-alevitische Freundin mit sich ziehen würden. Artur findet Nejla, eine coole Bosnierin, die Kunst liebt, die den Krieg, ihren verstorbenen Vater und ihre zurückgekehrte Mutter in sich verschließt. Eine Verwandte hat vielleicht eine Bank ausgeraubt und zieht sie mit rein und der drogenabhängige Cousin macht es nicht besser. Bobbys deutsche Eltern haben sich nie richtig gekümmert, sein Halt ist Artur, Graffiti, die Tiere und seine Hilfsbereitschaft. Er stürzt trotzdem fast ab in Berlin, doch dann trifft er Dilek wieder, die in der Schulzeit vor ihren türkischen Eltern weggelaufen war und seitdem ein verschlossenes Leben in Berlin führt.
Der Sound gleitet entspannt, aber mit Tiefe, die Szenen und Dialoge sind lebendig, drehbuchartig fast und Mehrsprachigkeit fließt ganz natürlich in den Text. Die Figuren gelingen Murašov markant mit Entwicklung, der Blick auf das Geschehen ist aus der Mitte heraus, die Stimmung macht nostalgisch, mitfiebernd und optimistisch mit dem Figuren hoffend. Ich kann mit gut vorstellen, dass genau das auch vielen gefallen könnte, die nicht aus diesen Welten kommen und denen, die so aufgewachsen sind, gerade in den 90ern sowieso. »Alles Gold« eignet sich bestens als Schullektüre, auch als Ausgangspunkt für eine Miniserie erscheint es prädestiniert. Eine begleitende EP ist auch dabei und die Fortsetzung folgt.