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Little ist verschwunden. Sein Freund Robert sucht ihn in der Stadt, in der beide gemeinsam aufgewachsen sind. Robert geht an die Orte ihrer Kindheit, doch nirgends eine Spur des Mannes, der in der Szene eine feste Größe war. Während Robert tagelang durch die Gassen und Plätze der Stadt streift, beschleicht ihn immer mehr das Gefühl, dass seinem Freund etwas zugestoßen sein könnte. Little umgibt ein dunkles Geheimnis, das hinter der lieblichen Fassade der Stadt liegt und in die Zeit der Studentenbewegung und des RAF-Terrors zurückreicht. Während zusehends Vergangenheit und Gegenwart ineinander…mehr

Produktbeschreibung
Little ist verschwunden. Sein Freund Robert sucht ihn in der Stadt, in der beide gemeinsam aufgewachsen sind. Robert geht an die Orte ihrer Kindheit, doch nirgends eine Spur des Mannes, der in der Szene eine feste Größe war. Während Robert tagelang durch die Gassen und Plätze der Stadt streift, beschleicht ihn immer mehr das Gefühl, dass seinem Freund etwas zugestoßen sein könnte. Little umgibt ein dunkles Geheimnis, das hinter der lieblichen Fassade der Stadt liegt und in die Zeit der Studentenbewegung und des RAF-Terrors zurückreicht. Während zusehends Vergangenheit und Gegenwart ineinander fließen, nähert sich die Suche einem dramatischen Ende. ("Der beste Spätzünder der deutschen Literatur."Feridun Zaimoglu)
Autorenporträt
Thomas Kraft, geboren 1959 in Bamberg, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft und Philosophie. Seit 1999 ist er als Autor, Literaturkritiker und Veranstalter tätig. Er hat ein Literaturlexikon und mehrere Anthologien herausgegeben und Bücher über Lyrik, Franken, Jakob Wassermann, Robert Musil und die deutsche Gegenwartsliteratur veröffentlicht.In diversen Projekten bemüht er sich um eine fröhliche Symbiose von Literatur und Rockmusik. Zuletzt: The Beat goes on (2013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2013

Sound der Heimat
Der Literaturkritiker und -verwalter Thomas Kraft hat einen späten
Debüt-Roman über Bamberg geschrieben – und über die Freundschaft
VON ANTJE WEBER
München – Er läuft und läuft und läuft. Durch die belebte Austraße, vorbei am Buchladen Collibri, durch die Mauthgasse. Die Obere Brücke und damit den Touristenstrom am Alten Rathaus meidet Robert, auch den Schweinetrog der Unteren Brücke über die Regnitz lässt er aus. Er wählt den Weg zum Kranen, spaziert am Ufer gen Süden entlang. Immer in der Hoffnung, seinen Freund Little wiederzufinden – und damit die verflossene Jugend.
  Nur Einheimische werden bei der Erwähnung dieser Ortsbeschreibungen wissend nicken. Allen anderen Lesern von Thomas Krafts Roman „Alles Tarnung“ (Maro Verlag) wird entweder egal sein, wo er spielt – wobei sie diese Haltung nicht lange durchhalten dürften, dafür ist die Präsenz der Stadt in diesem Buch einfach zu übermächtig. Oder sie finden früher oder später anhand vieler Indizien und notfalls mithilfe von Internet-Suchmaschinen heraus: Hier spielt die Stadt Bamberg, auch wenn der Name nie fällt, ganz klar die eigentliche Hauptrolle. Mit ihren Straßen, ihren Plätzen, ihren Kneipen, mit ihrer ganzen katholisch barocken Atmosphäre.
  Sagt man das etwas zu deutlich gegenüber dem Autor dieses späten Debüts, der schließlich 1959 in Bamberg geboren wurde, protestiert er sogleich. Dies sei kein Bamberg-Roman: „Es ist eine mir sehr vertraute Topografie, die ich vor 35 Jahren, also 1978, verlassen habe.“ Überhaupt gibt Thomas Kraft, promovierter Germanist und langjähriger Literaturkritiker und -verwalter in München, ob als Programmleiter des Literaturhauses oder zuletzt Programm-Macher des LangenMüller-Verlags, die Interpretation seines Romans selbstbewusst ganz gerne selber vor. Zu Bamberg jedenfalls habe er, sagt Kraft bei einem Gespräch in einem Münchner Innenstadtcafé, „nach wie vor ein sehr inniges, aber aus räumlichen Gründen auch distanziertes Verhältnis, was einen liebevoll-kritischen Blick ermöglicht“.
  Tatsächlich lässt er in den Begegnungen von Robert, den man guten Gewissens als sein Alter Ego bezeichnen darf, zahlreiche Stimmen aus unterschiedlichen Bamberger Milieus zu Wort kommen. Ein Galerist klagt angesichts der offensichtlichen Harmonie in dieser prachtvollen, im Krieg unzerstörten und als Unesco-Welterbe von Touristen überrannten Stadt: „Der Schein trügt. Das ist alles Fassade.“ Einstige Bamberg-Bewohner wie der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann oder der Philosoph Ludwig Feuerbach erwachen zu neuem Leben, werden zitiert und aktualisiert: „Man gibt sich hier gerne freidenkerisch und tolerant. Vorgeblich dürfen alle tun und lassen, was sie wollen“, lässt Kraft zum Beispiel E.T.A. Hoffmann sagen: „Aber nur so weit, dass die Ordnung nicht gestört wird. Ordnung, das ist hier das bestimmende Lebensprinzip.“ Protagonist Robert sucht sogar den vor wenigen Jahren verstorbenen Schriftsteller Hans Wollschläger in seinem Haus auf: „Die Stadt hat ein Janus-Gesicht“, befindet der. „Hier fristen viele ihr Dasein im Bierdunst und im Weihrauch und kommen irgendwie über die Runden. Eine Weltprovinz, wenn Sie so wollen, aus toten Glocken geläutet.“
  Aus all diesen Stimmen setzt sich das Bild einer Stadt zusammen, die laut Kraft sympathisch ist, an der man aber auch verzweifeln kann. Eine Stadt, deren Spießigkeit insbesondere Künstler einerseits nicht aushalten, die ihnen andererseits jedoch auch Unterschlupf und Geborgenheit bietet. Eine Weltprovinz eben, wie man sie auch in Städten wie etwa Tübingen und Freiburg findet, weshalb der Roman für Kraft auch in vergleichbaren Soziotopen anderer Städte spielen könnte. Daher seine Abwehr der Annahme, hier handele es sich um einen reinen Regionalroman.
  Was bitte ist dieser Roman aber dann? Auch kein autobiografischer Nostalgie-Trip, findet Kraft, der die Analyse in eigener Sache mal eben weitertreibt: „Es wäre verkürzt, wenn man ihn nur als Hommage an die Kindheit und Jugend des Autors sähe.“ Die Jugenderinnerungen des Stadtwanderers Robert kommen allerdings wahrlich nicht zu kurz; Erinnerungen an Urlaube in den Sechzigern, in denen die Familie mit dem VW über die Alpen nach Italien tuckerte, an eine Schulzeit mit Schafkopf-Runden und Diskussionen über die RAF, an Partys, die nach Roxy Music klangen und Velvet Underground. Dass Kraft zumindest musikalisch gerne den guten alten Zeiten nachhängt, hat er zuvor bereits als Herausgeber von Büchern wie „Beatlemania“ oder „Rock Stories“ bewiesen; daneben hat er sich als Sachbuchautor und Herausgeber mit so unterschiedlichen Themen wie der fränkischen Heimat (die man allerdings nicht heraushört, wenn er spricht) und der Gegenwartsliteratur beschäftigt. Mit all diesen „Fingerübungen“ habe er, so sagt er, „Mut geschöpft“ für den ersten eigenen Roman.
  In diesem Erstling, dem zwei Fortsetzungen folgen sollen, ist das wichtigste Thema für Kraft jedenfalls schlichtweg die Freundschaft: „Das ist für mich ein zentraler Wert, den ich auch zu pflegen versuche.“ Beruflich setzt er das als unermüdlicher Netzwerker um, der in zahlreichen Verbänden bis hin zum Schriftstellerverband aktiv ist. Neben der Freundschaft geht es in diesem thematisch zweifellos vielfältigen, spannungstechnisch nicht immer ganz mithaltenden Debüt aber auch noch um die Geschichte der politischen Linken. Und um den Tod, aber der fehlt ja ohnehin in fast keinem ernstzunehmenden Roman. Nur die Liebe, die wird fast auffallend ausgespart: Der auf den Spuren der Erinnerung wandelnde Robert ist, so erfährt man nur, verheiratet und hat Kinder.
  Die hartnäckige Suche des braven Familienvaters nach dem einstigen Revoluzzer-Freund Little ist damit eine Auseinandersetzung mit den eigenen Anfängen und Träumen, vielleicht gar einem abgespaltenen Teil der Persönlichkeit. Und für den spätberufenen Romanautor der Versuch, sich nach unzähligen Annäherungen an die Werke anderer über die Aufarbeitung der eigenen Biografie nun selbst in die Literaturgeschichte einzuschreiben.
  „Robert stöpselt sich ein in den Sound vergangener Tage und treibt allmählich davon“, lautet ein Satz in diesem Buch, in dem die Vergangenheit entsprechend häufig mit der Gegenwart verschmilzt. Als Robert sich gedanklich einmal allzu weit abtreiben lässt, rüttelt ihn allerdings ein Kumpel auf der Straße am Arm. „Komm, du Träumer“, sagt er, „Dich hat wohl die Erinnerung übermannt. Lass uns ein Bier trinken gehen.“ Genau, denn das hilft immer. Ob in Bamberg oder anderswo.
Erinnerungen an Partys, die
nach Roxy Music klangen
und nach Velvet Underground
Ort der Beschaulichkeit im Unesco-Welterbe Bamberg: Der ehemalige Hafen am Kranen, gelegen am Ufer der Regnitz.
FOTO: PRIVAT
Kenner der Buchbranche: Debüt-Autor Thomas Kraft.
FOTO: CATHERINA HESS
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