Im Mittelpunkt dieses Buches steht die exemplarische Lebensgeschichte eines Mannes, der auch unter schwierigsten politischen Bedingungen seine Handlungsfreiheit bewahrt hat. Peter Seidensticker, Jahrgang 1924, wird zum "Zeitzeugen" im besten Sinne, indem es ihm gelingt, seinen Lesern die gesellschaftlichen Umbrüche des vergangenen Jahrhunderts und deren Folgen für den Einzelnen nahezubringen. Die große Geschichte verwandelt sich unter seiner Feder in Geschichten, die über das rein Anekdotische hinausgehen.Die paradiesische Welt einer liebevoll umhegten Kindheit wird zunächst durch die Zerrüttung seiner Familie, dann durch den aufkommenden Nationalsozialismus zerstört. Schonungslos schildert Seidensticker seine bedrückenden Erlebnisse als junger Soldat in einem aussichtslosen Krieg und erzählt anschließend so humorvoll wie beiläufig von der Aufbruchstimmung und dem Bildungshunger während der Zeit des Wiederaufbaus in Deutschland.Wer erfahren möchte, wo die Wurzeln der allseits beklagten Bildungsmisere liegen, findet schließlich in Seidenstickers eindrücklicher Schilderung seiner Erfahrungen im Schul- und Universitätsdienst während der vieldiskutierten "68er"-Zeit reiches Anschauungsmaterial. Als anerkannter Sprachwissenschaftler an der Philipps-Universität Marburg wie schon zuvor als Lehrer in Göttingen konnte er eigene Reformen durchsetzen und stellte sich auch der neuen ideologischen Herausforderung durch die junge Generation, ohne dabei seine Ideale preiszugeben.Am Ende bleibt beim Leser die Faszination über den Lebensweg eines Mannes, der das "alles noch selbst gesehen" hat.