Ob bewusst oder unbewusst, gewollt oder nicht: Wir arbeiten ständig. Der globale Kapitalismus hat unsere Lebenszeit, unsere Subjektivität, unsere Erfahrungen, Wünsche und Sehnsüchte in nie dagewesener Weise zu Arbeit und zu Geld gemacht. Gleichzeitig wird die formale Lohnarbeit immer stärker prekarisiert.Packend zeichnen Mareile Pfannebecker und James A. Smith nach, wie sich ein Regime etablieren konnte, das sie »Lebensarbeit« nennen. Dabei stützen sie sich auf soziologische Erhebungen, philosophische wie politische Theorien, Berichte von Arbeiter_innen und Popkultur - von Adorno zu Tiqqun, von Jean-Luc Nancy zu Amy Winehouse. Weil jeder Aspekt des Lebens von Arbeit kolonialisiert wird, ohne dass diese noch unseren Lebensunterhalt garantiert, müssen wir neue Fragen stellen: Kann uns ein nostalgisches Bild davon, wie Arbeit früher war, heute noch weiterhelfen? Wie konnten Arbeit und Arbeitslosigkeit gleichermaßen zu prekärem »malemployment« werden, und wie können wir unsere Sehnsüchte der kapitalistischen Verwertung entziehen? Und schließlich: Wie lässt sich eine Post-Arbeits-Gesellschaft denken, in der wir auch tatsächlich leben wollen - in einer Zeit, in der das Ende der Arbeit und eine vollautomatisierte Zukunft gleichermaßen von Tech-Ideolog_innen aus dem Silicon Valley wie auch von sozialdemokratischer Politik und linker Theorie proklamiert werden?»Eine provokante und wichtige Auseinandersetzung damit, wie Arbeit und ihre Anforderungen unsere Sehnsüchte und unsere Imaginationen von Zukunft durchdringen.« Nick Srnicek»Ein einzigartiger Überblick über die derzeitigen Paradoxien der Anti-Arbeits-Politiken.« Sophie Lewis
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Mit regem Interesse liest Rezensent Bodo Morshäuser Mareile Pfannebeckers und James A. Smiths Analyse des Arbeitsbegriffs nach dem historischen Einschnitt, den die Arbeitsreformen von USA bis Deutschland von den Achtzigern bis in die frühen Nullerjahre darstellten: Was einst die Konkurrenzfähigkeit der nationalen Ökonomien sichern sollte, habe über kurz oder lang zu zwei Exzessen eines fetischisierten Arbeitsbegriffs geführt, die die Autoren unter den Begriffen "Missbeschäftigung" und "Entschäftigung" zu greifen versuchen. Unter dem ersten Begriff fassen die Autoren all jene Beschäftigungsverhältnisse, die zwar als Selbständigkeit camoufliert sind, aber de facto auf Lohnabhängigkeit hinauslaufen - allerdings ohne die damit einher gehende Absicherung. "Entschäftigung" wiederum trifft all jene, die aus dem Arbeitsmarkt herausgefallen und in die Armutsverwaltung gerückt sind. Auch beim gegenwartsanalytischen Teil, der "diesem interessanten und lehrreichen Buch" seinen Titel verleiht, muss der Rezensent mit dem Kopf nicken: Wir arbeiten ständig alle und irgendwer verdient mit - und wenn wir nur beim zerstreuten Blick auf Social-Media-Apps Algorithmen darauf trainieren, ihren Programmieren höhere Werbeeinnahmen zu bescheren. Skeptisch wird der Rezensent allerdings beim Lösungsvorschlag, den das Buch unterbreitet: Dass die Menschen einfach nur die neuen Technologien im eigenen Sinne arbeiten lassen müssen, klinge dann doch nach "einer Vision, die schwer vorstellbar erscheint".
© Perlentaucher Medien GmbH
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